Workshop über den Text „Spiegel der einfachen Seelen – Mirouer des Simples Ames“ der mittelalterlichen Denkerin Marguerite Porète

Bamberg, 10.-11. März 2022; An der Universität 2, Raum U2/02.04
Organisation: PD Dr. Marko J. Fuchs

Vom 10.-11. März 2022 wird im Rahmen der Forschungsstelle ‚Methoden der Normenbegründung‘ des Instituts für Philosophie an unserer Bamberger Universität ein zweitägiger Workshop über den Text Spiegel der einfachen Seelen – Mirouer des Simples Ames der mittelalterlichen Denkerin Marguerite Porète, einen der Klassiker der Beginenmystik, stattfinden. Die Geschäftsführung der Forschungsstelle organisiert diesen Workshop in Kooperation mit dem Arbeitskreis ‚Praktische Philosophie‘ der Gesellschaft für Philosophie des Mittelalters und der Renaissance (GPMR) und setzt damit eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit dieser Institution fort.
Bekanntlich wurde Marguerite Porète im Jahre 1310 als Häretikerin verbrannt, fünfzehn Sätze aus dem Mirouer wurden verurteilt. Die Überlieferung bezeugt, dass die Inquisitoren Porète das Vertreten einer tugendfreien und morallosen Ethik sowie Gleichgültigkeit gegenüber den von der Kirche vermittelten Heilsinstrumenten vorwarfen. Und tatsächlich finden sich Stellen im Mirouer, in denen die Bedeutungslosigkeit der Tugenden – auch der eingegossenen oder theologischen (fides, spes, caritas) – für die ‚vernichtigte und freie Seele‘ (l‘ame adnientie et franche) und deren Indifferenz gegenüber den göttlichen Tröstungen zum Ausdruck kommt. Zugleich ist jedoch festzuhalten, dass die ‚Vernichtigung‘ – nicht etwa ‚Vernichtung‘ – der Seele deren gänzliche existentielle Transformation bedeutet, an deren Ende eine vollkommene Öffnung für und Vereinigung mit Gott als der Liebe (l’Amour) steht, welcher bzw. welche alsdann durch diese Seele hindurch handelt und sich hierbei durchaus auch der Tugenden bedient, ohne deren Forderungen jedoch unterworfen zu sein. Die dergestalt erreichte Freiheit der Seele bedeutet demgemäß nicht ein Verlassen aller Moralität, sondern vielmehr ganz im Gegenteil: Erst eine ‚ame adnientie‘ handelt diesem Entwurf zufolge überhaupt erst in eigentlicher und ursprünglicher Weise aus Gott als dem Grund aller Moralität heraus und damit auch im echten Sinne moralisch, da uneingeschränkt dem göttlichen Willen entsprechend.  
Im Workshop soll es genau um diese Frage gehen: Inwieweit können in Porètes kongenialem Text in der Tat Grundzüge einer mystischen Ethik entdeckt und wie genau kann diese bestimmt und charakterisiert werden? Wie sind überdies die Konflikte systematisch zu rekonstruieren, in denen sich die von Porète entwickelte Denkfigur mit der damals vorherrschenden, überwiegend an der aristotelischen Tugendethik orientieren scholastischen Moralphilosophie und Moraltheologie verstrickt hat? Methodisch sollen hierbei ausgewählte Passagen des schwierigen und augenscheinlich unsystematischen Primärtexts gemeinsam gelesen und kommentiert werden. Als Strukturprinzip der Textauswahl wird die von Porète in verschiedenen Kapiteln beschriebene siebenstufige Aufstiegsbewegung der am Ende vernichtigten und freien Seele bis zu ihrer Vereinigung mit Gott fungieren. Leitidee und Grundintuition der Veranstaltung ist es, dass nicht nur einzelne Topoi innerhalb des Mirouer, sondern vielmehr der gesamte mystische Entwurf als solcher als eine Ethik zu verstehen ist.

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