250. Mediävistischer Gastvortrag

 

Aufbrechen oder Bleiben?
Mittelalterliche Konzepte von Migration und Transkulturalität

Prof. Dr. Bernd Schneidmüller

01. Februar 2017, 20.00 Uhr s.t.,An der Universität 7, Raum U7/01.05

 

Der Vortrag geht von aktuellen Diskussionen über Migration und Transkulturalität aus. Für das Mittelalter wird ein fundamentaler Wechsel in den Konzepten von Migration mit weit reichenden Folgen beschrieben. Im frühen und hohen Mittelalter setzten die lateinischen Quellen ganz selbstverständlich die Entstehung aller Völker, Reiche und Kulturen aus permanenten Migrationen voraus. Europa war ein Raum der Zuwanderung, von Völkern (‚Völkerwanderung‘), Religionen (Christentum) oder Dynastien (aus Troja) aus Asien. Migration und Transkulturalität bildeten also das Fundament des europäischen Wissens von Geschichte und Gegenwart.

Im Humanismus verwandelte sich dieses Denken in fast umstürzender Weise. Mit der Wiederentdeckung der antiken Schrift ‚Germania‘ des Tacitus entstand die Vorstellung ethnischer Reinheit und der Verbindung der Völker mit ihrer Erde (‚Indigenat‘). Seit dem späten 15. Jahrhundert bewiesen die Gelehrten, dass die Völker schon immer auf ihrem eigenen Boden gelebt hätten und dort entstanden seien. Migration und Hybridität wurden nun negativ stigmatisiert.

Dieses humanistische Erbe prägt bis in die Moderne Ideen von Nationalität und Staatsangehörigkeit. Erst in zunehmender Globalisierung entdecken die Kulturwissenschaften wieder ältere Konzepte von Migration und Transkulturalität neu.

 

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