„Anerkennung“ und „Teilhabe“ - Chiffren der Gerechtigkeit für die Einwanderungsgesellschaft?

Der dritte Vortrag im Rahmen der online-Reihe „Theologisches Forum“ wurde von Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins am 17. Dezember 2020 gestaltet. Sie ist an der Universität Bamberg keine Unbekannte, da sie an dieser Universität von 1996 bis 2009 Professorin für Christliche Soziallehre und Allgemeine Religionssoziologie war - unter anderem auch Dekanin der mittlerweile sistierten Fakultät Katholische Theologie. Seit 2009 ist sie Direktorin des Instituts für Christiliche Sozialwissenschaften an der Universität Münster; zwischen 2011 und 2015 war sie zudem Vorsitzende des Universitätsrates der Otto-Friedrich-Universität.

Prof. Dr. Heimbach-Steins stellte ihren Vortrag „‚Anerkennung‘ und ‚Teilhabe‘ – Chiffren der Gerechtigkeit für die Einwanderungsgesellschaft?“ in die Thematik der Vorlesungsreihe „Wofür stehen wir auf? Christliches Engagement in der Gesellschaft von heute“. Das Thema einer Gerechtigkeit für eine Einwanderungsgesellschaft habe sie schon früh beschäftigt, allerdings lenkten die Ereignisse des Jahres 2015 ihre Arbeit auf eine intensivere Auseinandersetzung mit Einwanderung und Gerechtigkeit. Die Frage nach der Fremdheit und den Fremdheitsgefühlen aufseiten der Migrantinnen bzw. Migranten und der eingesessenen Bevölkerung des aufnehmenden Landes stellte sie dabei als Herausforderung für gelingende Integration dar. Als ein weiteres Problem benannte die Referentin die Machtasymmetrie zwischen "Eingesessenen" und Einwandern. Dies meine, dass die eingesessene Bevölkerung Normen definiere, die nicht selten zugleich eine Grenze zwischen ihnen und den migrierten Menschen zögen. Diese Grenze sei hier als ein Produkt aus Fremdheitserfahrungen und eigener Identitätskonstruktion aufseiten der Eingesessenen und damit zum Ausschluss der Anderen zu verstehen.

Die Problematik der Identitätskonstruktion und die damit einhergehende Grenzziehung innerhalb der Gesellschaft machte Prof. Heimbach-Steins anhand zweier literarischer Stimmen deutlich. Zum einen dienten ihr die Erfahrungen der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Adichie, zum anderen die Ansichten des amerikanischen Autors David Foster Wallace. Anhand Adichies Erfahrungen verdeutlichte die Referentin, dass die Reduzierung der Person auf nur eine Geschichte ihre Menschenwürde verletze: Damit werde dem Anderen bzw. dem Gegenüber seine Vielfältigkeit abgesprochen und somit seine Identität nicht zuerkannt. Mit Foster Wallace konnte gezeigt werden, dass Reflexion der eigenen Überzeugungen wichtig ist, um sich als Mensch nicht immer in den Mittelpunkt des Universums zu stellen. Der Mensch müsse seine natürliche Zentrierung aufgeben, um so die Relativität der eigenen Wahrnehmung aufschließen und das Gegenüber als Mensch wahrnehmen zu können.

Ihre Thesen verdeutlichete Marianne Heimbach-Steins mithilfe der Forschungen von Judith Butler, einer poststrukturalistischen Philosophin. Dabei werde das Subjekt erst durch die in einem kommunikativen Prozess erlangte Anerkennung zum Subjekt. Dies sei jedoch auch ein Problem, da der kommunikative Prozess immer auch durch Machtasymmetrien beeinflusst sei. Deshalb brauche es laut Butler statt einer zweistelligen Norm eine dreistellige Relation im Denken über Intersubjektivität. Dabei gehe es um die Abhängigkeit von Ich/Subjekt – Du/Anderer – Norm, die zu einer wechselseitigen Anerkennung führe. Ein Kriterium für diese Anerkennung sei die Betrauerbarkeit von Leben. Nur wenn ein Mensch betrauert werde, werde er auch als Subjekt mit Wert anerkennt. Dabei spiele auch die Teilhabe eine wichtige Rolle, die auch bei noch nicht vollständiger Anerkennung sichergestellt werden müsse. Dabei verlange die Teilhabe die Überwindung von Diskriminierung.

Im Anschluss an ihren Vortrag stand Prof. Dr. Heimbach-Steins für Rückfragen und Überlegungen der Teilnehmer*innen bereit.

Hinweis

Diesen Text verfasste Anna Maria Hack. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.