„Gottes Geist reißt Mauern nieder“

Zum Abschluss des Theologischen Forums im Wintersemester 2020/21 referierte Dr. Sebastian Painadath SJ (Kalady, Indien) über Perspektiven zum interreligiösen Dialog. Seine Schwerpunkte waren die Wahrnehmung der Vielfalt von Religionen und die Wertschätzung von Spiritualität als „geist-reichem“ und vebindendem Element.

Ausgehend vom wachsenden Bewusstsein für globale Zusammenhänge, mit dem sich der Blick auch auf andere „spirituelle Meister“ wendet, kommt Painadath zur Annahme, dass Gottes Geheimnis größer ist als jede (verfasste) Religion. Der Nikodemusdialog aus dem Johannesevangelium, der zeigt, dass der Geist „weht, wo er will“ (Joh 3,8), führe dann zur Erkenntnis, dass sich Christinnen und Christen im interreligiösen Dialog für das je größere Geheimnis Gottes öffnen können. Im Dialog der Religionen zeige sich, so Painadath weiter, wie Gottes Geist das Leben aller wandelt.

Die wahrnehmbare Vielfalt der Religionen weist der Jesuit mit anschaulichen Metaphern als „Schönheit“, als „Lebensqualität“ und schließlich als „Reichtum“ des göttlichen und des menschlichen Geistes zugleich aus. Diese Vielfalt kann weiterhin mit den Bildern des Baumes und seinen vielen Ästen oder der verschiedenen Instrumente eines Orchesters, die doch einen gemeinsamen Klang erzeugen, als „geist-reiche“ Harmonie gefasst werden. Schließlich entspreche es Gottes Heilsplan, an vielfältigen Orten mit allen Menschen in Dialog zu treten.

Dieses Verständnis von Vielfalt führt nun zu einer zweifachen Haltung von Respekt: der Achtung vor der menschlichen Freiheit, Gott zu suchen, und der Anerkenntnis, Gottes Geist seinen Wirkungsraum zuzugestehen. Diese Offenheit adressiert an Christinnen und Christen den Imperativ: „Richte nicht!“ und lässt, so schlägt es Painadath vor, die Welt als Ort der Entfaltung von Gottes Reich verstehen.

In seiner Kernthese führt der Leiter des christlichen Ashrams Sameeksha (Indien) diese Vielfalt auf eine allen Religionen gemeinsame mystische Grunderfahrung als einendes Moment zurück: Gottes Offenbarung geschieht im Modus des Kairos (Weise, Propheten, Inkarnationsgestalten etc.), verfestigt sich zu heiligen Schriften und institutionalisiert sich in Glaubensgemeinschaften. Für den Dialog bildet daher die Anerkenntnis von Elementen der Wahrheit in den anderen Religionen (vgl. NA 2) das Fundament.

In diesem Licht stellt Painadath Konturen seines Verständnisses von interreligiösem Dialog vor: Zuerst ist für ihn Dialog nicht im herkömmlichen Wortsinn eine Konversation, sondern eine Erkenntnis Gottes – in den Schwingungen seines Geistes in den anderen Menschen. In diesem Hinhören wird der Dialog zur sakramentalen Begegnung mit Gott im Anderen und durch das Andere. Beispielsweise kann so die Lektüre der hinduistischen Veden Christinnen und Christen anleiten, in ihnen die Heilsnähe Gottes wahrzunehmen und zusammen an der Neugestaltung einer zerbrochenen Welt zu arbeiten.

Zusammenfassend stellte Dr. Sebastian Painadath SJ in seinem Vortrag wie auch in der anschließenden Diskussion respektvollen Umgang als Grundlage für den interreligiösen Dialog heraus. Weiterhin seien es die spontanen und offenen Begegnungen, eine Kultur der offenen Kirchen und die Besinnung auf die Mystik als verbindendes Element, die die interreligiöse Harmonie zum Tragen bringen. Vom Geist Gottes her den Anderen zu respektieren und im Umgang eine rezeptive Haltung einzunehmen, bedeute schließlich Transzendenz: sich auf die Einheit hinter der Verschiedenheit der Menschen einzulassen.

Hinweis

Diesen Text verfasste Simon Steinberger. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.