The Church and Gender Troubles in Africa (Humboldt-Lecture)

Zum Abschluss des Theologischen Forums 2016/17, das sich mit „Gender und Theologie“ befasste, konnte das Institut für Katholische Theologie einen besonderen Gast begrüßen: Prof. Dr. Ezra Chitando, Träger des Georg Forster-Forschungspreises 2016 der Alexander von Humboldt-Stiftung.

Zur Person

Ezra Chitando, Jahrgang 1969, ist Professor für Religionsgeschichte und -phänomenologie am Department of Religious Studies, Classics and Philosophy der University of Zimbabwe in Harare. Er hat ebendort einen BA Honours, einen MA und einen Dr. phil. in Religious Studies erworben. Neben seiner akademischen Tätigkeit arbeitet Prof. Chitando auch als theologischer Berater in Sachen HIV/AIDS für den Weltkirchenrat. Er ist verheiratet, hat zwei Töchter und einen Sohn. Chitando war Gastwissenschaftler an den Universitäten Edinburg, New York, Uppsala und Bayreuth. Im Juni 2016 kam Ezra Chitando auf Einladung von Prof. Dr. Joachim Kügler an das Institut für Katholische Theologie, um hier im Kontext der Bibel-in-Afrika-Forschung zu arbeiten.
Prof. Chitandos wissenschaftliches Wirken ist vielfältig. Er befasst sich mit religiösen Aspekten von Sicherheit, Politik, Klimawandel und HIV/AIDS, in den letzten Jahren aber immer wieder mit dem Zusammenspiel von Religion und Geschlechtsrollen.

Zum Vortrag

 

Nach einem herzlichen Grußwort von Dekan Prof. Dr. Markus Behmer, der unter anderem darauf hinwies, dass Chitando Mitherausgeber der Bamberger Bibel-in-Afrika-Studien ist, und einführenden Worten durch Prof. Dr. Joachim Kügler gab der Gastreferent einen Einblick in ausgewählte Kontexte, um die Verquickung von Kirche(n) und Gender-Fragen in Afrika (die keinesfalls einheitlichen Mustern folgt) zu veranschaulichen. Zudem skizzierte er mögliche Reaktionsoptionen.

Wie Chitando betonte, ist die Kirche sehr stark in Geschlechtsrollen-Probleme in Afrika involviert. Dabei geht es vor allem um drei Bereiche, in denen die Kirche in Afrika direkt mit geschlechtsrollenspezifischen Problemen in Afrika zu tun hat:

  • Die explizite und implizite Förderung oder Unterstützung der Idee des Mannes als Familienoberhaupt oder der männlichen Vorherrschaft, wobei die Kombination von christlichen/westlichen patriarchalischen Ideen und afrikanischen patriarchalischen Ideen zu teilweise extremer geschlechtsspezifischer Ungerechtigkeit geführt hat.
  • Das Schweigen, die Untätigkeit und das falsche Handeln der Kirche in Bezug auf sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt. Chitando meinte hierzu, dass sich die Kirche – wegen des Verlustes ihrer prophetischen Stimme – zu wenig angestrengt hat, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt anzugehen. Das kirchliche Versagen, Geschlechterfragen auf der häuslichen Ebene zu bekämpfen, hat deutlich negative Auswirkungen auf die Gesellschaft insgesamt.
  • Die Geschlechtsrollenprobleme, die kirchliche Frauen in Afrika erleben. Während einige protestantische und pfingstliche Kirchen Frauen ordiniert haben und die katholische Kirche zumindest Frauen mit religiösem Sonderstatus (z. B. Ordensfrauen) hat, zeigt sich, dass Frauen, die Führungsrollen in der Kirche aufnehmen, einer Menge von Ausgrenzungen, Stigmata und Diskriminierungen ausgesetzt sind. Offensichtlich folgen die „gender troubles“, die die Kirche in der Gesellschaft bekämpft, der Kirche in ihren eigenen „heiligen Bezirk“! Chitando forderte, dass die Kirche sich hier selbst bekehren muss, bevor sie die Gesellschaft insgesamt zu mehr Geschlechtergerechtigkeit zu bekehren hofft.

Angesichts der Geschlechtsrollen-Probleme, die sowohl die Gesellschaft als auch die Kirche beschäftigen, stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Chitando schlug zwei miteinander korrespondierende Strategien vor:

  • Eine kreative und befreiende religiöse und theologische Erziehung, die die Geschlechtergerechtigkeit fördert. Der Referent meinte, dass die Entstehung einer transformativen theologischen Erziehung zur Kompetenz der Kirche beitragen kann, um „gender troubles“ anzugehen.
  • Transformative Männlichkeitskonzepte, mit Hilfe derer auch die Männer innerhalb der Kirche (wie auch außerhalb) die Arbeit für Geschlechtergerechtigkeit unterstützen. Zwar gibt es große Widerstände gegen die Entwicklung transformativer Männlichkeit, aber dennoch ist dies eine praktische Strategie, die zu einem „Leben in Fülle“ für Frauen, Männer und Kinder in der Gesellschaft beitragen wird.

Es muss jedenfalls klar sein – so Chitando –, dass die Kirchen aufgrund der besonderen Rolle der Religionen in nachkolonialen Gesellschaften Afrikas eine entscheidende Rolle im Streit um Geschlechtsrollen in Afrika spielen. Oft seien sie ein Hindernis für eine gerechte Gestaltung der Geschlechtsrollen, aber wenn sie ihre prophetische Stimme wieder fänden, dann könnten sie auch ein Motor des Wandels und der Neugestaltung sein. Hier ist vor allem eine kritische Theologie gefordert, die solche Umkehrprozesse anstoßen und begleiten muss. Dabei wird es insbesondere auch darum gehen, dem patriarchalen Gebrauch von Schrift und Tradition befreiende Rezeptionsformen entgegenzustellen.

Im Anschluss an die Ausführungen Chitandos folgte eine lebhafte Diskussion mit einem internationalen Publikum, zu dem auch die neue, gerade in Bamberg angekommene Humboldt-Stipendiatin Dr. Rosinah Gabaitse (Botswana) gehörte. Zahlreiche Studierende und auch Angehörige der African community in Bamberg suchten den Dialog mit Prof. Chitando – im Hörsaal und bei einem anschließenden Abendessen.

Hinweis

Diesen Text verfasste Prof. Dr. Joachim Kügler. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.