Blasphemie als mediales Phänomen

Prof.'in Johanna Haberer referiert beim Theologischen Forum 2013/2014

Am zweiten Abend des »Theologischen Forums« im Wintersemester 2013/2014 unter dem Titel »Lächerlicher Glaube?« nahm Johanna Haberer, Professorin für Christliche Publizistik am Fachbereich Theologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die Blasphemie als mediales Phänomen in den Blick.

Haberer zeigte die starke Kohärenz von Blasphemie und Medien auf. Medien, so die Referentin, seien natürliche Auslöser der Diskurse um Blasphemie und würden somit eine gravierende Rolle innerhalb der Blasphemiedebatte spielen.

Im ersten Teil ihres Vortrags thematisierte Haberer die rechtlichen Bestimmungen, welche für die Blasphemiedebatte relevant sind. Hierbei fokussierte sich die Referentin sowohl auf Artikel 5 des Grundgesetzes, in welchem die Meinungsfreiheit verankert ist, als auch auf §166 des Strafgesetzbuches. Außerdem spiele der Pressekodex (Ziffer 9 und 10) eine wichtige Rolle bei Blasphemiediskursen. Veranschaulicht durch die Blasphemievorwürfe, die sich auf ein Papst-Cover der Satirezeitschrift »Titanic« bezogen, und die vom Presserat  zurückgewiesen worden waren, demonstrierte Haberer das in der Vergangenheit eher passive Verhalten des Presserates hinsichtlich der Debatten um Blasphemie. Aufgrund solcher Ereignisse, die durch die Pluralisierung der Gesellschaft noch weiter zunehmen würden, so die Referentin, wachse auch die Forderung, vor allem seitens der christlichen Kirche, den Blasphemie-Paragraphen zu verschärfen. Bislang jedoch ohne Erfolg.

Davon ausgehend machte die Publizistin auf die zentralen Spannungsfelder der Blasphemiedebatte im medialen Kontext aufmerksam. Einerseits wolle man die Freiheit der Meinungsäußerung sichern, andererseits verpflichte sich der Staat, religiöse Gefühle und den öffentlichen Frieden zu schützen. Den Vorwurf, Glaube und Kirche seien in den Medien unterrepräsentiert, würden ignoriert oder wären Gegenstand blasphemischer Zusammenhänge, konnte Haberer unter anderem durch die Präsentation einer schweizerischen Studie ausräumen. Religion und Kirche, so die Referentin, weisen im Gegenteil eine massive Präsenz in den Medien auf. Anhand verschiedener Blasphemiedebatten, unter anderem um die Mohammed-Karikaturen, illustrierte Haberer die unterschiedlichen Bewertungen der Presse einerseits und der innerreligiösen Gemeinschaften andererseits bezüglich der Blasphemiediskurse.

In einem dritten Schritt befasste sich Haberer mit den theologischen Perspektiven der Blasphemiedebatte. Hierbei nahm sie Bezug auf das zweite Gebot des Dekalogs, bei dem es laut Haberer weniger um die Beleidung des Gottesnamen ginge, als vielmehr um den Eid, durch dessen Bruch Gott und sein Name beleidigt würden. Durch den neutestamentlichen Bezug auf die Passionsgeschichte (v.a. Mk 14,60-64) zeigte die Referentin, dass Jesus selbst im innerjüdischen Diskurs Gotteslästerung vorgeworfen wurde. Durch politische Zuspitzung als „Störer des öffentlichen Friedens“ gebrandmarkt, verurteilte ihn der – wohlgemerkt religiös neutrale – Statthalter Pilatus schließlich zum Tode. Von diesem Musterprozess Jesu ausgehend, sollten wir Christen, so Haberer, im heutigen Pluralismus angehalten werden, nicht zu leichtfertig mit Blasphemie umzugehen, sondern potentielle Ambivalenzen zu prüfen. Mit den Sätzen: „Theologen und Christen können und müssen Gott weder verteidigen noch strafrechtlich schützen! Wir sollen ihn bekennen!“ beendete Haberer ihren Vortrag und provozierte zu einer interessanten und intensiven Diskussionsrunde.

Hinweis

Diesen Text verfasste Carolin Rost. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.