Prof. Dr. Julia Bernstein / Martin Stammler: Antisemitismus in der Schule
Auftakt des Theologischen Forum 2023/24
Das Theologische Forum 2023/24 begann am 26. Oktober 2023 mit Vorträgen von Prof. Dr. Julia Bernstein (Frankfurt University of Applied Sciences) und Martin Stammler (Kompetenzzentrum Demokratie und Menschenwürde). Dieses Jahr steht die Ringvorlesung unter dem Titel »Gegen Antisemitismus« und setzt sich (auch aus theologischer Perspektive) mit dem in Deutschland stetig ansteigenden Antisemitismus auseinander. Das Theologische Forum ist eine Kooperationsveranstaltung des Instituts für Katholische Theologie und der Katholischen Erwachsenenbildung im Erzbistum Bamberg e. V.
Zu Beginn des Abends führte Prof. Dr. Kathrin Gies (Inhaberin des Lehrstuhls für Alttestamentliche Wissenschaften) in das Thema des Abends Antisemitismus in der Schule ein. Sie ging dabei zunächst auf die jüngsten Ereignisse rund um den Terrorangriff der Hamas auf Israel ein. Vor diesem Hintergrund werde auch in Deutschland der seit Jahren ansteigende Antisemitismus ganz offen sichtbar – auch an Schulen zeige sich dies wie in einem Brennglas der Gesellschaft. Anschließend begrüßte Patrick Nitzsche, Antisemitismusbeauftragter der Stadt Bamberg, die anwesenden Gäste und betonte die Wichtigkeit derartiger Veranstaltungen gerade in diesen Zeiten. Dies gelte besonders für angehende Lehrkräfte, die die Aufgabe haben, ihren Schüler*innen Werte wie Toleranz, Respekt und Vielfalt zu vermitteln.
Schließlich begann Prof. Dr. Bernstein, online zugeschaltet, den ersten Vortrag des Abends. Anhand von anonymen Erfahrungsberichten zeigte sie anschaulich auf, dass der Antisemitismus in Deutschland und besonders an Schulen nicht erst seit dem eskalierten Konflikt in Israel real vorhanden ist. Sie stellte dar, was das für Jüd*innen bedeutet, wenn sie dies immer noch im Land der Shoa erleben müssen, besonders da in der Vergangenheit große Bemühungen nötig waren, um das jüdische Leben in Deutschland wiederzubeleben. Anhand der Beispiele erklärte sie zudem verschiedene Formen von Antisemitismus, u.a. den israelbezogenen und modernen Antisemitismus. Bernstein legte dann den Fokus auf die Schule. In ihrer 2020 erschienenen Studie »Antisemitismus an Schulen in Deutschland« untersuchte sie die Ausprägungen des Antisemitismus in Schulen. Unter anderem machte sie deutlich, dass es an vielen Schulen jüdische Schüler*innen und Lehrkräfte gibt, die sich aber nicht als solche zu erkennen geben, aus Angst vor Anfeindungen und Gewalt. Grund für die Anfeindungen sei unter anderem auch, die fehlende Normalität jüdischen Lebens in der deutschen Gesellschaft, sowie Othering. Außerdem musste sie bei ihren Studien feststellen, dass es deutliche Unterschiede zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Lehrkräften in ihrem Umgang mit Antisemitismus an den Schulen gibt. Bernstein schloss ihren Vortrag mit dem Hinweis, dass ein häufiges Phänomen beim Umgang mit Antisemitismus eine ›Täter-Opfer-Umkehr‹ ist. Häufig beobachtbar sei zum Beispiel, dass bei Schulleitungen die Angst vor dem Vorwurf des Antisemitismus größer ist als die Angst vor dem Antisemitismus selbst.
Den zweiten Teil des Abends übernahm Martin Stammler. Er ist Bildungsreferent am Caritas-Pirckheimer-Haus und dort unter anderem in der Projektleitung am Kompetenzzentrum Demokratie und Menschenwürde. Herr Stammler schloss an die theoretischen Grundlagen aus Frau Bernsteins Vortrag mit praxisorientierten Perspektiven an. Er wies daraufhin, dass die Problemwahrnehmung von Antisemitismus einer der wichtigsten Ansatzpunkte im Umgang mit Antisemitismus darstelle. Er betonte, insbesondere in Hinblick auf die vielen angehenden Lehrkräfte im Publikum, dass es wichtig sei, sich über die Vergangenheit der eigenen Familie während der Zeit im Nationalsozialismus zu informieren, um sprachfähiger zu werden. Stammler zeigte dann auf, welche strukturelle Hürden im Engagement gegen Antisemitismus bestehen (z.B. dass Schulen häufig über kein klares Konzept verfügen). Anschließend gab er mit Hilfe eines Beispiels („Parole an Tafel“) konkrete Handlungshinweise, auch wenn er klarstellte, dass diese kein „Patentrezept“ darstellten, sondern von Fall zu Fall neu beurteilt werden müsse, welches Vorgehen angemessen sei. Stammler schloss seinen Vortrag mit der Forderung nach einer Null-Toleranz-Politik gegenüber (antisemitischen) Angriffen und Gewalt, die sich in einem konsequenten Vorgehen und einer einheitlichen schulinternen Linie äußern müsse. Zudem sei der Kampf gegen Antisemitismus eine fächerübergreifende Aufgabe, aus der sich keine Lehrkraft herausnehmen könne.
Zum Abschluss des Abends fand der traditionelle Institutsempfang der Katholischen und Evangelischen Theologie statt.
Der nächste Vortrag findet am 16. November 2023 zum Thema »Ressentiments im Mantel der Kritik? – antirassistische und postkoloniale Debatten aus antisemitismuskritischer Perspektive« statt. Referent ist Bijan Razavi von der Bildungsstätte Anne Frank. Alle Interessierten sind zum Vortragsabend im Hörsaal U2/00.25 herzlich eingeladen.
Den Text verfasste Luisa Schmid. Er steht Journalist:innen zur freien Verfügung.