Jacobia Dahm

Nachruf auf Eugen Gomringer (1925-2025)

Im Alter von 100 Jahren verstarb am 21. August 2025 Eugen Gomringer. Als Begründer der Konkreten Poesie gehörte er zu den prägenden Stimmen der deutschsprachigen Literatur nach 1945. Der Universität Bamberg ist Eugen Gomringer in besonderer Weise verbunden: 1986 übernahm er als erster Inhaber die Bamberger Poetikprofessur und begründete damit eine Tradition, die namhafte Autorinnen und Autoren jeden Sommer nach Bamberg führt, den Dialog zwischen literarischem Schreiben und literaturwissenschaftlicher Reflexion ebnet und die städtische Öffentlichkeit dazu einlädt.

Anfang der 1950er-Jahre entwickelte Eugen Gomringer eine radikal neue Auffassung von Lyrik. Im Mittelpunkt seiner Konzeption steht die Sprache als Material: das einzelne Wort, sein Klang, die visuelle Gestalt, vor allem aber seine Anordnung im (typographischen) Raum als konstellation. In seinem Manifest vom vers zur konstellation (1954) definiert er sie als „eine gruppe von worten – wie sie eine gruppe von sternen umfaßt und zum sternbild wird. in ihr sind zwei, drei oder mehr, neben- oder untereinandergesetzten worten […] eine gedanklich-stoffliche beziehung gegeben. und das ist alles!“ Gomringer strebt in seinen konstellationen Klarheit und Präzision an, die neue bewusste Ordnungen schaffen. Sie zielen deshalb nicht auf semantische Mehrdeutigkeit, sondern schaffen Räume der Konzentration, in denen die Worte Eigengewicht gewinnen.

In den 1950er Jahren arbeitete er als Sekretär des Schweizer Künstlers Max Bill an der Hochschule für Gestaltung in Ulm und war eng mit der Zürcher Schule der Konkreten verbunden. Von 1979 bis 1990 lehrte er als Professor für Theorie der Ästhetik an der Kunstakademie Düsseldorf. Seine konstellationen wurden zum Ausgangspunkt einer neuen Aufmerksamkeit für Materialität, Medialität und Visualität von Texten. Dabei betonte er den Zusammenhang der „konkreten Poesie“ mit „führenden entwicklungen auf den gebieten des bauens, der malerei und plastik, der produktgestaltung, der industriellen organisation, mit entwicklungen, denen ein kritisches, doch positiv entschiedenes denken zugrunde liegt“.

In seinem letzten Gedichtband Welt im Sonett (2020) wendete er sich in zahlreichen traditionell verfassten Sonetten  u.a. Weggefährten und Weggefährtinnen zu, nicht zuletzt seiner 2020 verstorbenen Frau Nortrud Gomringer und seiner Tochter Nora-Eugenie Gomringer, Direktorin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg.

Gomringers Werk bleibt ein Gegenstand in Forschung und Lehre. So widmete sich in diesem Jahr ein an der Universität Bamberg veranstaltetes Seminar seinem Werk und der von ihm geschaffenen Konkreten Poesie. Am 18. Dezember 2025 wird in einer Gedenkveranstaltung, mitgestaltet von Studierenden der Neueren deutschen Literaturwissenschaft, an den ersten Bamberger Poetikprofessor erinnert werden. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie. Wir werden unserem ersten Bamberger Poetikprofessor ein ehrendes Andenken bewahren.