Mischa Pitskhelauri präsentiert vier seiner Bilder (Fotos: Dagmar Schönowsky).

Durchsichtigkeit ist ein tragendes Konzept der Ausstellung.

Die Organisatoren der Ausstellung Fabian Franke und Elisabeth von Erdmann mit Mischa Pitskhelauri (re.).

- Dagmar Schönowsky

Vom Menschen gebrochen und wiedervereint

Teilbibliothek 4 zeigt Arbeiten von Mischa Pitskhelauri

Die Universitätsbibliothek und der Lehrstuhl für Slavische Literaturwissenschaft veranstalteten gemeinsam eine Ausstellung zu dem Thema „Der verwundete Held. Parzival und Recke im Tigerfell“. Das Besondere daran: Der Künstler Mischa Pitskhelauri integriert seine Bilder und Installationen in die Architektur der Teilbibliothek 4.

„Mittlerweile ist es eine Tradition an der Otto-Friedrich-Universität, dass die Bibliothek sich für Kunst und Literatur öffnet“, erläuterte Präsident Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Der verwundete Held. Parzival und Der Recke im Tigerfell“ am 6. Mai. Über das ganze Semester hinweg können sich die Besucher der Teilbibliothek 4 künftig von den Werken des Künstlers Mischa Pitskhelauri in ihren Bann ziehen lassen. Thematische Grundlage für die ausgestellten Installationen, Zeichnungen, Malereien und Siebdrucke bilden die um 1200 verfassten Epen „Parzival“ von Wolfram von Eschenbach und „Der Recke im Tigerfell“ des georgischen Autors Schota Rustaveli.

Brückenschlag von Georgien nach Bamberg

Mischa Pitskhelauri, in Georgien geboren, lebt und arbeitet seit 2007 in Bischberg. Seine Frau Ulrike führte mit Slavistikstudierenden im Wintersemester 09/10 ein Theaterstück in russischer Sprache auf. Auf diese Weise entstand der Kontakt zwischen dem Lehrstuhl für Slavische Literaturwissenschaft und dem Künstler. Die thematischen Parallelen zwischen den Epen von Eschenbach und Rustaveli faszinierten die Veranstalter und den Künstler, und so wählten sie gemeinsam das Thema der Ausstellung. Prof. Dr. Elisabeth von Erdmann, Inhaberin des Lehrstuhls für Slavische Literaturwissenschaft, beschreibt sie als „Brückenschlag zwischen europäischer und georgischer Kultur“.

Der verwundete Held

Das verbindende Element zwischen beiden epischen Werken ist der verwundete Held, der sich auf die Suche nach etwas Höherem macht und dabei sowohl auf die Liebe als auch auf das Scheitern trifft. Dieses 800 Jahre alte Heldenkonzept beeindruckt die Leser bis heute: Rustavelis Epos gilt als Schlüsselwerk der georgischen Literatur. Die meisten Georgier können ganze Textpassagen auswendig und auch für Mischa Pitskhelauri ist es eine Quelle der Inspiration. Dementsprechend stellte Elisabeth von Erdmann fest: „Es geht in seiner Kunst um die zeitlose Frage, wie ein herausragender Mensch es anstellen kann, für sich und andere Menschen etwas Wichtiges zu erreichen.“

Durchsichtigkeit

Die Installationen und Malereien sind eigens für die Architektur der Bibliothek entworfen worden, wie Dr. Fabian Franke, Direktor der Universitätsbibliothek, ausführt. Umgesetzt wird die Heldenthematik unter anderem durch ein Konzept der Durchsichtigkeit. Der Künstler fertigte hierfür Zeichnungen auf selbstklebenden Folien, die an die Glasflächen der Bibliothek angebracht wurden. Inspiration bot dabei auch der Name des Helden „Parzival“. Wörtlich übersetzt bedeutet er „durch das Tal hindurch“. Das Scheinen des Lichts durch die Kunstwerke hindurch wird zu einem Bild für die »Durchsicht«, die letzte Station der Ausstellung.

Bindegewebe als Inspiration

Der Künstler erklärte dem Publikum das Besondere an seiner Kunst durch den Begriff des „Mesenchyms“ (Bindegewebe). Es war für ihn eine wichtige Erfahrung, diesem Begriff in einem Buch zu begegnen. Die von ihm ausgehende Anregung sollte großen Einfluss auf sein Schaffen ausüben, wie Mischa Pitskhelauri erklärt: „Aus diesem unspezifischen Gewebe entstehen Bildungen wie Knochen oder Muskeln. Es ist allgemein, teilungsfähig und multipotent. Es spezialisiert sich, um den Menschen einen Leib zu geben.“ Inspiriert durch diese Eigenschaften des Mesenchyms trennt der Künstler in seinen Werken die Bildelemente voneinander, und der Betrachter übernimmt die Aufgabe des Mesenchyms, die Teile zu einem Gewebe, zu einer Gestalt, zusammenzufügen.

Die Ausstellungsbesucher erfüllen damit eine wichtige Rolle, denn erst der Betrachter kann dem Dargestellten seine feste Form geben. Pitskhelauri vergleicht das Verhältnis von Künstler und Betrachter mit dem eines Autors und seiner Leserschaft. So sei es für ihn ein „bewegendes Gefühl“, wenn man nach dem Lesen eines Buches nicht nur die Intelligenz des Autors spüre, sondern sich selbst auch als bereichert und klüger empfinde. Der Künstler hofft, mit seinen Arbeiten bei den Menschen, die sie betrachten, ein ähnliches Gefühl zu erwecken. Seine Kunst darf und soll individuell betrachtet, reflektiert und vervollständigt werden.