Schulleitung im Zeitalter der Beschleunigung  

Bericht zum 8. Bamberger Schulleitungssymposium

„Zeit-gemäße Führung – zeitgemäßer Unterricht. Erwartungen, Möglichkeiten und Perspektiven“

Vom 11. – 13. Oktober 2007 fand zum 8. Mal das traditionsreiche und bundesweit renommierte Bamberger Schulleitungssymposium statt. Über 240 Teilnehmer/innen aus Schulleitung, Steuergruppen und Schuladministration folgten der Einladung der an den Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik angegliederten Forschungsstelle für Schulmanagement und Schulentwicklung (Universität Bamberg) und ihren Kooperationspartnern, der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen sowie dem Lehrstuhl für Pädagogik I der Universität in Erlangen-Nürnberg.

Entstehungshintergründe und Bedeutung

Die Wahl des Tagungsmottos „Zeit-gemäße Führung – zeitgemäßer Unterricht“ hatte vielfältige Gründe: Zum einen stellt Zeit für die Leitungspersonen selbst ein kostbares Gut dar, denn die verfügbaren zeitlichen Ressourcen für die Wahrnehmung von Leitungsaufgaben stehen für jeden Betroffenen spürbar in einem Missverhältnis zur täglichen Aufgabenfülle. Zum anderen beeinflussen Schulleiter/innen als weisungsbefugte Führungskräfte die Art und Weise, wie die Mitglieder der Schulgemeinschaft Zeit nutzen und erleben. Vor dem Hintergrund (inter-)nationaler Leistungsvergleichstests wird zudem ihre Gesamtverantwortung für die Qualität der pädagogischen Arbeit neu interpretiert, da neben der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Unterrichtserteilung auch der Lernerfolg der Schüler/innen zum Erfolgsmaßstab ihrer Arbeit erhoben wird. Die Einführung von Bildungsstandards und Evaluationen, veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen und eine zunehmende Heterogenität der Schülerschaft erzeugen gegenwärtig weitere Herausforderungen und Belastungen für das gesamte schulische Personal.

Reflexionen über Zeit und ihre Bedeutung im Schulleben

In zahlreichen Vorträgen, Info- und Workshops präsentierten über 30 namhafte Referent/innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Erkenntnisse aus der Wissenschaft und Erfahrungen aus der schulischen Praxis, beleuchteten Hintergründe und Rahmenbedingungen des schulleitendenden und pädagogischen Handelns und erarbeiteten mit den Teilnehmer/innen Denk- und Handlungsalternativen für konkrete Probleme ihrer täglichen Arbeit. 
In diesem Zusammenhang wurden die Konsequenzen der Globalisierung für individuelle berufliche Lebensläufe (Prof. Hans-Peter Blossfeld) ebenso thematisiert wie evolutionsgeschichtliche Hintergründe der individuellen Zeitwahrnehmung und -nutzung oder ihre gesellschaftliche und institutionelle Einbettung (Prof. Annette Scheunpflug und Prof. Detlef Sembill). Auch Wesensmerkmale einer zeitgemäßen, pädagogischen Prinzipien verpflichteten Personalführung (Prof. Fritz Oser) und das erweiterte Tätigkeitsspektrum im Beruf Schulleitung unter veränderten Formen der bildungspolitischen Systemsteuerung (Prof. Herbert Altrichter und Prof. Erwin Rauscher) standen im Fokus.  

Anregungen und Unterstützungen für eine zeit-gemäße (Schul-)Leitung

Dem Tagungsmotto entsprechend setzten sich viele Beiträge mit Fragen der sinnvollen und effizienten Nutzung verfügbarer Leitungszeit auseinander. Dabei wurden pragmatische Ansätze eines ganzheitlichen Zeit- bzw. Selbstmanagements erarbeitet (Prof. Detlef Sembill & Dr. Angelika Rehm; Christian Buske & Verena Schneider-Prengel) und gemeinsam Strategien für lösungsorientierte, konstruktive Zielvereinbarungs-, Mitarbeiter- und Konfliktgespräche entwickelt (Barbara Loos, Hans Schindele & Stephan Deiner). Das Themenspektrum der Beiträge erstreckte sich darüber hinaus auch auf Erfolgsfaktoren der schulinternen Lehrerfortbildung und resultierende Aufgaben der Schulleitung (Claudia Bergmüller & Markus Drexl), Lehrergesundheit als zentrales Qualitätsmerkmal einer zeitgemäßen Schule (Prof. Bernhard Sieland), die Auswirkungen neuer Arbeitszeitmodelle auf die Lernkultur einer Schule (Michael Pfeifer) und den Anwendungsnutzen zeitgenössischer Führungsansätze in der täglichen Leitungspraxis (Thomas Sachsenröder). 
Katharina Schlamp und Anton Kapfer erörterten, wie aus den Ergebnissen einer externen Evaluation sinnvolle und verbindliche Ziele innerhalb der Schulgemeinschaft gewonnen werden können. Wolfgang Bauhofer und Dr. Herbert Lutz verorteten die Arbeit von Führungskräften im Spannungsfeld von personaler Autorität und sozialer Verantwortung. Im Rückgriff auf die BLK-Programme SINUS und SINUS-Transfer stellten Prof. Volker Ulm und Heiner Kilian neue didaktische Konzepte im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht zur individuellen Förderung von Schüler/innen des gesamten Leistungsspektrums vor. Prof. Uwe Faßhauer widmete sich Maßnahmen der zielgerichteten Unterstützung didaktischer Innovationen durch Schulleiter/innen. Dr. Jürgen Seifried und Mag. Christian Schrack setzten sich mit Gestaltungsprinzipien zeitgemäßer Lehr-Lern-Arrangements auf der Grundlage selbstorganisierter Lernprozesse und virtueller Lernplattformen auseinander. Daniela Karle, Sonja Schindler und Klaus Kratzer gewährten einen Einblick in die erfolgreiche präventive Projektarbeit an der Kappellen-Volksschule, während Helmut Hochschild, der ehemalige kommissarische Schulleiter der Rütli-Schule, und Prof. Petra Stanat die Ursachen des schulischen (Miss-)Erfolgs von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund erhellten und nachhaltige Integrationsmaßnahmen vorstellten.

Risiken in den (Zeit-)Strukturen einer modernen Gesellschaft

Vor dem Hintergrund bildungspolitischer Reformen und gesellschaft¬licher Entwicklungstrends warnte Prof. Eckard König vor drei Risiken der Schulleitung: dem Risiko der Bürokratisierung, dem Risiko des Taylorismus sowie dem Risiko der Lethargie und katatonischen Erstarrung. Die Feststellung „Wir sind als Schulleiterinnen und Schulleiter vielfach eingeschränkt“ darf nicht in die Schlussfolgerung „Wir können nichts tun“ münden. Um individuelle Freiheitsgrade im beruflichen und privaten Alltag zu realisieren, muss ein ganzheitliches Selbstmanagement praktiziert werden, das persönliche Bedürfnisse, Fähigkeiten und Probleme im Umgang mit der Zeit berücksichtigt. Um Selbstausbeutung bei der Verwendung eigener Zeitressourcen zu vermeiden, wird eine Konzentration auf persönlich für wichtig erachtete Inhalte und die Einführung persönlicher Zeitrituale unter dem Motto „Regelmäßig einen Termin mit sich selbst machen“ notwendig. 
Damit Schulleiter/innen auch und gerade in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche und Beschleunigungen ihren Kernaufgaben nachgehen können, bedarf es aber nicht nur der individuellen Verantwortungsübernahme, sondern auch adäquater Arbeitsbedingungen, Unterstützungsangebote und Professionalisierungsmöglichkeiten. Prof. Heinz Rosenbusch ermahnte deshalb die Vertreter der Politik und Schulbehörden, die Anregungen des Symposiums ohne die oft beobachtbaren zeitlichen Verzögerungen aufzunehmen und umzusetzen. Ministerialdirektor Josef Erhard stellte in diesem Zusammenhang das neue bayerische Modell zur Führungskräftequalifizierung vor.

Fazit und Ausblick

Das Bamberger Schulleitungssymposium ist nicht nur ein öffentlichkeitswirksames Forum, das auf drängende Themen der Schulleitung aufmerksam macht. Es schafft im hektischen Arbeitsalltag des Leitungspersonals auch regelmäßig eine „Zeitinsel“, die es ermöglicht, den Blick zu weiten, Netzwerke zu (re-)aktivieren, die eigene Rolle zu überdenken und konkrete, praktikable Ansätze für die Gestaltung der eigenen Arbeit zu erhalten. 
Zeit-gemäße Führung ist im Hinblick auf die pädagogischen Prozesse an einer Schule eine ganzheitliche Führungsaufgabe, die auf allen Ebenen des Schulsystems wahrgenommen werden muss. Die auf dem Symposium vorgestellten Beiträge bieten hierzu vielfältige Ansatzpunkte. Im Sommer 2008 erscheint der Sammelband zum Thema „Zeit-gemäße Führung - zeitgemäßer Unterricht“, der auch Beiträge des Symposiums beinhalten wird. 

Julia Warwas

Das komplette Programm 2007 finden Sie hier(88.0 KB, 3 Seiten) zum Download.