Vom Schimpf- zum Zauberwort
Was kann am Ruf nach Innovationen falsch sein? Sind Innovationen nicht der Motor der gesellschaftlichen Entwicklung? Margarete Wagner-Braun sprach am 25. Juli in ihrer Antrittsvorlesung über die Aktualität dieses Begriffs und über den Zusammenhang von Globalisierungprozessen und Innovationen.
„Innovationen kamen bis zum Beginn der Moderne nur von Tyrannen!“ Prof. Dr. Mark Häberlein zeichnete in seiner Begrüßung zur Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Margarete Wagner-Braun am 25. Juli den historischen Begriffswandel des Wortes „Innovation“ nach. Der Begriff stellte in der Vergangenheit einen negativen Gegensatz zu all dem dar, was man unter „die gute alte Zeit“ subsumieren könnte. „Aus dem einstigen Schimpfwort wurde dann ein Zauberwort“, hielt der Dekan der Fakultät für Geschichts- und Geowissenschaften fest.
Innovationen als Auslöser für die Globalisierung
Im Zeichen des neuen Zauberwortes sollte auch der Vortrag Wagner-Brauns stehen, die seit 2004 als Professorin für Wirtschafts- und Innovationsgeschichte an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg lehrt. Wie einst Karl V. behaupten konnte, dass in seinem Reich die Sonne nie unterginge, so verhalte es sich auch mit den Großfirmen der Gegenwart, konstatierte Margarete Wagner-Braun. Die in Regensburg promovierte und habilitierte Wirtschaftlerin ging in ihrem Vortrag von der Theorie aus, es habe vor allem zwei große Globalisierungen gegeben, die eine im neunzehnten, die andere im zwanzigsten Jahrhundert. Zum Einstieg stellte sich die Rednerin, die vor dem Studium eine Lehre als Bankkauffrau absolviert hatte, die Frage, was ein Land tun könne, um innovativ zu sein. Es ließen sich, so stellte sie fest, bestimmte Parameter der Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstums festhalten. „Globalisierung stößt einen Beschäftigungsanstieg an“, meinte Wagner-Braun. Das Verhältnis zwischen Innovationen und Globalisierung sei allerdings komplexer: Innovationen seien nicht nur Folge, sondern auch Auslöser von Globalisierung.
Vom Transatlantik-Kabel zur E-Mail-Kommunikation
Die Neugestaltung des ordnungspolitischen Rahmens stellte Margarete Wagner-Braun als einen bedeutenden Faktor der wirtschaftlich-institutionellen Rahmenbedingungen dar. Sei es der Wirtschaftsliberalismus im neunzehnten Jahrhundert, der Niedergang des Ostblocks, Wanderungsbewegungen deutscher Kaufleute oder die Herausbildung des Welthandels: All diese Faktoren ließen sich als Antrieb für Globalisierungsprozesse ansehen. Daneben betonte die Wirtschaftshistorikerin auch technische Neuerungen: Neben der Senkung oder dem Abschaffen von Zollgrenzen verwies sie dabei auf die Innovationen auf dem Gebiet der Telekommunikation. „1866 wurde das nordamerikanische Kabel eingerichtet, 1864 wurden Indien, Ägypten und Persien per Telefon erreichbar, dann auch 1870 China und 1902 Australien“, so Wagner-Braun. Auch die Globalisierung des zwanzigsten Jahrhunderts stehe unter ähnlichen Einflüssen: Die Erfindung und Verbreitung von Internet und E-Mails spreche für sich.
Abschließend versuchte Wagner-Braun, die Global Players damals wie heute zu beleuchten und stellte dabei fest, dass auch hier die Unterschiede zwischen den beiden Jahrhunderten zwar feststellbar, aber nicht eklatant seien: Unternehmensnetze entstanden und entstehen durch Gründungen von Tochterunternehmen, solche seien weltweit fast überall zu finden. Allerdings wies die Wirtschaftshistorikerin darauf hin, dass die Firmensitze hingegen so gut wie immer in Industrienationen angesiedelt seien.
Unter Verwendung zahlreicher statistischer Erhebungen kam Margarete Wagner-Braun zu ihrem Resümee: „Die beiden Globalisierungen, die im neunzehnten und die im zwanzigsten Jahrhundert, zeigen zwar viele Unterschiede, aber ihre Konstanten sind im Prinzip die gleichen.“ Dies veranlasste die Bamberger Wirtschaftshistorikerin zu der Annahme, die beiden Globalisierungen müssten als eine große angesehen werden. Insofern konnte sie dem amerikanischen Ökonom Paul Krugmann beipflichten, der den Satz prägte, die Globalisierung hätte im Grunde genommen mit Dampfmaschine und Telegraph ihren Anfang genommen.