Die internationale Fachtagung "Vom Ich zum Ich ist die Entfernung immens" beschäftigte sich mit dem spanischen Schriftsteller Juan Goytisolo. (Bilder: Katrin Sell)

Goytisolo-Spezialisten im Gespräch, ganz rechts der Organisator der Tagung Prof. Dr. Marco Kunz.

- Kathrin Fuchs

Immense Entfernung vom Ich zum Ich

Internationale Fachtagung zum Spätwerk des spanischen Schriftstellers und Franco-Gegners Juan Goytisolo

„Del yo al yo la distancia es inmensa – 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versammelten sich am 8. und 9. September an der Universität Bamberg, um über den sozialkritischen spanischen Schriftsteller Juan Goytisolo zu diskutieren.

„Del yo al yo la distancia es inmensa – Vom Ich zum Ich ist die Entfernung immens“, doch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kamen sich an der Universität Bamberg recht nahe: Rund 20 Personen – viele davon aus verschiedenen Ländern eingeflogen – versammelten sich am 8. und 9. September an der Universität Bamberg. Das einende Element des Spezialistenkreises: Alle interessieren sich für den sozialkritischen spanischen Schriftsteller Juan Goytisolo.

Juan Goytisolo, dessen aus über 40 Büchern bestehendes Werk teilweise auch in deutscher Sprache erschienen ist, wurde 1931 in Barcelona geboren und lebt heute nach langen Aufenthalten in Frankreich, den Vereinigten Staaten und Marokko in Marrakesch. Experimentelle Erzähltechnik und die Beschäftigung mit den Beziehungen zwischen Orient und Okzident prägen sein Werk. Auch Reportagen über die Kriege in Tschetschenien, Bosnien, Algerien und Palästina hat der Sozialkritiker, der unter der Franco-Diktatur ins Exil ging, in den vergangenen Jahren in der Madrider Zeitung El País veröffentlicht.

Insbesondere mit diesen Reportagen und den späteren Werken Juan Goytisolos beschäftigten sich nun die aus aller Welt angereisten Hispanisten in Bamberg. Vor allem die Werke La saga de los Marx, El sitio de los sitios, Telón de boca, Las semanas del jardín und Carajicomedia standen im Zentrum der spanischsprachigen Tagung. Mit Goytisolos Anspielungen auf den spanischen Faschismus in Las semanas del jardín befasste sich beispielsweise der Bamberger Hispanistik-Professor Marco Kunz, der die Tagung in Zusammenarbeit mit Brigitte Adriaensen (Nijmegen) organisiert hatte.

Ernste Reportagen neben Luxushäusern

Inhaltlich grenzte sich der abschließende Vortrag von Alison Ribeiro de Menezes von der National University of Ireland von den anderen Beiträgen ab: Sie hatte sich im Gegensatz zu den anderen Hispanisten nicht mit den literarischen Werken Goytisolos auseinandergesetzt, sondern mit seinen Reportagen, welche auch als Sammelband unter dem Namen Paisajes de guerra erschienen sind. Wie lässt sich der Widerspruch zwischen Goytisolos antikapitalistischer Grundhaltung und seiner Zusammenarbeit mit der spanischen Tageszeitung El País erklären? Diese Frage stand im Zentrum des Interesses der irischen Wissenschaftlerin. Um ihre Ergebnisse zu verdeutlichen, zeigte sie aufschlussreiche Zeitungsausschnitte: Dort waren die ernsten Reportagen Goytisolos neben Werbeanzeigen für die neue Frühjahrskollektion eines großen Modehauses oder für Luxusferienhäuser in der Sierra Nevada zu sehen.

Der Organisator der Tagung Prof. Dr. Kunz war sichtlich zufrieden mit dem Verlauf der Tagung: „Wir wollen die vielfältigen und aufschlussreichen Ergebnisse, die hier vorgestellt wurden, bald auch in Buchform veröffentlichen.“ Doch das Ende der Tagung „Vom Ich zum Ich ist die Entfernung immens“ bedeutete nicht für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Ende der Beschäftigung mit Juan Goytisolo: Einige brachen direkt im Anschluss auf ins marrokkanische Marrakesch, wo am 11. und 12. September eine Hommage zu Ehren Goytisolos stattfindet, da er in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiert.