Diplom-Sozialpädagoge (FH) Michael Helmbrecht vom Fachbereich Soziale Arbeit ist mit gutem Grund stolz. (alle Bilder: Pressestelle)

Diplom-Sozialpädagoge (FH) Alexander Schlote berät im Selbsthilfebüro

Alexander Schlote und Maria Kramer vor dem Büro der AWO in den Theatergassen

- Anke Stiepani

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Warum es ein großer Erfolg ist, dass sich der „Verein zur Förderung der Selbsthilfe e. V.“ demnächst auflösen wird

Aus einer studentischen Initiative hat sich nach einigen Rückschlägen eine Erfolgsgeschichte entwickelt. Das Selbsthilfebüro der AWO unterstützt die Organisation von neuen Gruppen und ist immer noch eng an die Otto-Friedrich-Universität Bamberg angebunden.  

Wer heute Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe sucht oder selbst eine gründen möchte, kann sich im Selbsthilfebüro der AWO in den Theatergassen beraten lassen. Es ist Informationsplattform und Koordinierungsstelle für Hilfesuchende und solche, die Hilfe anbieten möchten.

Doch bis es zur Einrichtung eines Selbsthilfebüros kam, war es ein weiter Weg – auf dem engagierte Personen von der Otto-Friedrich-Universität eine große Rolle spielten und noch spielen. 1994 versuchte eine Handvoll Psychologie-Studierender im Rahmen eines Gruppenreferates, Selbsthilfegruppen in Bamberg und Umgebung ausfindig zu machen – was sich als sehr schwierig herausstellte. Die damalige Studentin und heutige Diplom-Psychologin und Therapeutin Heike Mayer erinnert sich: „Für mich persönlich war die Gemeindepsychologie bei Dr. Peter Kaimer sehr prägend gewesen. Von diesem Themengebiet begeistert, geriet ich in diese „Referatsgruppe Selbsthilfegruppen“ bei Diplom-Psychologin Rosemarie Piontek, die damals Gruppen-Psychotherapie an der Uni lehrte. Wir haben damals alle Selbsthilfegruppen, die aufzutreiben waren, zu einem Treffen eingeladen und ihnen die Konzept-Idee eines Selbsthilfebüros vorgestellt. Das Aufspüren dieser Gruppen war sehr schwierig. Wir versuchten es mit Mundpropaganda, Aushängen und Zeitungsaufrufen.“ Es meldeten sich sechzehn Gruppen, die das von den Studierenden ausgearbeitete Konzept einer Koordinationsstelle für alle Selbsthilfegruppen, richtig gut fanden und in Bamberg auch dringend für nötig hielten. Denn in anderen fränkischen Städten, wie zum Beispiel Würzburg, Coburg, Erlangen und Nürnberg, existierte bereits eine solche vernetzende Einrichtung.

Das Urgestein: Die Kontaktstelle „KOS“

Noch im selben Jahr entstand „KOS“, die Kontaktstelle für selbsthilfegruppeninteressierte Leute in Bamberg. Die Studierenden, die diese Beratungs-, Vernetzungs- und Unterstützungsarbeit ehrenamtlich leisteten, kamen mit ihrem Projekt in den Räumen vom „Blauen Kreuz“, der Selbsthilfegruppe für Suchtkranke, am Holzmarkt unter. Ein Anfang war gemacht.

Im zweiten Jahr der Kontaktstelle wurde eine ABM-Kraft eingestellt, um dem gewaltigen Zulauf gerecht werden zu können, der dokumentierte, wie sehr eine solche Anlaufstelle für gruppensuchende, aber auch für Betroffene, die selbst eine Gruppe gründen wollen, in Bamberg bisher gefehlt hatte.

Im Jahre 1996 gründeten die Psychologie-Studierenden den „Verein zur Förderung der Selbsthilfe e. V.“, dessen Zielsetzung die Schaffung einer festen Stelle für die Gewährleistung einer kontinuierlichen Arbeit im Selbsthilfebüro war. Nach mittlerweile drei Jahren erfolgreicher Arbeit und der Knüpfung eines weitläufigen psycho-sozialen Netzes für die Selbsthilfegruppen, deren Anliegen - damals wie heute - größtenteils im gesundheitlichen und sozialen Bereich lagen, wurde die ABM-Stelle nicht weiter verlängert, da ihr Prinzip verlangte, dass nun eine feste Stelle geschaffen werden musste. Der Verein machte jetzt, die „harte Erfahrung“, so Mayer, dass trotz der von der Stadt und Landkreis Bamberg geforderten und vom Verein auch erstellten Modelle, Bedarfspläne und Finanzierungsmöglichkeiten, nach langem Hin und Her, niemand die Personalkosten für ein Fortbestehen der Kontaktstelle übernehmen wollte. Auch die großen Wohlfahrtsverbände zeigten kein Interesse.

Eine hierauf organisierte Demonstration der Selbsthilfegruppen vor dem Bamberger Landratsamt, trug zu einer hohen Politisierung des Themas in der Öffentlichkeit bei. Doch von öffentlicher Seite erfolgte nur der schlichte Tipp, diese Arbeit eben ehrenamtlich weiter zu machen. „Das war sehr hart für uns! Wir hatten nämlich die Erfahrung gemacht, dass es sehr wichtig ist, nur eine Ansprechperson für die Erstkontakte zu haben. Dies konnte auch mittlerweile durch etliche wissenschaftliche Studien belegt werden. Aber ehrenamtlich konnte und kann das so nicht geleistet werden“, betont Mayer. „Man muss sich vorstellen, was wir bis dahin schon alles erreicht hatten. Da waren Strukturen für Selbsthilfe geschaffen worden, ein komplettes Büro war vorhanden, der Bedarf für unsere Arbeit hat sich bestätigt und wir hatten viele Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt.“

Der Verein zur Förderung der Selbsthilfe habe sich frustriert zurückgezogen und das erfolgreiche und für die Selbsthilfe der Menschen so wichtige Projekt des Selbsthilfebüros in Bamberg war (erst einmal) gestorben.

Tot-Gesagte leben länger!

Eine Wiederbelebung erfolgte im Jahre 2000, etwa zwei Jahre, nachdem Diplom-Sozialpädagoge Michael Helmbrecht als Dozent an den Fachbereich Soziale Arbeit der Universität Bamberg kam und langjährige Erfahrungen aus dem Bereich der Stadtteilarbeit, insbesondere Selbsthilfeprojekte zur Aktivierung von Menschen zur Verbesserung ihrer Lebensumstände, mitbrachte. Mayer, die als Vorsitzende des noch bestehenden Vereins zur Förderung der Selbsthilfe, von Helmbrechts praxisbezogenen „Lernprojekten“ erfuhr, meldete sich bei ihm und berichtete von der erfolgreichen Arbeit der „KOS“-Kontaktstelle und deren traurigem Ende. „Mir war klar, das unsere Vereinsstruktur eine gute Ausgangsbedingung für einen weiteren Anlauf in dieser Richtung sein würde. Und Herr Helmbrecht war sofort bereit, unser altes Projekt als neues Feldprojekt für die praktische Ausbildung seiner Studierenden zu übernehmen“, freut sich Mayer.

Und so wurde aus der alten „KOS“ ein neues Projekt mit neuem Namen und neuen Bedingungen: Das Engagement im „Selbsthilfebüro“ als Angebot des Studienschwerpunktes „Organisation Sozialer Dienste“ während des dreisemestrigen Hauptstudiums im Fachbereich Sozialer Arbeit an der Universität Bamberg. Die Aufgabe der Studierenden war unter anderem, Menschen in Selbsthilfe einzufädeln und Gruppengründungen zu animieren und zu unterstützen. In dieser Zeit gab es viele Neugründungen von Selbsthilfegruppen, auch „geschützte Gruppen“, die von Stigmatisierung bedroht waren und deshalb nicht öffentlich auftraten. Helmbrecht zu seiner bevorzugten Form von Sozialarbeit: „Es gibt verschiedene Sichtweisen von Sozialer Arbeit: Entweder wird ein Problem erkannt und es wird mit einer Stelle darauf reagiert, die das Problem beseitigen soll, oder es werden Bedingungen geschaffen, die bewirken, dass die Menschen sich selbst helfen können.“

Räumlichen Unterschlupf für das neue Selbsthilfebüro fand man beim Freiwilligenzentrum „FRIZ“ in der Siechenstrasse, das vom Verein „Professionelle Sozialarbeit Bamberg“ und vom „Kultursprung e. V.“ gegründet worden war, um Ehrenämter zu vermitteln und zu diesem Thema zu beraten. Knapp eineinhalb Jahre verbrachten Helmbrecht und seine Studierenden in den Räumen von „FRIZ“, wobei es durchaus inhaltliche Schnittmengen gab. Als „FRIZ“ nach dem Ende einer ABM-Maßnahme auch keinen festen Träger fand und sich im Jahre 2001 auflöste, musste auch das von der Bevölkerung rege beanspruchte Selbsthilfebüro seine Koffer packen.

Selbsthilfebüro bekommt Gütesiegel

Die nächste Station für Projektleiter Helmbrecht und seine Studierenden war die Unterbringung ihres Selbsthilfebüros in den Räumen der „Carithek“, die im Grunde die Idee von „FRIZ“ weiterführte, in der Oberen Königstraße. Nun wieder räumlich gefestigt, erwirbt das Projekt viel Anerkennung in Fachkreisen und gewinnt überregionale Bedeutung. „Der Bedarf an unserer Beratung stieg so immens an, dass ich mich fragen musste, was man den Studierenden noch zumuten kann, die sich ohnehin schon weit über die Öffnungszeiten hinaus im Projekt engagierten“, so Helmbrecht.
2002 erfolgte die Aufnahme des Projektes in die „Arbeitsgemeinschaft der Selbsthilfekontaktstellen in Bayern“, sozusagen ein Gütesiegel für die professionelle Arbeit aller Beteiligten. Dies bedeutete zum Beispiel, dass die Krankenkassen das Selbsthilfebüro als förderungswürdig anerkannten und das das Büro nun für die nächsten drei Jahre als „Selbsthilfekontaktstelle im Aufbau“ gesichert war.

Dies bedeutete aber konsequenterweise auch, dass nun der (erneute) Versuch gestartet werden musste, das Projekt zu institutionalisieren, sprich eine hauptamtliche Stelle durchzusetzen. Mit den Fördermitteln wurde unter anderem ein jährlich stattfindender „Selbsthilfetag“ sowie Tagungen, Flyer und modernere Büroeinrichtung finanziert. Trotz des nun großartigen offiziellen Erfolges, wurde eines zum wiederholten Male richtig spannend: Die Trägersuche für die hauptamtliche Stelle erwies sich als sehr langwierig und die drei Jahre der Sicherheit liefen langsam ab. Helmbrecht erinnert sich deutlich an seine Worte in dieser Situation: „Wenn jetzt keiner auftaucht, mach’ ich Schluss mit dem Projekt!“

Zum Glück für die Studierenden und die Bamberger Bevölkerung musste es nicht soweit kommen, denn schließlich sagte die AWO die Trägerschaft zu. Hierbei war sicherlich sehr hilfreich gewesen, dass Helmbrechts Kollege Diplom-Sozialarbeiter Wolfgang Budde als Vorstandsmitglied der AWO Überzeugungsarbeit leistete.

Das Selbsthilfebüro unter dem Dach der AWO

Nach über zehn Jahren ist die große Hürde genommen: Das Selbsthilfebüro als Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen und Interessierte, befindet sich mit dem hauptamtlichen Diplom-Sozialpädagogen Alexander Schlote in den Theatergassen, unter dem Dach der Arbeiterwohlfahrt.

Und wo sind die Studierenden des Fachbereichs Soziale Arbeit geblieben? Die gibt es noch: Zum Beispiel absolviert gerade Studentin Maria Kramer ihr Jahrespraktikum im Selbsthilfebüro und Studierende des Studienschwerpunktes „Organisation Sozialer Dienste“ unterstützen die Selbsthilfegruppen weiterhin projektbezogen bei der Organisation von Tagungen und Fortbildungen sowie bei der Öffentlichkeitsarbeit. Sogar der „Verein zur Förderung der Selbsthilfe e. V.“ existiert noch. Doch nicht mehr lange. Mayer, immer noch Vorsitzende des Vereins, meint dazu schmunzelnd: “Unser Verein wird sich demnächst auflösen, denn das Vereinsziel ist mit der Schaffung der hauptamtlichen Stelle erreicht worden.“ Doch sie und weitere Vereinsmitglieder stehen, wie durch die ganze bewegte Zeit des Selbsthilfebüros auch, als beratende Kräfte im therapeutischen Bereich, weiterhin zur Verfügung. Schlote und sein Team haben in diesen Tagen übrigens einen kostenlosen „Selbsthilfewegweiser Bamberg“ herausgegeben, im dem sich fast alle Selbsthilfegruppen vorstellen, immerhin um die achtzig mittlerweile.

Das Selbsthilfebüro unterstützt, begleitet und berät kostenlos bestehende Gruppen und interessierte Menschen in allen Fragen der Selbsthilfe und ist fach-, themen- und verbandsübergreifend tätig.