Die teilweise anstrengende Grabungsarbeit lohnt sich: Wer suchet ...
... der auch findet. Timo Seregély mit einer mit Schnur verzierten Scherbe (Bilder: Lydia Hendel).
Opferriten an oberfränkischen Felsformationen
Bamberger Archäologen erforschen Riten im urgeschichtlichen Oberfranken: Die erste Grabungskampagne lief diesen Sommer an, wobei das Naturdenkmal „Hohler Stein bei Schwabthal“ den Auftakt eines viel versprechenden Forschungsprojektes bildete.
Den Sommer erleben Archäologiestudierende weder im Vorlesungssaal noch am Schreibtisch. Stattdessen gehen sie in Horden in die Natur, wo es heißt: ran an die Kellen, die Grabungen beginnen. Besonders geeignet sind Forschungsgrabungen, denn sie werden von den Universitäten angeboten und geben Studierenden die Möglichkeit, an intensiv betreuten, spannenden Ausgrabungen teilzunehmen und direkt an den neuesten Ideen der Archäologie teilzuhaben.
Das Projekt „Naturheilige Plätze auf der Nördlichen Frankenalb“
Nachdem in diesem Jahr das ur- und frühgeschichtliche Projekt „Naturheilige Plätze auf der Nördlichen Frankenalb“ in einer Kooperation der Universität Bamberg, der Universität Würzburg und des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege entstand, wurden dazu die ersten Lehrgrabungen von August bis Oktober durchgeführt. In dem Projekt, geleitet von Prof. Dr. Frank Falkenstein vom Lehrstuhl der Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie der Universität Würzburg, werden Naturdenkmäler der Region wie Felstürme und Höhlen und ihre nähere Umgebung auf menschliche Aktivitäten vom Neolithikum bis in die Eisenzeit, also von der Mitte des 6. Jahrtausends v. Chr. bis um Christi Geburt, untersucht.
Besonders eine rituelle Nutzung dieser Orte interessiert die Archäologen der fränkischen Universitäten. Da bisher „Naturheiligtümer“ hierzulande eher wenig archäologische Aufmerksamkeit bekamen, betreten jene mit diesem Projekt ein Stück Neuland. Umso bedeutender sind deshalb systematische Ausgrabungen mehrerer Fundplätze. So werden in den kommenden Jahren sieben bis acht auffällige Felsformationen Oberfrankens archäologisch „unter die Lupe genommen“ und vergleichend ausgewertet. In ihren umfangreichen Vorhaben werden die Wissenschaftler finanziell von der Oberfrankenstiftung unterstützt.
Projektbeginn am Hohlen Stein
Die erste Grabungskampagne dieses Projektes wurde mit Studierenden beider Universitäten und Grabungsleiter Timo Seregély, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur für Ur- und frühgeschichtliche Archäologie der Universität Bamberg, durchgeführt. Sie fanden sich am so genannten Hohlen Stein bei Schwabthal im Landkreis Lichtenfels ein. Verlässt man das oberfränkische Schwabthal über die Landstraße gen Osten, ist zunächst wenig Spektakuläres zu beobachten – weite Felder, ein paar Laubwälder, gelegentlich erspäht man einen Bauern, der seinen Acker bestellt, oder einen Wanderer, der den Wald durchstreift. In dieser Landschaft der Albhochfläche versteckt sich allerdings ein geologisch und auch archäologisch äußerst interessantes Objekt. Von Wald und Wiese umgeben, ragt der Hohle Stein – ein zehn mal zehn Meter umfassender und 8 Meter hoher Dolomitbrocken des Fränkischen Jura, aus der Ebene empor. Der Felsblock fasziniert durch seine gewaltige Erscheinung und hält Besonderheiten wie die eponyme Halbhöhle von zwei Metern Durchmesser für den Besucher bereit. Weitere kleine und gut versteckte Höhlen, die so schmal sind, dass selbst ein dünner Mensch nur mit Mühe hinein passt, führen tief in das Gestein hinein.
Auch in diese Höhlen krochen die Studierenden, um kleinste Scherben und Knöchelchen zu bergen. Hauptsächlich gruben sie aber bis zu einem Meter tief in abgesteckten Grabungsschnitten direkt am Felsen und auf dem nach Nordosten abfallenden Hang, um Artefakte und Bodenveränderungen aufzuspüren. Die Fundausbeute war nachher erheblich: ca. 50 kg verzierte und unverzierte Keramikscherben, Silices wie Pfeilspitzen und Klingen, aber auch Steinbeile und sogar Knochenfragmente von Tieren und Menschen. Die Datierung der Funde, welche bisher anhand zeittypischer Keramikformen und -verzierungen vorgenommen wurde, weise auf eine erste neolithische Begehung des Platzes um 5000 v. Chr. hin, insgesamt könne am Hohlen Stein allerdings von vorgeschichtlichen Aktivitäten bis in die mittlere Eisenzeit ausgegangen werden, so Timo Seregély. Eventuell wurden die Keramikgefäße einst vom Felsen heruntergeworfen. Eine genaue Rekonstruktion dieser Aktivitäten gilt es nun im Rahmen von Magister- und Doktorarbeiten zu erstellen.
Eine weitere, projektinterne Grabung läuft zurzeit an der Jungfernhöhle bei Tiefenellern, für den nächsten Sommer sind zudem Untersuchungen am Kemitzenstein bei Wattendorf geplant. Abschließend sollen die Ergebnisse aller Grabungen unter anderem in einer populärwissenschaftlichen Gesamtpublikation der Öffentlichkeit vorgestellt werden.