Referent Andreas Schlüter und Veranstalter Helmut Glück (Bilder: Holger Klatte)

Melissa Zhabotynska

Andreas Schlüter spricht über die Bedeutung privater Stiftungen für die Wissenschaftsförderung

- Holger Klatte

Freiwillige Umverteilung?

Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft sprach über die Wissenschaftsförderung

Unüberschaubare 14.000 Stiftungen gibt es heute in Deutschland. Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbands für Deutsche Wissenschaft, erläuterte in einem Vortrag die Bedeutung privater Stiftungen für den deutschen Wissenschaftsbetrieb.

In Deutschland spricht man häufig mit Ehrfurcht über die Wissenschaft in den USA. Dabei werden berühmte Wissenschaftler aufgezählt, die Jugend der Absolventen wird gelobt und Bewunderung über die finanzielle Ausstattung einiger Elite-Universitäten ausgedrückt. Neben den hohen Studiengebühren ist die Spendenmentalität amerikanischer Privatleute und Unternehmen der Grund, warum zum Beispiel die Universität Harvard über ein jährliches Haushaltsbudget von mehr als 2 Milliarden Euro verfügen kann. Die als Stiftung organisierte Universität, an der etwa 20.000 Studierende eingeschrieben sind, besitzt mittlerweile ein Vermögen von 20,3 Milliarden Euro.

Mit solchen Verhältnissen könnten Wissenschaftseinrichtungen in Deutschland vorerst nicht rechnen, meinte der Generalsekretär des Stifterverbandes für Deutsche Wissenschaft, Andreas Schlüter, der am 29. Mai auf Einladung der Bamberger Verbandsgruppe des Deutschen Hochschulverbandes an der Otto-Friedrich-Universität einen Vortrag über die Bedeutung privater Stiftungen für die Wissenschaft hielt. Er schrieb Stiftungen bei der Wissenschaftsförderung für die Zukunft jedoch eine große Bedeutung zu. Mit der Änderung des Stiftungsrechts im Jahr 2000 seien steuerliche Vergünstigungen eingerichtet worden, die die Gründung oder die Förderung von gemeinnützigen Körperschaften erleichtern würden.

Neue Stiftungswelle

Heute gibt es etwa 14.000 Stiftungen in Deutschland. Die Hälfte davon wurde in den vergangenen zehn Jahren gegründet. Schlüter sprach deswegen von einer neuen Stiftungswelle – der dritten nach dem Mittelalter und nach der industriellen Revolution. Sie wirke sich, verglichen mit anderen Ländern, erst jetzt aus, weil infolge der beiden Weltkriege Vermögen in unvorstellbarem Ausmaß vernichtet worden sei. Allerdings gebe es in Deutschland auch nicht die dem Allgemeinwohl verpflichtende Grundhaltung, die wir bei reichen US-Bürgern vorfinden. Stiftungen würden in den Vereinigten Staaten dort tätig werden, wo der Staat sich zurückgezogen hat. „Von einer freiwilligen Umverteilung von Vermögen in diesem Umfang sind wir in Deutschland weit entfernt“, sagte Schlüter.

Der promovierte Jurist steht als Generalsekretär einer Einrichtung vor, in der 360 Stiftungen organisiert sind. Jährlich fördert der Verband Wissenschaftsprojekte in Deutschland mit 130 Millionen Euro. Damit steht der Stifterverband unter den Drittmittelgebern in Deutschland an dritter Stelle. Naturwissenschaftliche Fakultäten würden bisher mehr profitieren als geisteswissenschaftliche Fächer. Ein großer Teil der Förderungsgelder fließt in derzeit hundert Stiftungslehrstühle an Universitäten und Fachhochschulen. Einer davon ist die Robert Bosch-Stiftungsprofessur für osteuropäische Geschichte an der Universität Jena. Andere Stiftungen schreiben Wissenschaftspreise aus oder finanzieren Projekte und Stipendien. Anträge dafür müssen an die Stiftungen selbst gestellt werden. Auf der Internetseite des Stifterverbandes (www.stifterverband.de) sind die Förderungsmöglichkeiten der einzelnen Stiftungen näher erläutert.

Mit einem Gesamtvermögen von über zwei Milliarden Euro ist der Stifterverband die größte Einzelorganisation im Stiftungswesen in Deutschland. Als weiteres Aufgabenfeld nannte Schlüter die Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems. So habe der Stifterverband die Diskussion um die Einführung von Studiengebühren in den 90er Jahre angeregt und die Reformen im Rahmen des Bologna-Prozesses, die gegenwärtig umgesetzt werden, kritisch begleitet.