Die Schaufel bleibt für den Archäologen ein wichtiges Instrument - aber auch moderne Verfahren wie die Analyse der DNA haben Einzug in diese Wissenschaft gehalten (Bild: Photocase)

Jan Kiesslich aus Salzburg eröffnete mit seinem Vortrag das Archäologische Kolloquium (Bild: Nikola Brunner)

- Nikola Brunner

Die Enträtselung der Vergangenheit

Auftakt zum Archäologischen Kolloquium

 

Die Analyse alter DNA kann nicht nur Aufschluss über Verwandtschaftsverhältnisse und das Geschlecht unserer Vorfahren geben, sondern auch andere wichtige Informationen liefern, angefangen von Erbkrankheiten bis hin zu Migrationsbewegungen und Rückschlüssen auf die geographische Herkunft. „Auch die Identifizierung historischer Persönlichkeiten ist möglich, berichtete Mag. Dr. Jan Kiesslich aus Salzburg zum Auftakt des Archäologischen Kolloquiums am 7. November. Als prominentes Beispiel nannte er den Fall der ermordeten und schließlich auf diesem Wege identifizierten russischen Zarenfamilie. 

Diesen und anderen historischen Rätseln auf den Grund zu gehen, hat sich die molekulare Archäologie zur Aufgabe gemacht. Dabei bedient sie sich der Mittel und Methoden sowie der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Molekularbiologie.
Biogene Überreste, beispielsweise in Form von Knochen, Hautschuppen oder Blut selbst in kleinsten Mengen reichen dabei aus, um derart weit reichende Kenntnisse zu erlangen.
Voraussetzung hierfür ist allerdings die entsprechende Qualität des gefundenen DNA-Materials. Von dessen Erhaltungszustand ist abhängig, ob die genetischen Informationen überhaupt noch entschlüsselt werden können. „Dies ist nur bei durchschnittlich einer von zehn entnommenen Proben der Fall“, so der Experte aus Österreich.

Alter der Fundstücke nicht entscheidend

Anders als man erwarten würde, spielt das Alter des gefundenen Materials aber nur eine untergeordnete Rolle: So sei theoretisch nach einem Zeitraum von drei bis vier Jahren die gleiche DNA-Qualität zu erwarten wie nach einigen Jahrhunderten. Viel entscheidender als das Alter der Funde seien demnach die Lagerungsbedingungen, wobei besonders eindringende Bodensäuren und Feuchtigkeit das Erbgut gefährden.
Hinzu kommt noch eine Problematik ganz anderer Art, die paradoxerweise von denjenigen ausgeht, die die Fundstücke bergen und für deren Erhaltung sorgen. Schon eine einzige Berührung ohne Handschuhe kann hier zu Verunreinigungen führen, und manch sensationeller Befund stellt sich im Nachhinein als Pleite heraus, weil sich zeigt, dass der genetische Fingerabdruck der Probe mit dem des Restaurators oder der Putzfrau übereinstimmt.

Gerade bei Material und Artefakten aus Museumsbeständen sei praktisch immer von einer Kontamination mit genetischem Fremdmaterial auszugehen. Umso wichtiger ist die besondere Sorgfalt bei der Gewinnung der Proben: ihrer Entnahme, Aufbereitung und Weiterverarbeitung.
Bei ehemaligen Gebrauchsgegenständen historischer Persönlichkeiten sei zudem fraglich, inwieweit das darauf gefundene Genmaterial wirklich noch dem ursprünglichen Besitzer zuzuordnen ist und zu dessen Identifizierung herangezogen werden kann. Hier zeigt sich noch eine weitere Problematik: Da DNA nicht datierbar ist, lässt sich die Gefahr einer Fehlzuordnung nur durch Vergleichsproben des mit dem Material in Berührung gekommenen Personenkreises einschränken. Auch eine Vergleichsanalyse in einem anderen Labor kann diesem Zweck dienen.

Schwieriges Prozedere

Die Gewinnung der DNA aus antikem Knochenmaterial ist generell sehr viel schwieriger als bei frischem, wie zum Beispiel einer Speichelprobe. Dementsprechend langwierig ist auch das Prozedere: Es erfolgt zunächst eine mechanische Aufarbeitung des Ausgangsmaterials, bei der vor Entnahme der eigentlichen Probe die äußerste Schicht vollständig entfernt wird, um die Gefahr einer Verfälschung der Analyseergebnisse durch genetisches Fremdmaterial auszuschließen. Danach erfolgt die chemische Herauslösung der DNA und, wenn möglich, die Erstellung eines genetischen Fingerabdrucks.
Kiesslich betonte neben den zahlreichen Chancen und Vorteilen jedoch auch die Grenzen dieser Methodik. So bleibe die Aussagekraft häufig beschränkt oder sei nur in Wahrscheinlichkeiten anzugeben.
Trotzdem machte der Referent in seinem Vortrag anhand der ausgewählten Fallbeispiele deutlich, dass das Fachgebiet der Archäometrie mit ihrem interdisziplinären Ansatz einen entscheidenden Beitrag zur Enträtselung der Vergangenheit leisten kann: ein gelungenes Beispiel also für die fruchtbare Zusammenarbeit von Geistes- und Naturwissenschaften.

Veranstaltet wird das Archäologische Kolloquium vom Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Mittelalterstudien. Weitere Vorträge finden statt am:

05.12. Prof. Dr. Frank Falkenstein, Universität Bamberg: Archäologische Untersuchungen auf dem Fundplatz des bronzezeitlichen „Goldhutes“ von Schifferstadt, Pfalz

19.12. Prof. Dr. Reinhard Stupperich, Universität Heidelberg: Der Hildesheimer Silberschatz in seinem historischen Kontext

09.01. Dr. Andrea Zeeb-Lanz, Archäologische Bodendenkmalpflege Speyer: Ahnenschädel als Trinkgefäße? „Stolpergruben“ als Dorfumgrenzung? Der sensationelle Befund aus der bandkeramischen Siedlung von Herxheim bei Landau (Südpfalz)

30.01. Dr. Antonio Pena Jurado, Universität Köln: Die Wiederverwendung antiker Baustücke in der Großen Moschee von Cordoba

06.02. Dr. Frode Iversen, Universität Bergen, Norwegen: Könige an der Küste und Bauern im Binnenland. Regionale Unterschiede in Westnorwegen im frühen Mittelalter (in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Mittelalterstudien)

Veranstaltungsort: Hochzeitshaus, Am Kranen 12, Hörsaal 201, Beginn jeweils 19.15 Uhr