Deutsche Comenius Gesellschaft

Comenius-Gemälde von Jurien Owens

Comenius-Forschungsstelle

Das Signet des Philosophen und Theologen, das auf vielen seiner Publikationen zu sehen war: „Alles fließe von selbst, Gewalt sei ferne den Dingen.“

Václav Brožik

Comenius an seinem Schreibtisch in Amsterdam, Porträt von Václav Brožik

- Simon Kuchlbauer

Kreatives Freiheits- und Friedenskonzept

Comenius’ „Antisozinianische Schriften“ in deutscher Erstübersetzung

Er verteidigte die christliche Lehre der Trinität Gottes gegen die Sozinianer: Johann Amos Comenius. In Bamberg wurde die Erstübersetzung seiner "Antisozinianischen Schriften" erarbeitet, ein bisher vernachlässigter Schriftenkomplex.

Die Bamberger Forschungsstelle für interkulturelle Philosophie und Comeniusforschung plant unter ihrem Leiter Prof. Dr. Dr. h.c. Erwin Schadel, das Werk des mährischen Pädagogen, Philosophen und Theologen Johann Amos Comenius (tschechisch: Jan Amos Komenský, 1592 bis 1670) einem breiteren wissenschaftlichen Publikum bekannt zu machen. Die genannte Forschungsstelle legte Anfang des Jahres die deutsche Erstübersetzung der von der Wissenschaft bisher nur wenig beachteten „Antisozinianischen Schriften“ vor, welche Comenius während seines Amsterdamer Exils in lateinischer Sprache veröffentlichte.

Trinitarisches Urprinzip

Das lateinische Original von ca. 1300 Seiten (Reprint: Verlag Georg Olms, Hildesheim 1983) besteht aus zehn Einzelschriften, die Comenius in der kurzen Zeit zwischen 1659 und 1662 gegen die trinitätskritische Glaubensgemeinschaft der so genannten Sozinianer verfasste. Diese Glaubensgemeinschaft vertrat in radikaler reformatorischer Konsequenz die These, dass die zentrale christliche Lehre der Trinität Gottes aus Vernunftgründen abzulehnen sei. Durch die Vehemenz, mit der die Sozinianer ihre Überzeugung von der unumstößlichen Richtigkeit formallogischer Prinzipien öffentlich vertraten, beeinflussten sie maßgeblich die rationalistische Aufklärung der frühen Neuzeit bis heute.

Comenius, der die Sozinianer schon in frühester Jugend kennen gelernt hatte, traf im Lauf seines Lebens, unter anderem im polnischen Exil, immer wieder mit herausragenden Vertretern zusammen, die ihn für ihre Lehre einzunehmen versuchten. Er widerstand ihnen jedoch, weil er die sozinianische Kritik an der philosophisch reflektierten Trinität Gottes ablehnte; schließlich war es gerade die Idee eines alles durchwaltenden, trinitarischen Urprinzips, das als erregender Anfang, gestaltende Mitte und erfüllendes Ziel die ontologische Basis seines universal konzipierten Projektes einer Menschheitsreform war.

Plan einer friedfertigen Völkerverständigung

Die Auseinandersetzung mit der sozinianischen Kritik an der trinitarischen Struktur des Göttlichen zwang Comenius zu einer Reflexion seiner eigenen Auffassungsweise: Die „Antisozinianischen Schriften“ sind deshalb Zeugnis einer intensiven Überlegung über die Gültigkeit seines seins- und prozesstheoretisch fundierten Pansophiekonzeptes, das er als Plan einer friedfertigen Völkerverständigung ansah. Das Schriftenkonvolut trägt damit zur Erhellung der erst postum erschienenen „Consultatio Catholica“ („Allgemeine Beratung über die Verbesserung der menschlichen Dinge“) bei, in der Comenius die Darlegung seiner Pansophie beabsichtigte, aber nicht mehr umsetzen konnte. Im Gegensatz zu diesem literarischen Torso, der trotz brillanter Passagen keine systematische Gesamtkonzeption der Pansophie enthält, bergen die „Antisozinianischen Schriften“ die Erörterung dessen, was in der „Consultatio Catholica“ nicht mehr bewerkstelligt wurde: die philosophisch-theologische Fundierung der Triadik, deren Erkenntnis Comenius für eine umfassende Welt- und Selbsterkenntnis, aber auch für umsichtiges, menschliches Handeln als Voraussetzung ansah.

Die deutsche Erstübersetzung, die Erwin Schadel in Zusammenarbeit mit Jürgen Beer, Horst Bulitta, Regine Froschauer und Otto Schönberger vorlegt, sowie die Kommentierung durch Erwin Schadel eröffnen erstmals die Möglichkeit einer intensiven wissenschaftlichen Untersuchung dieses bisher fast völlig vernachlässigten Schriftenkomplexes. Damit wird über die Comeniologie hinaus ein Beitrag dazu geleistet, Comenius als seinsbasierten Vordenker eines kreativen Freiheits- und Friedenskonzeptes zu erkennen, das bis heute nichts von seiner Aktualität verloren hat.

Für die Druckkosten sind die Deutsche Comenius-Gesellschaft in Berlin, das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, das Haus des Deutschen Ostens in München sowie der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds in Prag aufgekommen.

Das Buch

Johann Amos Comenius: Antisozinianische Schriften. Deutsche Erstübersetzung. In Zusammenarbeit mit Jürgen Beer, Horst Bulitta, Regine Froschauer, Otto Schönberger kommentiert und herausgegeben von Erwin Schadel. Frankfurt am Main u. a.: Lang 2008 (Schriften zur Triadik und Ontodynamik 25), 1272 Seiten.