Klare Kompetenzen - klare Konzepte (Bild: photocase.de)

Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß erklärt die Zielsetzung des Seminars. (Bild: Projektteam)

Die Studierenden müssen zeigen, was sie können. (Bild: Projektteam)

- Iris Breker

Was ich kann, wenn ich will!

Bamberger Psychologiestudierende coachen angehende Wirtschaftswissenschaftler in ihren persönlichen Kompetenzgebieten

Studierende und junge Berufsanfänger haben heute viel mehr Möglichkeiten als noch vor wenigen Jahren – aber auch viel mehr Probleme. Auf eine ausgeschriebene Stelle bewerben sich in der Regel über hundert Interessierte. Zudem fehlt es Studierenden im Grundstudium an Unterstützung bei ihrer weiteren Studienplanung auch im Hinblick auf das spätere Berufsleben. Da gilt es, die persönlichen Stärken und Schwächen zu kennen, sie gezielt aus- oder abzubauen. Die Lösungen sollte man dabei nicht immer in der Ferne suchen, wenn man sie auch direkt an der Universität findet: Studierende der Psychologie boten erstmals ein spezielles Coaching in Form einer Kompetenz- und Potenzialanalyse für angehende Wirtschaftswissenschaftler an.

 

Es war im Spätsommer 2005. Wir saßen in einem Café in der Austraße, insgesamt zehn Studierende der Wirtschaftswissenschaften, und wir sprachen darüber, was sein würde, wenn unser Studium zu Ende ginge. Wir waren uns sicher, dass wir uns auf das Arbeitsleben freuten, dass wir gebraucht würden. Dennoch machten sich die ersten Zweifel in unseren Köpfen breit. Als Erste der Runde kam Monika auf das Thema ‚Ängste vor den Erwartungen von Anderen’ zu sprechen. Sie erzählte von ihrem letzten Gespräch in einer kleinen Firma in der Nähe von München, in der sie sich um einen Praktikumsplatz vorstellte: Die ersten Minuten des Gespräches liefen ganz gut, doch dann packten sie plötzlich die Zweifel, sie geriet ins Stottern, bekam Panik und wurde unsicher. Auch ich kenne diese Situation, bin froh, dass es nicht nur mir so geht.

 

Wenn ich jetzt nach diesem Sommersemester auf das Gespräch zurückblicke, merke ich, dass sich einiges geändert hat. Ich habe nachgezählt: Es waren genau zwölf Wochen und vier Tage – die das Sommersemester dauerte; während dieses Zeitraums besuchte ich die Teamsitzungen des Seminars „Kompetenz- und Potenzialanalyse“, um meine individuellen Stärken, aber auch Schwächen zu erkennen und gezielt aus- beziehungsweise abzubauen.

Zu wenig Feedback im Studium

Studierende erhalten im Laufe ihres Studiums üblicherweise wenig Hinweise auf ihre individuellen Stärken und Schwächen sowie ihre Entwicklungspotenziale. Dieses Problem ist im Bereich der Wirtschaftswissenschaften besonders virulent, weil Leistungsrückmeldungen im wesentlichen nur über Klausurergebnisse erfolgen, die mit den Studierenden nicht in ausreichendem Maße reflektiert werden können. Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Personalwirtschaft und Organisation, und Prof. Dr. Lothar Laux vom Lehrstuhl für Persönlichkeitspsychologie/ Psychologische Diagnostik und Intervention erkannten die Problematik: Sie erarbeiteten ein Konzept, das den Studierenden eine Hilfestellung zur Optimierung ihrer individuellen Entwicklungen bot und dadurch ihre Berufsfähigkeit verbesserte. Im Sommersemester 2005 boten sie deshalb erstmals ein fächerübergreifendes Seminar zur „Kompetenz- und Potenzialanalyse“ an.

Ein Seminar erprobt sich selbst

Ziel des Seminars war es, den teilnehmenden Studierenden aus dem Studiengang Psychologie Kompetenzen im Durchführen von Potenzialanalysen zu vermitteln: Sechzehn Studierende aus dem Hauptstudium wählten Instrumente der Kompetenz- und Potenzialanalyse aus, mit deren Hilfe acht Studierenden der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften ihre Stärken und Schwächen gezeigt werden sollten. Zusätzlich unterstützten vier Tutoren das Projekt. „Unter Potenzial wird dabei mehr verstanden als der gegenwärtige Leistungsstatus einer Person. Potenziell aktivierbare Fähigkeiten sowie Ziele, Werte und Persönlichkeitseigenschaften sollen zentral berücksichtigt werden“, so Prof. Dr. Lothar Laux. Zentrale Methode wurde ein spezifisches multimodales Interview.

Julia Dürrschmidt studiert im 8. Semester Diplom-Psychologie und schreibt gerade ihre Diplomarbeit über das Seminar zur Kompetenz- und Potenzialanalyse, das Projekt selbst betreute sie als Tutorin mit. „Ich habe zu Beginn daran mitgearbeitet, zusammen mit den sechzehn Psychologiestudierenden einen Methodenkatalog zu erarbeiten, mit dessen Hilfe die jeweiligen Sitzungen mit den potenziellen Probanden gestaltet werden konnten. Wichtig waren aber immer die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Teilnehmer, pauschale Vorgehensweisen brachten deshalb nichts.“

 

An und für sich war die Teilnahme an dem Seminar etwas Gutes. Früher war ich mir unsicher, wie ich mich beispielsweise in Vorstellungsgesprächen „gut verkaufen“ sollte, bekam schnell einen roten Kopf, wenn ich nach meinen persönlichen Schwächen gefragt wurde. Die meist wöchentlichen Gespräche mit den zwei Studierenden der Psychologie, die mir zugeteilt wurden, nutzte ich deshalb gezielt aus, um meinen individuellen Ansprüchen an mein Selbst- und Fremdbild auf die Spur zu gehen. Resigniert habe ich in dieser Zeit nur wenige Male, immer dann, wenn ich das Gefühl hatte, dass meine Stärken den Tausenden meiner Schwächen zu unterliegen drohten.

„Oft große Differenzen in der Einschätzung von Selbst- und Fremdbild“

Ein zentrales Hilfsmittel ist das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP). Ziel des BIP ist, eine standardisierte Erfassung des Selbstbildes des Testkandidaten im Hinblick auf relevante Beschreibungsdimensionen aus dem Berufsleben zu erfassen. Anwendung findet das BIP vor allem bei der Beantwortung von Fragestellungen aus den Bereichen der Organisationspsychologie (Eignungsdiagnostik, Teamentwicklung und Coaching), Laufbahn- bzw. Karriereberatung sowie angewandte Forschungsprojekte. „Interessant am BIP ist vor allem die Einschätzung von Selbst- und Fremdbild. Bei der Selbstbild-Analyse stellt sich der Proband einem Interview, das in Form eines Fremdbeschreibungsbogens unabhängig vom BIP erstellt wird, der Herausarbeitung seiner persönlichen Stärken und Schwächen. Das Fremdbild-Analyse hingegen umfasst ergänzende Fragen, die speziell auf den Teilnehmer zugeschnitten sind. Die Differenz zwischen Selbst- und Fremdbild war für so manchen Coachingteilnehmer mehr als spannend zu beobachten“, so Dürrschmidt.

 

Früher fiel es mir schwer, mich in Bewerbungssituationen vermarkten zu können, das Gespräch in eine für mich positive Richtung zu lenken. Heute habe ich eine für mich akzeptable Form gefunden. Ich habe während meines Studiums genug Erfahrungen gesammelt, warum soll ich davon jetzt nicht profitieren. Es geht schließlich darum, seine Individualität in den Vordergrund zu stellen. Was bringt es mir, wenn ich mir einen Anzug kaufe und mir dann noch systematisch anlese, wie ich mich in diesem Anzug verhalten soll. Was bringt es mir, wenn ich mich nur „mal kurz vorstelle“, meinen Namen nenne, vielleicht noch die Universität, aber ansonsten knapp spreche, um nicht lästig zu erscheinen. Schnell haben dann meine Gegenüber im Bewerbungsgespräch meinen Namen wieder vergessen.

 

Simuliertes Vorstellungsgespräch in der Praxis

Von der Theorie in die Praxis ging es während des Seminars schließlich in Form von simulierten Vorstellungsgesprächen, da letztlich die Kompetenz- und Potenzialanalyse auch im Bereich der Unternehmenspraxis ein aktuelles und wichtiges Thema ist. Rainer Spaeth vom Planungs- und Steuerungszentrum der Sparkasse Bamberg zeigte sich von der Seminaridee begeistert: „Für mich und meine Mitarbeiter war schnell klar, dass wir uns gerne für ein simuliertes Vorstellungsgespräch zur Verfügung stellen wollten.“ Auch Werner Kotschenreuther von der Loewe AG aus Kronach sah sich durch die Ziele des Seminars vor neue Herausforderungen gestellt: „Diese Art von Seminar habe ich bisher noch nicht erlebt, und ich muss sagen, dass mich die Simulation eines Bewerbungsgespräches sehr gereizt hat. Über eine Stunde kam ein unterhaltendes und durchaus ergebnisreiches Gespräch zustande, dass sowohl den sich bewerbenden Studierenden als auch uns, als potenziellen Werber neue Aspekte der Selbst- und Fremdeinschätzung eröffnet hat.“ Zudem besuchten die Teilnehmer die Firmen Bosch und Siemens Med, bei denen sie Einblicke in die dortige Personalentwicklung gewinnen konnten.

Auswahlprozess und Auswahlmethoden

Die Vorauswahl von Bewerbern, die während des Seminars ein Vorstellungsgespräch simulieren wollten, erfolgte – wie auch in der Realität – nach Durchsicht der Bewerbungsunterlagen. Wichtige Punkte waren: Ausbildung, Spezialkenntnisse, Lebenslauf, Verkaufserfahrung, Arbeitszeugnisse und Referenzen. Auch das Anschreiben rückte in den Vordergrund: Wie ist die Bewerbung begründet? Welche Erwartungen verbindet der Bewerber mit dem angestrebten Stellenwechsel?

Nach vergleichender Analyse der eingegangenen Bewerbungen war klar, wer im Kreis der Kandidaten bleibt. „Im nächsten Schritt luden wir die Bewerber dann zu einem persönlichen Gespräch ein, in dem gezielt ein Stärken-Profil der Person herausgearbeitet werden sollte. Das geschah in der Regel in Interviewform“, so Werner Kotschenreuther. Strukturierte oder teilstrukturierte Interviews bestanden hierbei aus Fragenkatalogen, die auf einem Anforderungsprofil basierten. Das Prinzip lautete: Erzählen lassen. Im Auswahlgespräch mit einem Bewerber frage man diesen üblicherweise, wie er im Arbeitsalltag vorgehe, welche Stärken er bei sich sehe, wie er Kunden für sich gewinne.

 

Die simulierten Bewerbungsgespräche wurden per Videokamera aufgezeichnet. In der Auswertungsphase erhielten die Bewerber dann ein Feedback im Hinblick auf ihr „Erscheinungsbild“, ihr „nonverbales Verhalten“, ihren „verbaler Ausdruck“ sowie ihre „soziale Kompetenz“ gegeben.

 

Es stimmte: Ich guckte gebannt auf den kleinen Fernsehbildschirm. Jetzt wurde mir die Differenz zwischen meinem Selbst- und Fremdbild noch klarer. Mein Auftreten war mittelmäßig, keine herausragenden Momente festzustellen. Da war Arbeit an mir selbst angesagt. Jetzt, zu Beginn des neuen Semesters sind auch die letzten Zweifel besiegt, ich fühle mich standfest genug, um ein erneutes Vorstellungsgespräch ohne Stottern, Unsicherheit und Co durchzuhalten.

 

Ob ich gelitten habe während der Treffen mit den beiden Psychologiestudierenden? Nein, ich hatte erkannt, dass ich zuvor ja nur mir selbst geschadet hatte, wenn auch unbewusst, indem ich über meine eigenen Stärken nicht gezielt verfügte. Die Flut von Absagen hat jetzt jedenfalls ein Ende: Ich habe nach einem erfolgreichen Bewerbungsgespräch einen Job in einer kleinen Agentur bekommen. Dass es nur Zufall ist, glaube ich nicht.