Raphael Thoma ist blind. Er hebt eine Hand für ein Victory-Zeichen, mit der anderen bedeckt er die Augen.Benjamin Herges/Universität Bamberg

Raphael Thoma ist blind. Die Hürden im Studium meistert er mit Humor.

Für einen barrierefreien Webauftritt setzt sich Sarah Böhlau ein.

Für einen barrierefreien Webauftritt setzt sich Sarah Böhlau ein.

Sabina Haselbek arbeitet in der Kontaktstelle Studium und Behinderung.

Sabina Haselbek arbeitet in der Kontaktstelle Studium und Behinderung.

Seine Freunde Jonas Krüger (l.) und Nelly Schmiel  helfen Raphael Thoma gerne.Benjamin Herges/Universität Bamberg

Seine Freunde Jonas Krüger und Nelly Schmiel helfen Raphael Thoma gerne.

- Patricia Achter

Universität Bamberg aus Sicht eines Blinden

Mit Humor und Unterstützung meistert ein sehbehinderter Oberfranke virtuelle und physische Herausforderungen im Studium.

Dem Studenten Raphael Thoma schlägt aus dem vermeintlichen Hörsaal lautes Geschrei entgegen. Verwundert fragt der 20-Jährige: „Ich habe hier doch die Vorlesung Das Mediensystem in der BRD?“ Eine pädagogische Fachkraft erklärt ihm, er sei in der Kinderinsel ERBA.mbini gelandet. In Situationen wie dieser weiß sich Raphael Thoma, der von Geburt an blind ist, zu helfen: „Man muss halt kommunikativ sein.“ 

Barrierefreier Webauftritt entsteht

Er scheut sich nicht, um Hilfe zu bitten, wenn er sie braucht – gerade auch im Studium. Mithilfe von Familie und Freunden lädt der Bachelorstudent der Kommunikationswissenschaft etwa Dokumente von der Universitätshomepage herunter. „Die Homepage ist momentan nicht auf Sehbehinderte eingestellt“, sagt er. Das wird sich ändern: Mit Mitteln der Zielvereinbarung hat die Universitätsleitung Mitte März 2020 eine Projektstelle eingerichtet. Sarah Böhlau gestaltet den Webauftritt der Universität barrierefreier: „Zunächst wandle ich Dokumente um, sodass sie für Sehbeeinträchtigte zugänglich sind. Noch wichtiger ist mir aber, für das Thema zu sensibilisieren. Ich hoffe, dass es irgendwann normal ist, barrierefreie Dokumente online zu stellen.“

Nachteilsausgleich: Prüfung am Computer ablegen

Beeinträchtigten Studierenden wie Raphael Thoma hilft die Universität Bamberg vor allem mit individuellen Lösungen. Zu Beginn seines Studiums im Oktober 2019 sprach er mit Sabina Haselbek von der Kontaktstelle Studium und Behinderung. Sie stellte ihm unter anderem den Nachteilsausgleich vor. Und sie beriet Dozierende, wie sie mit der Situation umgehen können. Raphael Thoma darf beispielsweise Prüfungsfragen am Computer bearbeiten oder mündliche statt schriftlicher Prüfungen ablegen. 

Behindertengerechte Gestaltung

Rund 300 Erstkontakte zählt die Kontaktstelle Studium und Behinderung pro Jahr. Sabina Haselbek und ihre Kollegin Sarah Böhlau beraten alle Studierenden mit Beeinträchtigung: ob mit Mobilitätsbehinderungen, chronischen Krankheiten wie Diabetes oder psychischen Erkrankungen. Außerdem helfen sie mit, die Universität behindertengerechter zu gestalten. Sie arbeiten unter anderem daran, Kennzeichnungen für barrierefreie Räume im Informationssystem univis einzuführen. An den drei Standorten der Universität Bamberg findet sich Raphael Thoma gut zurecht. In die Kinderkrippe Erba.mbini hat er sich kein zweites Mal verirrt: „An die Gebäude habe ich mich inzwischen gewöhnt.“ Außerdem werde er meist von Freunden begleitet. 

Individuelle Lösungen für beeinträchtigte Studierende

Raphael Thomas Dozentinnen und Dozenten haben sich auf die ungewohnte Situation eingestellt. Sie schicken ihm Powerpoint-Präsentationen als PDF und beschreiben in Vorlesungen, was auf Graphiken abgebildet ist. „Ich bin sehr froh, dass mir an der Universität alle helfen wollen“, sagt der junge Mann aus dem oberfränkischen Lauenstein. Er kann beispielsweise einen Arbeitsplatz für Sehbehinderte nutzen, der mit Vorlesesoftware ausgestattet ist. „Wir finden je nach Beeinträchtigung oft gute, individuelle Lösungen“, so Sabina Haselbek. 

Herausforderungen sind überwunden

Nach seinem ersten Semester kennt sich Raphael Thoma gut aus: Er erwischt meistens den richtigen Bus, bestellt online Bücher in der Universitätsbibliothek und hat Wege in Universitätsgebäuden auswendiggelernt. Für diese und andere Hürden hat er mit Menschen inner- und außerhalb der Universität Bamberg Lösungen gefunden. „Ich würde Blinden – oder auch anderen Beeinträchtigten – raten, erstmal ein Probesemester zu machen“, resümiert Raphael Thoma. „Dann kann man herausfinden, welche Herausforderungen es gibt, bevor man sich mit Studieninhalten beschäftigt.“ Vielleicht wäre er auch in einem Probesemester in der Kinderinsel Erba.mbini gelandet. Aber er hätte mit geringerem Zeitdruck den Hörsaal gefunden.

Ein ausführliches Portrait über Raphael Thoma finden Sie auf der Facebook-Seite.