Warum ist Krieg, Gewalt und Tod ein so häufiges Thema in der arabischen Gegenwartsliteratur? (Bild: yanboechat/stock.xchng).
Antworten lieferte der Beitrag Friederike Pannewicks zum Bayerischen Orientkolloquium, hier mit Andreas Pflitsch (Bilder: Elisa Wedekind).
Krieg, Gewalt und Tod in der arabischen Literatur
Krieg, Gewalt und Zerstörung. Diese Bilder haben viele Menschen vor Augen, wenn sie an die arabische Welt denken. Auch in der arabischen Literatur der Gegenwart spielen diese Aspekte eine große Rolle. Prof. Dr. Friederike Pannewick von der Universität Marburg ging in ihrem Beitrag zum Bayerischen Orientkolloquium der Frage nach, was hinter der häufigen Verwendung dieser Themen steckt.
Bamberg, Paris, Damaskus, Berlin und Oslo waren Stationen Prof. Dr. Friederike Pannewicks, bis sie schließlich im Jahr 2007 zur Professorin an der Philipps-Universität Marburg berufen wurde. Hier lehrt sie nun im Centrum für Nah- und Mitteloststudien im Bereich Arabistik. „Es freut uns sehr, dass Sie die Zeit gefunden haben, nach Bamberg zu kommen“, begrüßte sie Arabistik-Professor Dr. Andreas Pflitsch bei ihrer Rückkehr nach Bamberg am 4. Juni.
„Es ist schön, nach 20 Jahren mal wieder nach Bamberg zu kommen“, sagte Pannewick. Anlass war ihr Beitrag zum Bayerischen Orientkolloquium, einer Vorlesungsreihe, die bereits 1985 ins Leben gerufen wurde. Das Kolloquium wird abwechselnd an der Friedrich- Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg durchgeführt. Im Wintersemester findet es in Erlangen, im Sommersemester in Bamberg statt. Es soll der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen der Sektion Vorderer Orient des Erlanger Zentralinstituts für Regionalforschung und der orientalistischen Fächergruppe an der Universität Bamberg ein Forum bieten. Darüber hinaus ermöglicht die Reihe den Studierenden der orientalistischen Fächer sowie allen Interessierten einen Einblick in verschiedene Teilgebiete der Orientforschung.
Themen der arabischen Gegenwartsliteratur
„Pathos und Passion. Antworten arabischer Autoren zu Krieg, Gewalt und Tod“ – Pannewick beschäftigte sich in ihrem Vortrag am 4. Juni mit Bildern von Leid und Zerstörung, die nicht nur in der Berichterstattung der Medien über die arabische Welt, sondern auch in der arabischen Gegenwartsliteratur sehr präsent sind. Die Handlungen vieler Romane drehen sich um körperliche und politische Gewalt. Darüber hinaus handeln die Erzählungen von Krieg, Gefängnis, Zensur bis hin zu Menschenrechtsverletzungen und staatlichen Repressionen.
„Auch in der arabischen Dichtung spielt die meist provokante Aufarbeitung dieser Themen eine wichtige Rolle“, erklärte Pannewick. Das poetische Ich trete als dramatisch überhöhte Leidensfigur auf. Das eigene Leid und die Qualen, die ihm angetan wurden, ständen im Mittelpunkt. „Es findet eine lyrische Ausschlachtung des eigenen Leids bis hin zu Kitsch statt“, erzählte Pannewick. Es gehe darum, „leidend die Welt zu überwinden“, dem Unrecht, das dem lyrischen Ich widerfahren sei, mit leidenschaftlichem Gegenleiden zu begegnen. Die meisten Dichter dieser grausamen Zeilen seien selbst Opfer von Gewalttaten, Folterungen und Missbrauch gewesen und schildern diese Gräueltaten teilweise in äußerst brutalen und detailierten Darstellungen. „Nicht selten stellen sie die Qualen an der Welt und an sich selbst als apokalyptisch dar. Denn dadurch erscheint das eigene tragische Ende als Sieg moralischer und auch transzendentaler Art“, wusste Pannewick.
Funktionen in der Literatur
Solche Texte sind in der arabischen Welt berühmt, deren Lektüre recht verbreitet. Die Autoren stellen sich selbst als Zarathustra und Prophet, als Jesus Christus am Kreuz oder als Erlöser dar. Ihre Bühne sind Horrorszenarien aus Blut, Gewalt und Angst. Zeugt solch überspitzte Selbststilisierung „von narzisstischem Manierismus maßloser Selbstüberschätzung“? Oder handelt es sich bei diesen Darstellungen schlichtweg um eine erschütternde aber durchaus angemessene literarische Antwort?
„Das Leben und das Selbstverständnis dieser Menschen ist geprägt von Krieg, Gewalt und Blut.“ Daher hätten sie gar keine andere Wahl, als diese Themen aufzugreifen und mit ihren religiösen, politischen, psychologischen und gesellschaftlichen Lebensumständen in Verbindung zu setzen. Ihre Identität sei von eben diesen grausamen Bildern geprägt und sie wollten ihren Lesern die Augen für diese brutale Realität öffnen. In der arabischen Gesellschaft haben diese literarischen Werke die Funktion, gesellschaftliches und politisches sowie individuelles Leid ästhetisch und literarisch in Szene zu setzen. Pannewick erläuterte: „Die Paradigmen von Helden und Märtyrern können helfen, Erfahrungen von Zweifel und Machtlosigkeit mit Sinn zu versehen.“ Es gehe darum, einen mentalen Aufstand der inneren Stärke im Gegensatz zu einem schwachen Körper zu fördern. So lautete Pannewick Fazit dann auch: „Die literarischen Darstellungen sind ein öffentlicher Appell und Aufruf zur Rebellion. Den gequälten Menschen der Gegenwart soll mit dieser Aufarbeitung von Krieg, Gewalt und Tod Mut und Hoffnung gemacht werden.“