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Soziale Netzwerke finden sich überall auf der Welt auf verschiedenen Ebenen - nicht nur im Internet.

Andrea Lösel/Universität Bamberg

Kai Fischbach erforscht soziale Netzwerke und ist auch innerhalb der Universität gut vernetzt.

Vom vernetzten Individuum bis zu großen Organisationen

Kai Fischbach betrachtet Netzwerke aus interdisziplinärer Perspektive

Viele denken bei dem Thema Soziale Netzwerke an Facebook, LinkedIn oder Twitter. Der Begriff ist jedoch viel umfänglicher zu verstehen: „Unsere gesamte Gesellschaft besteht aus vielfältigen Formen von Netzwerken - online und offline“, so Kai Fischbach vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Soziale Netzwerke. Am 28. April greift er dieses Thema in seiner Antrittsvorlesung auf.

Der Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Soziale Netzwerke wurde Anfang 2012 an der Universität Bamberg ins Leben gerufen und ist der erste Lehrstuhl dieser Art in Deutschland. „Da soziale Netzwerke nicht nur in der Wirtschaftsinformatik und Informatik ein relevantes Thema sind, ist uns ein interdisziplinärer Zugang wichtig“, erläutert Fischbach und klickt sich durch ein paar Ordner auf seinem Computer. „Netzwerktheorie“ heißt einer davon. Er gehört zu einer Vorlesung, die Fischbach jedes Semester anbietet. Er behandelt darin einen Themenbereich, der sich von allgemeinen Aspekten der Netzwerkforschung bis hin zu konkreten Fragestellungen der Wirtschaftsinformatik erstreckt.

Knoten, Kanten und Strukturen

Ein paar Folienklicks und Fischbach hat eine schematische Darstellung von sozialen Netzwerken parat. Viele Knoten, die über Kanten miteinander verbunden sind. „Solch ein Knoten, das kann ein Studierender in einer Lerngruppe sein. Aber genauso gut können damit Akteure auf höherer Aggregatsebene gemeint sein – Unternehmen oder sogar Nationen, die in der EU oder NATO miteinander interagieren.“ Auch die Art der Beziehungen in sozialen Netzwerken variiert: „Manche Beziehungen sind gerichtet, wie zum Beispiel Informations- oder Finanzströme. Bei Beziehungen, die Verwandtschaften oder gemeinsame Vorlieben beschreiben, spielt die Wirkrichtung dagegen häufig keine Rolle.“

Ein paar Foliensätze weiter hören die schematischen Darstellungen auf. Jetzt erklärt er, wie sich soziale Netzwerke analysieren, steuern und planen lassen. „Soziale Netzwerke und ihre Strukturen zu verstehen ist eine schwierige Aufgabe. Sie sind das Ergebnis des Zusammenspiels sozialer Mechanismen, die sich zwischen den Akteuren eines Netzwerkes abspielen meistens nicht direkt zu beobachten sind – die Struktur eines Netzwerkes ist mehr als die Summe seiner Einzelteile.“ Darauf geht er auch in seiner Antrittsvorlesung am 28. April 2015 ein. Sie trägt den Titel Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie: Knoten, Kanten und Strukturen.

Interdisziplinärer Zugang

„Der Lehrstuhl kann aufgrund seiner interdisziplinären Ausrichtung einen Beitrag  zur Vernetzung innerhalb der Universität leisten“, darauf legt Fischbach großen Wert. Aktuell findet ein Kooperationsseminar mit dem Lehrstuhl für Politische Theorie statt. Eine zentrale Fragestellung des Seminars, das sich an Masterstudierende beider Fachrichtungen wendet, ist folgende: Welche sichtbaren und auch unsichtbaren Netzwerke bestimmen wirtschaftliche oder politische Vorgänge? „Wir bilden in der Veranstaltung interdisziplinäre Teams, die gemeinsam Themen bearbeiten und dabei ihren jeweiligen fachlichen Kompetenzen einbringen“, erläutert Fischbach.

Am 20. April startete zudem die Ringvorlesung Soziale Netzwerke. „Viele meiner Kolleginnen und Kollegen an der Universität Bamberg forschen zu diesem Thema. Sie bringen dabei sehr unterschiedliche Perspektiven ein“, erklärt Fischbach.

Bei der Ringvorlesung sind daher Vorträge von Betriebswirtschaftlern, Soziologen, Psychologen, Kommunikationswissenschaftlern und Informatikern geplant. „Das Zusammenspiel der verschiedenen Fächer und Fakultäten funktioniert in Bamberg so gut, wie ich es nirgends zuvor erlebt habe“, so Fischbach, der selbst einen sehr interdisziplinären Hintergrund mitbringt: An der Universität Siegen studierte er Soziologie, Wirtschaftswissenschaften und Mathematik, ehe es ihn 2000 in die Wirtschaftsinformatik verschlug.

Kommunikationsprozesse effektiver gestalten

Aktuell ist an seinem Lehrstuhl ein Projekt zu Kommunikationsprozessen im Unternehmen angesiedelt. „Viele Mitarbeiter beklagen sich heutzutage über zu viel Technik, zu viel Kommunikation, zu viele E-Mails“, erläutert Fischbach den Ansatzpunkt seines Projekts: „Wir wollen herausfinden, ob sich Kommunikation so gestalten lässt, dass die Mitarbeiter zufriedener und damit auch produktiver sind.“

Ein weiteres aktuelles Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung getragen. Es geht um IT-Management im Katastrophenfall - etwa im Falle von Überschwemmungen oder Attentaten. Hierfür analysiert Fischbach mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität zu Köln und der Universität Hannover die Kommunikationsstrukturen dreier Hilfsorganisationen: der Johanniter, des Roten Kreuzes und des Arbeiter Samariterbundes. Fischbach formuliert die zentrale Fragestellung des Projektes: „Wie können wir technisch dazu beitragen, dass Hilfsorganisationen einen schnelleren Überblick über die Lage erhalten?“

Hilfsdienste und Zivilbevölkerung vernetzen

Eine Überlegung ist eine stärkere Einbindung der Zivilbevölkerung in die Kommunikationsprozesse: „Bei den Überschwemmungen in Passau 2013 konnte sich die Bevölkerung sehr gut und sehr schnell organisieren.“ Per Twitter, Facebook und Google Maps markierten Bürgerinnen und Bürger in Echtzeit die Orte, an denen vom Hochwasser eingeschlossene Personen Hilfe benötigten. „Die Leute waren zum Teil besser organisiert als die Hilfsorganisationen selbst“, so Fischbach. Projekte wie diese machen seine Begeisterung für seine Disziplin aus: „Wir können als Wirtschaftsinformatiker dazu beitragen, wichtige gesellschaftliche Probleme zu lösen.“

Hinweis

Diesen Text verfasste Andrea Lösel für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

Bei Fragen oder Bilderwünschen kontaktieren Sie die Pressestelle bitte unter der Mailadresse medien(at)uni-bamberg.de oder Tel: 0951-863 1023.