Thorsten Schneider... (Fotos: Rainer Schönauer)

... zog mit dem Thema seiner Antrittsvorlesung viele Interessierte in den Hörsaal.

Beim anschließenden Empfang bot sich Gelegenheit zur Diskussion.

- Carolin Regler

An ihren Eltern sollt Ihr sie erkennen

Antrittsvorlesung des Juniorprofessors für Soziologie Thorsten Schneider

„Die Reform der Hochschullehrerausbildung erreicht die Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und bietet mit der Juniorprofessur eine zweite Möglichkeit neben der traditionellen Habilitation,“ verkündete Dekan Prof. Dr. Thomas Gehring am 20. Januar bei der Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Thorsten Schneider. Dieser hat seit April 2009 die neu geschaffene Juniorprofessur für Soziologie mit dem Schwerpunkt Bildungsungleichheit im Lebenslauf inne. In seinem Vortrag „Migrationshintergrund, soziale Herkunft und Erfolg im deutschen Schulsystem“ beschäftigte er sich mit dem Einfluss des Elternhauses auf die Laufbahnempfehlung, die Lehrer am Ende der Grundschule erteilen.

„Eignung, Neigung und Wille zu geistiger Arbeit“

Wenn eine Lehrkraft eine Laufbahnempfehlung ausspricht, bezieht sie nicht nur die bisherigen Leistungen des Kindes ein, sondern versucht auch eine Prognose über dessen künftiges Entwicklungspotenzial zu treffen. Dies ist auch eine Forderung der Kultusministerkonferenz: „Es sind aber auch Eignung, Neigung und Wille des Kindes zu geistiger Arbeit insgesamt zu werten“ heißt es in einer Informationsunterlage des Sekretariats der Kultusministerkonferenz. Eltern aus einer niedrigen sozialen Schicht wird meistens auch eine niedrigere Bildungsaspiration unterstellt, das heißt sie sind zufrieden, wenn ihr Kind das gleiche Ausbildungsniveau erreicht wie sie selbst.

Lehrer leiten aus dem sozialen Hintergrund auch das Unterstützungspotenzial der Eltern ab und lassen dieses ebenfalls in ihre Entscheidung einfließen. Hat ein Schüler einen Migrationshintergrund, wird meist ein schwächerer Rückhalt im Elternhaus vermutet. Andererseits können Lehrkräfte auch positive Schlüsse ziehen: Erstens werden viele Schüler noch ihre Sprachkenntnisse verbessern und können dann erst ihr Leistungspotenzial voll ausschöpfen. Zweitens streben Immigranten und ihre Kinder hohe Bildungsabschlüsse an, das heißt sie wollen gesellschaftlich aufsteigen und sind deshalb besonders ehrgeizig.

Mit diesem komplexen Zusammenhang beschäftigte sich Thorsten Schneider in seiner Antrittsvorlesung. Er präsentierte einige Befunde auf Basis von Daten der DFG-Forschergruppe BiKS (Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Formation von Selektionsentscheidungen im Vor- und Grundschulalter). Sein überraschendes Ergebnis: „Migrationsspezifische Bildungsungleichheiten sind in starkem Maße schichtspezifische Bildungsungleichheiten.“ Der im Durchschnitt geringere Bildungserfolg von Kinder mit Migrationshintergrund ist auf die soziale Lage ihrer Familie zurückzuführen. Hohen Forschungsbedarf sieht Schneider vor allem noch in der Frage, wie sich die hohen Bildungsaspirationen dieser Schüler besser nutzen lassen.

Die Laufbahn des neuen Professors

Thorsten Schneider, Jahrgang 1973, nahm 1995 das Studium der Soziologie mit den Nebenfächern Wirtschaftswissenschaften und Geschichte auf. Er beendete sein Studium im Jahr 2000 und arbeitete anschließend bis 2005 in der Projektgruppe Sozioökonomisches Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin. In dieser Zeit verfasste er seine Dissertation zum Thema soziale Herkunft und Schulerfolg und promovierte im Jahr 2005 an der Universität Zürich. Von 2005 bis 2008 war Schneider Akademischer Rat am Lehrstuhl für Soziologie I der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Dort beteiligte er sich maßgeblich an der Koordinierung und Abfassung des Antrages zur Einrichtung des Nationalen Bildungspanels (NEPS).

Stärkung der Soziologie, Fakultät und Universität

Schneiders Publikationsliste umfasst neben Arbeiten zu sozialen und ethnischen Ungleichheiten beim Bildungserwerb auch Aufsätze zu Wehr- und Zivildienst sowie Auswirkungen von Pflegebedürftigen im Haushalt auf das Erwerbsverhalten von Frauen. Zu seinen Forschungsinteressen zählen des Weiteren Migrations- und Sozialstrukturforschung, Generationenbeziehungen und die Methoden der Längsschnittanalyse. Die Erstbesetzung der im Rahmen des Nationalen Bildungspanels (NEPS) eingeworbenen Stelle mit Thorsten Schneider stärkt laut Thomas Gehring nicht nur die Bamberger Soziologie, sondern auch den Schwerpunkt Bildungsforschung über Fach- und Fakultätsgrenzen hinaus. Für das Wintersemester 2010 ist die Einführung eines Masterstudiengangs „Empirische Bildungsforschung“ geplant.