Die DFG bietet jungen Wissenschaftlern die Möglichkeit, sich in Netzwerken zusammenzuschließen (Bild: Photocase)
Udo Thiel (University of Canberra, Mitte) stellte beim ersten Treffen des Netzwerks philosophische Identitätsbegriffe des 18. Jahrhunderts vor (Bilder: Lehrstuhl für englische Literaturwissenschaft)
Die Netzwerkmitglieder diskutieren die vorgestellten Projekte
Anglistischer Nachwuchs vernetzt sich
In Vierzehnheiligen trafen sich junge Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler der Anglistik im Dezember vergangenen Jahres und vom 7. bis 9. Juli zu ihren ersten beiden Treffen des DFG-Nachwuchsnetzwerks „Mediating Identities: Medialisierung und Vermittlung von Identität im England des 18. Jahrhunderts“.
Im Rahmen ihrer Förderinitiative Geisteswissenschaften fördert die DFG derzeit 17 Netzwerke, die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern eine Möglichkeit bieten, sich über einen Zeitraum von drei Jahren in regelmäßigen Treffen über bestimmte Themen auszutauschen. Seit vergangenem Jahr ist eines dieser Netzwerke an der Uni Bamberg beheimatet. Die von Dr. Anja Müller, Assistentin am Lehrstuhl für Englische Literaturwissenschaft, initiierte Forschergruppe beschäftigt sich mit der Medialisierung und Vermittlung von Identitätskonstruktionen im England des 18. Jahrhunderts. Besonders interessieren sich die Forscherinnen und Forscher für den Gebrauch und die spezifische Funktion von verschiedenen Medien (literarische Texte, Kleidung, Theateraufführungen) bei der Herausbildung unterschiedlicher Identitäten. In drei Arbeitsgruppen untersucht das Projekt neben der Aushandlung von politischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Identitäten an öffentlichen Orten auch den Gebrauch und die Funktionen von Literatur als Medium für die Verbreitung von Identitätskategorien. Schließlich ist die wechselseitige Erhellung verräumlichter und verzeitlichter Identitätskonstruktionen in Relation zur Ausdifferenzierung realer und medialer Räume ein Schwerpunkt der Gruppe. Bereits im ersten Jahr hat sich das Netzwerk als ein konstruktives Diskussionsforum erwiesen: Zwei Treffen im Bildungshaus der Erzdiözese Haus Frankenthal in Vierzehnheiligen boten Gelegenheit für einen intensiven Austausch.
Wer bin ich?
Der erste Workshop, mit Gästen aus Australien und Kanada, galt der Annäherung an die dem 18. Jahrhundert eigenen Identitätsbegriffe und -konstruktionen. Gemeinsam mit Prof. Dr. Udo Thiel (Canberra) erarbeitete sich die Gruppe einen Einblick in die englische Identitätsphilosophie. Wichtig war hierbei vor allem die Frage nach der Individualität durch die Zeit hindurch: „Wer bin ich?“ und „Wie bin ich geworden, wer ich bin?“ Prof. Dr. Ann Shteir (Toronto) befasste sich in ihrem Workshop „Formen der Repräsentation von Gender, Natur und Identität“ besonders mit der Darstellung der Göttin Flora im 18. Jahrhundert. Die sich anschließende lebhafte und kritische Diskussion verortete die Flora des 18. Jahrhunderts schließlich in einem dichten kulturellen Netz.
Fünf Projekte vorgestellt
Vom 7. bis 9. Juli 2006 wurden dann beim zweiten Treffen der Gruppe die ersten fünf der insgesamt zehn Projekte des Netzwerks vorgestellt und diskutiert. Den Beginn machte Isabel Karremann (München), die sich mit „Inszenierungen männlichen Unbehagens am Körper“ in Romanen wie Jonathan Swifts „Gulliver’s Travels“, Laurence Sternes „Tristram Shandy“ oder Mary Shelleys „The Last Man“ beschäftigt. Während Christian Huck (London) dazu arbeitet, welchen Anteil Kleidung und Mode an der Identitätskonstruktion vor allem der Londoner des 18. Jahrhunderts hatten, behandelte Katharina Rennhak (München) die Vorworte von zeitgenössischen Romanen als Paratexte, in denen die Verfasser ihre Identitäten als Autorinnen und Autoren aushandeln. Michael Meyer (Koblenz) untersucht die ästhetische und ideologische Bedeutung des sich im 18. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreuenden Panoramas (Rundgemälde). Annette Pankratz (Passau) stellte schließlich ihre Recherchen und Analysen zum Theater und Drama des 18. Jahrhunderts und ihre Funktion als Medien der Identitätskonstruktion auf der Bühne und im Publikum vor.
Ein weiteres gemeinsames Projekt des Netzwerkes ist die Erstellung einer Datenbank, welche eine Bibliographie relevanter Texten des 18. Jahrhunderts und eine Linksammlung zu elektronisch verfügbaren Materialien enthält. Diese Sammlung wird ständig ergänzt und ist im Internet unter www.mediatingidentities.de (zusammen mit einer Vorstellung der Beteiligten und Teilprojekte) verfügbar. Das nächste Treffen des Netzwerks wird vom 10. bis 12. November 2006 stattfinden. Als Gäste werden Prof. Dr. Oliver Jahraus (München) und Prof. Dr. Peter Wagner (Landau) über „Medien und ‚Visual Culture’“ sprechen.