Die Rolle der Religion in der modernen Welt - Auftaktthema der Ringvorlesung des ZIS (Bild: pixelquelle.de)

Reinhard Zintl (von links), Heinrich Bedford-Strohm, Reza Hajatpour und Johannes Först (Bilder: Patrick Winkler)

Rotraud Wielandt (zweite von rechts) argumentiert, Marianne Heimbach-Steins, Reza Hajatpour und Johannes Först folgen ihren Ausführungen

- Patrick Winkler

Menschenrechte und Religion

Podiumsdiskussion des Zentrums für Interreligiöse Studien

Welchen Stellenwert hat die Religion heute? Welche Bedeutung nimmt sie für unser Zusammenleben ein? Nicht zuletzt die aktuellen Diskussionen um eine stärkere Werteerziehung belegen die Aktualität dieser Fragestellungen. Die Ringvorlesung „Religion – Gesellschaft – Staat“ des Zentrums für Interreligiöse Studien begann Anfang Mai mit einer Podiumsdiskussion zu diesem Thema. 

Am 3. Mai startete die Ringvorlesung „Religion – Gesellschaft – Staat“ des Zentrums für Interreligiöse Studien (ZIS) mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Die Rolle der Religion in der heutigen Gesellschaft“. Der interdisziplinären Ausrichtung des Zentrums entsprechend, diskutierten unter der Moderation von Dr. Johannes Först Vertreter verschiedener Fakultäten zum gestellten Thema. Es zeichnete sich ab, dass vor allem die Bedeutung der Menschenrechte für diesen Abend eine zentrale Fragestellung darstellen würde.     

Prof. Dr. Reinhard Zintl vom Lehrstuhl für Politikwissenschaft I betonte eingangs die Wichtigkeit der Menschenrechte für eine funktionierende Gesellschaft, wobei der spezifisch christliche Anteil hier nicht unbedingt ersichtlich sei. „Wichtig ist nur, dass ein gesellschaftlicher Konsens besteht, sich an bestimmte Normen verbindlich zu halten“, forderte Zintl. Man müsse jedoch eine praktikable Trennlinie finden, in welchen Fragen man keine Kompromisse eingeht und bereit ist, eine Sache auch mit Zwangsmitteln durchzusetzen, zum Beispiel bei Fragen der Menschenwürde, und in welchen Fragen man andere Lebens- und Glaubensentwürfe akzeptiert.

Für Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm vom Lehrstuhl für Evangelische Theologie mit Schwerpunkt für Systematische Theologie und theologische Gegenwartsfragen spielt auch die Quelle der Menschenrechte eine entscheidende Rolle. Nur Religion könne angesichts der „Begründungsoffenheit der Menschenrechte“ Interpretationslücken schließen. Jedoch dürfe man bestimmte Religionsfragen nicht verabsolutieren und mit Gewalt durchsetzen. Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins, Leiterin des ZIS, verwies darauf, dass Menschen mit tiefem Glauben in Krisensituationen leichter leben würden. Der Glaube sei als Bezugs- und auch Verstehenshorizont besonders in der heutigen Gesellschaft wichtig und ermögliche Freiheit im Konflikt. Jedoch dürfe man auch die heftige Konfliktgeschichte der katholischen Kirche mit der säkularen Gesellschaft nicht vergessen. In Bezug auf die Rolle des Islam erwähnte Heimbach-Steins, dass das Christentum knapp 500 Jahre Zeit hatte für die Integrierung der Menschenrechte: „Dem Islam hingegen steht diese Zeit in der globalisierten Welt nicht mehr zur Verfügung.“

Demokratische Entwicklung ist in der islamischen Welt schwierig

Die Menschenrechte stellen auch nach Meinung von Prof. Dr. Rotraud Wielandt, Lehrstuhl für Islamkunde und Arabistik, die Basis des gesellschaftlichen Zusammenlebens dar. Im Islam sei eine Orientierung an den Normen der Menschenrechte denkbar und möglich, jedoch hätten viele Muslime, auch in Deutschland, oft noch problematische Einstellungen, etwa in Bezug auf die Rolle der Frau. „Während sich in der westlichen Welt der Demokratisierungsprozess im Wesentlichen von innen heraus entwickelt, wird in den islamischen Ländern die Demokratie von außen herangetragen“, erläuterte Wielandt. Dies führe zu einer problematischen Abwehrhaltung gegenüber demokratischen Ideen. Um demokratische Entwicklungen in der islamischen Welt zu ermöglichen, sei in diesen Ländern eine Trennung von Staatsgewalt und Religion nötig. Als zentrale Frage unserer Zeit nannte Dr. Reza Hajatpour, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Iranistik, das Problem, wozu Religion noch gebraucht werde, wenn die Moderne auch ohne religiöse Beeinflussung Menschenrechte postuliert. Im Iran habe im Gegensatz zum christlich-abendländischen Kulturraum die Religion vor anderen Werten und Normen Vorrang, deshalb glaubten sich auch Theologen im Recht, dieses Land zu führen.

Allgemeine Informationen zum ZIS und weitere Veranstaltungen

Unter dem Dach des ZIS sind die Ressourcen und Kompetenzen aus vier Fakultäten, der Fakultät Katholische Theologie, der Fakultät Sprach- und Literaturwissenschaften, der Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie der Fakultät Philosophie – Pädagogik – Psychologie vernetzt. Programmatischer Fokus der Aktivitäten des Zentrums sind gegenwartsbezogene interreligiöse Fragestellungen im Bereich von Judentum, Christentum und Islam.

Der nächste Vortrag der Ringvorlesung „Religion – Gesellschaft – Staat“ zum Thema „Demokratie in christlicher Perspektive“ von Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins findet am 17. Mai (Raum U2/ 133) statt.