Mirjam Schmitt/Universität Bamberg

Archäologin Viviane Diederich verbindet klassische Stadtarchäologie mit den Neuen Medien. Hier sitzt sie an ihrem Lieblingsplatz in Bamberg, dem alten Schlachthof an der Uferseite der TB 5.

Edgar Zwerenz

Bereits in den Voruntersuchungen stieß Viviane Diederich auf Funde, beispielsweise auf diesen Henkeltopf. Die jüngsten Grabungen im August brachten nun Münzen, Spielzeuge, Metallbeschläge oder unzählige Muscheln für die Knopfproduktion zu Tage.

Jana Liebing

Ausgleich zu ihren Forschungen findet die Nachwuchswissenschaftlerin beim Fechten, dem für die "besten Sport der Welt".

- Mirjam Schmitt und Tanja Eisenach

Ackerbürgerhaus von 1840 trifft auf neue Medien

Neue Ansätze zur Kulturvermittlung im ArchaeoCentrum bayern-böhmen

Für rund 3,3 Millionen Euro wird dank des ArchaeoCentrums bayern-böhmen die wechselvolle (Kultur-)Geschichte der deutsch-tschechischen Grenzregion in besonderer Weise greifbar. Das von der Universität Bamberg initiierte Projekt (siehe Titelthema des Campus-Magazins uni.kat, Ausgabe 1/2017) ist an den Geschichtspark Bärnau-Tachov angegliedert, dem größten archäologischen Freilichtmuseum Deutschlands, und besteht aus zwei Teilprojekten, von denen eines am 11. September 2019 einjährigen Geburtstag feiert: Mit modernster Technik forschen seit der Eröffnung Angehörige der Universitäten Bamberg, Pilsen und Prag in den Labor- und Büroarbeitsplätzen der ArchaeoWerkstatt. Sie versteht sich dabei als offener Experimentierraum für Wissenschaft und Öffentlichkeit und dient deutschen wie tschechischen Studierenden und Forschenden, um Funde zu lagern, zu bearbeiten und zu untersuchen.

Das außergewöhnliche Setting und die hervorragende Laborausstattung der ArchaeoWerkstatt sowie das zweite Teilprojekt des ArchaeoCentrums, die experimentelle Schaubaustelle Reisestation Kaiser Karls IV. hat das triuniversitäre Projekt überregional bekannt gemacht. Insbesondere junge Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus ganz Deutschland zieht es dorthin. Eine von ihnen ist Viviane Diederich: Sie ist vom mittelhessischen Marburg an die Universität Bamberg und den binationalen Forschungsstandort Bärnau gekommen. Seit dem 5. August 2019 leitet sie im Rahmen des deutsch-tschechischen Forschungsprojekts Socioeconomic spaces crossing borders: Archäologische Untersuchungen in einer Stadt an der bayerisch-tschechischen Grenze für vier Wochen eine Bamberger Studierendengruppe bei Ausgrabungen im Ackerbürgerhaus im Zentrum Bärnaus, ihre Funde wertet sie in die nahegelegene ArchaeoWerkstatt aus.

Bierproduktion im Ackerbürgerhaus in Bärnau?

Viviane Diederich studierte Archäologie und Kunstgeschichte in Bonn und Venedig und nahm an Ausgrabungen in der Nomadenstadt Karabalgasun in der Mongolei teil. Seit Herbst 2018 promoviert die Stadtarchäologin und Degenfechterin als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bamberger Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Ihr Forschungsobjekt, das Ackerbürgerhaus, wurde um 1840 erbaut und von Landwirten bewohnt. Wie zu dieser Zeit im und um das Gebäude gelebt und gearbeitet wurde, sind zwei Fragen, auf die sie Antworten sucht. Neben Münzen, Spielzeugen, Metallbeschlägen oder Textilresten fand sie nun unzählige Muscheln, aus denen Knöpfe hergestellt wurden. Das Ackerbürgerhaus birgt vieles mehr, vermutet die junge Forscherin: „Beispielsweise lassen die abwinkelnd immer tiefer reichenden Keller des Gebäudes darauf schließen, dass sie der Bierproduktion dienten.“

ArchaeoLogue – Wissenschaftsblog für die Öffentlichkeit

Mit den Grabungen verbunden ist ihr Dissertationsthema Stadtarchäologie und Öffentlichkeit, in dem Viviane Diederich nicht nur Erkenntnisse zu Arbeits-, Lebens- und Wohnwelten im 19. Jahrhundert gewinnen will, sondern darüber hinaus ein Konzept entwickelt, wie sich soziale Medien für eine moderne Kulturvermittlung nutzen lassen: Sie twittert, fotografiert für Instagram und betreibt ab September 2019 einen Wissenschaftsblog namens ArchaeoLogue – Archäologie im Dialog. Diese drei miteinander vernetzten Kommunikationskanäle richten sich sowohl an interessierte Laien und Hobbywissenschaftler als auch an Forschende. Neben einer optimierten Wissensvermittlung ist das Ziel, den Austausch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu fördern – auch ganz unmittelbar bei den Grabungen: „In nächster Zeit können wir noch helfende Hände gebrauchen“, so Viviane Diederich.

Fechtende Archäologin mit Leidenschaft

Wenn sie über ihr Projekt spricht, merkt man Viviane Diederich die Begeisterung für ihr Fach an. Ausgrabungsstätten in der norwegischen Hansestadt Bergen oder das atmosphärische Pompeij bringen sie zwar ins Schwärmen, in Bärnau fühlt sie sich aber genau am richtigen Ort: „Das Ackerbürgerhaus ist mir richtig ans Herz gewachsen.“ Und wenn sie mal nicht gräbt oder twittert? Dann ficht Viviane Diederich: Diese Leidenschaft begleitet sie, seit sie neun Jahre alt ist. Zuletzt hatte sie sich trotz Berufseinstieg, Umzug und zu kurz gekommenen Training in einem herausfordernden Starterfeld bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften im Februar 2019 für Bamberg unter die besten 16 gekämpft. Das nächste Ziel ist schon gesteckt: „Es unter die besten 8 zu schaffen wäre ein toller Erfolg für mich.“

Als Degenfechterin ist sie in Bamberg zwar noch auf der Suche nach einem passenden Verein, in die Stadt Bamberg, die familiäre Universität und das Archäologenparadies Bärnau hat sie sich aber bereits bestens eingelebt: „Bambergs Altstadtgefüge und Lebensgefühl erinnern mich an meine Heimatstadt. Und die kurzen Kommunikationswege in der ArchaeoWerkstatt und am Institut für Archäologische Wissenschaften, Denkmalwissenschaften und Kunstgeschichte, ermöglichen mir einen schnellen Austausch unter Kolleginnen und Kollegen.“

Weitere Informationen:

Wer bei den Grabungen rund um das Ackerbürgerhaus mithelfen möchte, kann sich unter der E-Mail-Adresse viviane.diederich(at)uni-bamberg.de melden.