Allerlei typische Erstsemester-Schwierigkeiten - Jennifer hat nach einem Jahr gut Tritt gefasst. (Bilder: arbeiterkind.de)

"Am Anfang hatte ich keine Ahnung, wie so ein Studium abläuft," erzählt Faris. Heute gibt er seine Erfahrungen an andere weiter.

Die Ehrenamtlichen von arbeiterkind.de beraten bei Fragen rund ums Thema Studium und wollen aufzeigen: "Studium ist eine reele Option - unabhängig vom familiären Hintergrund."

Tipps aus erster Hand

Erstakademiker an der Universität Bamberg

Die meisten deutschen Studierenden stammen noch immer aus Akademikerfamilien. Wer dagegen als Erster in der Familie an die Uni geht, betritt unbekanntes Terrain. Das kann mitunter hart sein. Initiativen wie der Studienkompass oder arbeiterkind.de bieten Unterstützung.

„Ich habe meinen Stundenplan bestimmt siebenmal überworfen“, erzählt Jennifer Deuber. Im selben Atemzug zieht sie ein zweifach gefaltetes Stück Papier aus ihrem Rucksack und entfaltet es. Bleistiftstriche und ein buntes Chaos von Pfeilen zieren den Stundenplanausdruck: „So ganz sicher bin ich mir immer noch nicht, ob er so in Ordnung ist“, zuckt die 19-Jährige mit den Schultern. Das war vor einem Jahr. Damals hat Jennifer in Bamberg ihr Bachelorstudium der Internationalen Betriebswirtschaftslehre (IBWL) aufgenommen. Und hatte zu Studienbeginn mit allerhand typischen Erstsemester-Schwierigkeiten zu kämpfen: Wie organisiere ich mein Studium? Wie beantrage ich BAföG? Wann muss ich anfangen, mein Auslandssemester zu planen?

Erstakademiker als Exoten an deutschen Hochschulen

In Akademikerfamilien können oft Mutter oder Vater Antwort auf solche Fragen geben. Oder zumindest durch Erzählungen am Abendbrottisch ihre eigenen Studienerfahrungen weitergeben. „Schüler, die sich als erste in ihrer Familie für ein Studium entscheiden, sind sich hingegen häufig recht unsicher, ob sie dieses überhaupt schaffen“, weiß Dr. Ulrich Hinz vom Studienkompass zu berichten: „Erstakademikern fehlen Rollenvorbilder innerhalb der eigenen Familie.“ Initiativen wie der Studienkompass versuchen Abhilfe zu schaffen. Der Studienkompass unterstützt Jugendliche, die als Erste in ihrer Familie ein Studium aufnehmen, bei ihrer Studien-und Berufsorientierung und begleitet sie auf dem Weg an die Hochschule – mit Workshops und Mentorenprogramm.  Rund 60 Studierende der Universität Bamberg werden aktuell vom Programm gefördert – eine davon ist Jennifer.

Ein Blick auf die Statistiken genügt, um zu zeigen: Das Thema soziale Selektion an den Hochschulen ist längst nicht passé. Zuletzt wies die 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (2012) den engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Studienbeteiligung nach: Demnach wagen in Deutschland gerade einmal 23 Prozent der Kinder aus nicht-akademischen Herkunftsfamilien den Schritt an die Hochschule. Dieser Anteil ist bei Kindern von Akademikern mehr als dreimal so hoch (77 Prozent). Unsicherheiten in Hinblick auf Finanzierungsmöglichkeiten, familiäre Vorbehalte, die fehlende Vertrautheit mit den Gepflogenheiten der universitären Welt – eine ganze Reihe von Hürden stellen sich Erstakademikern bisweilen in den Weg.

Unsicherheiten aus dem Weg räumen

Viele dieser Hürden musste auch Faris Behme erst einmal aus dem Weg räumen. Heute studiert der 25-Jährige in Bamberg im Masterstudiengang das Fach Soziologie. „Mein Studium habe ich auf gut Glück angefangen. Dass ich jemals einen Master machen und darüber nachdenken würde, zu promovieren, hätte ich damals nie gedacht.“ Im Jahr 2008 machte Faris sein Abitur, Gesamtnote 2,3. Er fragte sich: Würde das für die Uni reichen? Wie sollte er ein Studium überhaupt finanzieren? Wäre eine Ausbildung als Schreiner nicht viel sicherer? Einmal in der Hochschul-Welt angekommen, hörten die Unsicherheiten nicht auf. „Am Anfang hatte ich keine Ahnung, wie so ein Studium überhaupt abläuft“, erinnert er sich. „Die anderen erschienen mir vertrauter mit dem Thema Studium und selbstsicherer.“ Am Tag der Erstsemesterbegrüßung traf er einen Jungen, der im Laufe der ersten Semester zu einem seiner besten Freunde wurde. „Eigentlich das Akademikerkind schlechthin“, schmunzelt Faris. Der Freund konnte ihm erklären, wie eine Prüfung an der Hochschule abläuft, der Vater des Freundes gab Faris Tipps für seine Hausarbeiten. „Noch heute liest er die meisten meiner Arbeiten Korrektur“, erzählt Faris – ein selbst geschaffenes Netzwerk, das Faris den Studienstart erleichterte.  

„Hilfe für jeden, der sie nötig hat“

Heute gibt Faris seine Erfahrungen weiter und unterstützt bei Schwierigkeiten, mit denen er noch vor einigen Jahren selbst zu kämpfen hatte. Faris ist einer von rund 10 Ehrenamtlichen, die sich in der Bamberger Hochschulgruppe arbeiterkind.de engagieren. Die gemeinnützige Initiative will Schülerinnen und Schüler, deren Eltern nicht studiert haben, ermutigen zu studieren. Bundesweit gibt es rund 70 regionale Gruppen, insgesamt 5000 Ehrenamtliche zählt die Initiative. Die Bamberger Gruppe bietet einmal pro Monat eine Sprechstunde an – wer Fragen hat, darf einfach vorbeikommen. Und auch sonst: Bei Beratungsbedarf genügt eine kurze E-Mail. „Wir vereinbaren dann einfach ein Treffen – oder auch mehrere“,  erklärt Faris. Beim Stammtisch und bei den 1-zu-1-Treffen erklärt er Schülerinnen und Schülern, dass sie BAföG beantragen können – wenn nötig, füllt er auch gleich den Antrag mit ihnen aus. Seine Kommilitonin Ronja berichtet, dass Stipendien nicht immer nur was für Überflieger sind und wirft einen Blick auf die Motivationsschreiben. Und Susan gibt Hinweise, wie ein geisteswissenschaftliches Studium überhaupt funktioniert. In der Bamberger arbeiterkind.de-Gruppe engagieren sich nicht nur Studierende. Auch Ehemalige, die als wissenschaftliche Mitarbeiter im Hochschulbetrieb tätig sind, sind Teil der Gruppe. „Alle bringen ihre Erfahrungen ein – daher können wir bei vielen Themen Tipps aus erster Hand geben“, erklärt Faris.

Berichterstattung aus erster Hand – darum geht es auch bei den Veranstaltungen der arbeiterkind.de-Gruppe. Immer mal wieder sind die Ehrenamtlichen auf Berufs- und Studienmessen präsent. Im Wintersemester 2014/15 wollen sie zudem Bamberger Schulen besuchen und dort ihre Studienerfahrungen weitergeben. „Ich glaube, das Bild, das Schüler vom Studium haben, ist oft sehr diffus und verschwommen.“ Daher will Faris seine eigenen Erfahrungen, Erfolgs- und Frustrationsgeschichten zum Thema Studium berichten. Und damit auch anderen klar machen: „Ein Studium ist unabhängig vom Familienhintergrund eine reelle Option.“
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INFO

Einige Initiativen versuchen Erstakademikern den Weg an die Universität zu erleichtern: Jennifer wird vom Programm Studienkompass gefördert – wie rund 60 weitere Bamberger Studierende. Das Programm bietet jungen Menschen aus Elternhäusern ohne akademischen Hintergrund eine intensive Studien- und Berufsorientierung – in den letzten beiden Schuljahren sowie im gesamten ersten Jahr an der Hochschule.

Zudem geben die ehrenamtlichen Mentorinnen und Mentoren der Bamberger arbeiterkind.de-Hochschulgruppe (nicht nur) Erstakademikern Erfahrungen und Expertise aus ihrer eigenen Bildungsbiografie weiter. Daneben besuchen sie auch Schulen und informieren Schülerinnen und Schüler über BAföG und Co.

https://www.facebook.com/pages/Arbeiterkindde-Gruppe-Bamberg/249925295159462?fref=ts)

Wer Beratungsbedarf hat oder sich bei arbeiterkind.de engagieren möchte, kann sich melden unter: bamberg(at)arbeiterkind.de

Hinweis

Diesen Text verfasste Andrea Lösel für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

Bei Fragen oder Bilderwünschen kontaktieren Sie die Pressestelle bitte unter der Mailadresse medien(at)uni-bamberg.de oder Tel: 0951-863 1023.