Lena, Dittmar und Manu (v.l.n.r.) passen auf, das nichts anbrennt (Fotos: Eva Schenk).

Schälen und Schnippeln für den Nachtisch

Erwartungsvolle Spannung: Ob das selbst gekochte Essen auch schmeckt (Foto: Thomas Berberich)?

Die beiden Hauptorganisatorinnen von "Uni packt an" Anna Schatz (li.) und Oda Riehmer (Foto: Eva Schenk).

- Eva Schenk

„Uni packt an“

Studierende kochen mit Behinderten

15:15 Uhr: Gemeinsames Warten auf den Beginn der Kochgruppe

Auf dem Schulhof der Bertold-Scharfenberg-Schule herrscht viel Betrieb. Blau-weiße Kleinbusse verlassen das Gelände; in ihnen sitzen Kinder. Manche wirken müde, einige lachen und freuen sich offensichtlich auf einen schulfreien Nachmittag. Eine kleine Gruppe Erwachsener harrt aber an diesem dunklen, ungemütlich-windigen Nachmittag des 11. November neben dem Pausenhof aus. Es ist die Kochgruppe der Offenen Behindertenarbeit (OBA), die sich alle zwei Wochen donnerstags in der Schulküche trifft. Trotz des Schmuddelwetters ist die Stimmung gut. Die Gruppenmitglieder im Alter zwischen 20 und 60 Jahren kennen sich schon lange und es wird noch fröhlich geratscht und geraucht, bevor es mit dem Kochen losgeht.

Momentan bin ich noch die einzige Unbekannte in der Gruppe. Doch das ändert sich schnell. Nachdem ich mich kurz mit Ronny, Mitarbeiter der OBA und Leiter der Kochgruppe, unterhalten habe, spricht mich eine Teilnehmerin an. „Wie heißt du? Und was machst du hier?“, fragt mich die aufgeweckte rothaarige Frau, die sich als Christina vorstellt. Wilfried, ein Mann Ende 50, gesellt sich zu uns und zeigt stolz eine Urkunde, die er für die Teilnahme an einer Radioführung im Bamberger Jugendtreff Immer Hin bekommen hat. Mit seinem schwarzen Käppi und seiner Hornbrille, die etwas groß wirkt auf seinem schmalen Gesicht, macht er einen spitzbübischen und sympathischen Eindruck. Es fällt auf: Behinderte haben deutlich weniger Berührungsängste als Nichtbehinderte, und ich fühle mich schnell integriert.

Doch ich bin nicht die einzige Neue heute. Auch Elitsa und Thomas, zwei Studierende an der Universität Bamberg, kochen heute mit. Beide engagieren sich bei der Aktion „Uni packt an“ der Bamberger Hochschulgruppe Feki.de, bei der Studierende verschiedene Workshops besuchen und so in soziale Projekte und Einrichtungen „hineinschnuppern“ können. Die Auswahl ist beachtlich: So können die studentischen Helfer nicht nur bei verschiedenen Angeboten der Offenen Behindertenarbeit dabei sein, sondern auch Senioren den Computer erklären oder Lebensmittel für die Bamberger Tafeln sammeln. Mit den beiden Studierenden sind wir vollzählig und gehen zum Hauptgebäude in die Schulküche.

Auf dem Weg dorthin fällt mir wieder ein, was „Uni-packt-an“-Projektleiterin Anna Schatz mir über die Aktion erzählt hat: „Wir wollen das Interesse für ehrenamtliche Arbeit wecken und auf das Angebot hier vor Ort in Bamberg aufmerksam machen. Viele Studierende kommen ja nicht direkt aus Bamberg und wissen deshalb nicht, welche sozialen Einrichtungen es überhaupt gibt und bei welchen man sich engagieren kann.“ Ich erzähle Ronny meine Gedanken und frage ihn, was er als OBA-Mitarbeiter als Projektteilnehmer sich von „Uni packt an“ erhoffen. „Natürlich möchten auch wir erst einmal Interesse wecken. Durch die Workshops können die Studierenden herausfinden, ob die Arbeit mit Behinderten ihnen überhaupt liegt und Spaß macht. Natürlich wäre es schön, wenn der ein oder andere ‚hängen bleibt’ und sich langfristig bei uns engagiert.“ Schließlich sei es ein wichtiges Ziel der OBA, Kontaktmöglichkeiten zwischen Behinderten und Nichtbehinderten zu schaffen. Wir erreichen die Schulküche und ich muss erst einmal grinsen. Frankens beliebtester Imbiss ist eben allgegenwärtig: „Drei im Weckla mit Kraut – 1,50 Euro“ steht auf einem knallgrünen Papierplakat, das an der orangefarbenen Tür der Schulküche hängt.

15:35 Uhr: Rezepte besprechen und Aufgaben verteilen

Diese Aufschrift hat allerdings wenig mit unserem heutigen Menü zu tun, das man nicht als deftig-fränkisch, sondern vegetarisch-mediterran bezeichnen kann: Als Vorspeise wird es Gemüsesalat, als Hauptspeise Gemüselasagne mit Schmelzkässauce und als Nachtisch Joghurt mit heißen Äpfeln geben. Mit den weißen Fliesen und den zitronengelben Schränken wirkt die geräumige, circa vierzig Quadratmeter große Küche hell und freundlich. Dass wir uns eindeutig in einer Schulküche befinden, zeigen auch die bunten, selbstgemalten Bilder, die an den gefliesten Wänden hängen.

Bevor wir mit dem Kochen loslegen, wird es noch mal gesellig. Bei Kaffee und Bananenmilch – „das gibt’s immer bei unseren Kochtreffen“ – werden die Rezepte besprochen. Die Bananenmilch kommt deutlich besser an als der Kaffee. Nebenbei verteilt Ronny die Rezepte und liest sie vor. Die Gruppe wirkt mit der Auswahl zufrieden: „Mmhhh“ und „lecker“ tönt es aus allen Ecken.

16:30 Uhr: Schnippeln, fetten, spülen

Jetzt kann das Kochen endlich losgehen! Sowohl die Arbeitsaufteilung als auch die Routine der „Köche“ ist beeindruckend: Manni, Elitsa und Lukas, der ein freiwilliges soziales Jahr bei der OBA macht, schnippeln Gemüse für den Salat, Christina fettet Formen für die Lasagne aus und Sabine betätigt sich als Spülfee. Jeder in der Gruppe bringt sich so gut ein, wie er kann und arbeitet in seinem eigenen Tempo. Studentin Elitsa ist Zupacken mittlerweile gewohnt, schließlich ist das Kochen mit der OBA schon das zweite Projekt, an dem sie teilnimmt. „Ich habe bereits mit anderen Studierenden und Schülern die Wände der Erlöserschule bemalt“, erzählt sie. „Auf das Kochen mit der OBA habe ich mich besonders gefreut, weil das für mich eine ganz neue Erfahrung ist und ich es schön finde, wenn man Gutes tun und dabei auch Spaß haben kann.“ Thomas, der selbst Mitglied bei Feki.de ist, hat die Unterhaltung mitbekommen und nickt zustimmend. „Das Projekt ist wirklich außergewöhnlich. Es ist schon toll, was unsere beiden Hauptorganisatorinnen Anna Schatz und Oda Riehmer da auf die Beine gestellt haben“, meint er anerkennend.

Dass Thomas und ich zwischendurch durch die Küche laufen und fotografieren kommt nicht bei allen gut an. „Ihr könnt ja auch mal helfen, nicht immer nur Bilder machen“, meint Manni. Recht hat er! Schließlich wollen wir später auch mitessen. Wir reihen uns also unter die fleißigen Helfer und schnippeln, schälen und spülen mit.

18:10 Uhr: Essen und genießen

Kurz nach der ursprünglich eingeplanten Zeit sitzen alle am Tisch. Die Gespräche verstummen nach und nach, alle lassen sich den leckeren Salat schmecken. Den sinkenden Lärmpegel kommentiert Lukas treffend: „Die Stille würde ich als eines der Highlights der Kochgruppe bezeichnen“, meint er lachend. Im Ofen brutzelt währenddessen die Lasagne, der herzhafte Duft von gegrilltem Käse steigt uns in die Nase und macht Appetit auf mehr. Da wir bei der Lasagne alle ordentlich zuschlagen, müssen sich Sabine, Manuela, Christina und ich beim Nachtisch geschlagen geben. „Das schmeckt zwar total lecker, aber ich schaff’s nicht mehr“, seufzt Christina. 

19:30 Uhr: Elitsa und Thomas bewerten das gemeinsame Kochen

Nach dem Essen muss nun noch die Küche aufgeräumt werden. Eine unbeliebte Arbeit, die gemeinsam aber schnell bewältigt ist. Nach einem langen Kochnachmittag ist das Fazit der Studierenden eindeutig positiv. „Das Kochen hat wirklich viel Spaß gemacht und das Ergebnis war auch sehr lecker“, meint Elitsa. Thomas ist erstaunt, dass die Behinderten so wenig Unterstützung brauchen. „Ich hätte nie gedacht, dass das Kochen so schnell und reibungslos abläuft. Aber wahrscheinlich kann man die Fähigkeiten von Behinderten schlecht einschätzen, weil man privat eher selten Kontakt zu ihnen hat.“