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Sie sind eine Art Ideenschmiede: die Profilinitiativen an der Universität Bamberg. International renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler planen gemeinsame Forschungsaktivitäten und vernetzen sich in der Universität und mit externen Partnern. Eine Profilinitiative widmet sich Finanzmärkten, Digitalisierung und Gesellschaft, eine andere Geschlechtersensibler Forschung, eine dritte dem Handeln von und in Organisationen und eine vierte Sprachen, Kulturen und Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens.

Finanzmärkte, Digitalisierung und Gesellschaft

Eine der prägendsten Entwicklungen der letzten 40 Jahre ist die steigende Bedeutung des Finanzsektors in den meisten Ländern der Welt – nicht nur in rein ökonomischer, sondern auch in gesellschaftlicher und politischer Hinsicht. Die bedeutenden Entwicklungen im Bereich der Informationstechnologie haben eine zentrale Rolle in diesem Transformationsprozess gespielt. Die fortschreitende Digitalisierung des Wirtschaftssystems birgt viele Chancen, aber auch viele Gefahren hinsichtlich der Rolle des Finanzsystems in der Wirtschaft und Gesellschaft: So kann der Einsatz neuester Informationstechnologie eine effiziente Verteilung von Finanzkapital fördern, birgt aber gleichzeitig die Gefahr, die Entstehung neuer Finanzkrisen zu fördern. Auch die Entstehung von Kryptowährungen, deren Schöpfung sich der staatlichen Kontrolle entzieht, stellt eine große Herausforderung dar. Sie könnte das Zusammenspiel zwischen der Finanzwelt und der realwirtschaftlichen Sphäre grundlegend verändern.

Diese und andere Themen werden von den Mitgliedern der Profilinitiative Finanzmärkte, Digitalisierung und Gesellschaft auf betriebs- und volkswirtschaftlicher, soziologischer, psychologischer, geschichts- und politikwissenschaftlicher Ebene untersucht. Ihre Perspektiven sind dabei sehr unterschiedlich – sie verwenden theoretische, empirische oder auch computerbasierte Verfahren.

Geschlechtersensible Forschung

Eine bessere Diagnose und Therapie von Herzinfarkten, sicherere Städte und verlässlichere Algorithmen, etwa bei Bilderkennungsprogrammen: Das sind nur einige Beispiele, die zeigen, welchen Einfluss die Berücksichtigung der Geschlechterdimension in der Forschung für die Lebensqualität von Menschen haben kann. Innovative Forschung erfordert also – dort, wo es relevant ist – eine Berücksichtigung der Geschlechterperspektive. Über die Disziplinen hinweg findet sich aber noch immer eine Daten- und Wissenslücke, die sich auf eine lange Tradition fehlender Berücksichtigung der Kategorien Geschlecht und Gender in Forschungsfragen zurückführen lässt, und welche schrittweise geschlossen wird.

Um eine differenzierte Antwort auf Forschungsfragen zu erhalten, berücksichtigen die Forschenden Geschlecht und Gender in allen Forschungsphasen: von Studienplanung über Datenerhebung beziehungsweise Materialauswahl bis hin zu Analyse und Interpretation der Befunde. Im Rahmen der Profilinitiative Geschlechtersensible Forschung sollen neue Forschungsfragen gestellt und alte Fragen aus neuem Blickwinkel betrachtet werden. Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit und den Austausch zu geschlechtersensiblen Forschungsmethoden und -designs sollen so Innovation und Exzellenz in der Forschung gefördert und Forschungsergebnisse generiert werden, von denen alle Menschen profitieren können. Mehr über geschlechtersensible Forschung erfahren Sie im uni.blog.

Handeln von und in Organisationen

Die Online-Bestellung wird pünktlich geliefert, verschiedene Kommunikationsmedien sind verfügbar, Klimaziele werden international abgestimmt: Das sind keine Zufälle, sondern die Folgen eines fragilen Gleichgewichts fein abgestimmter Koordinations- und Organisationsprozesse. Organisationen wie Staaten, Unternehmen, Parteien, Kirchen oder künstlerische Initiativen sind wichtig, weil sie das gesamte Leben und die Gesellschaft durchziehen. Sie sind langlebige Gebilde und oft untrennbar mit Technologien verbunden. Um ihre Veränderungsprozesse zu verstehen und zu gestalten, befassen sich Forschende mit dem komplexen Zusammenspiel von Individuum, Struktur und Technologie.

Die Bewältigung dieser Herausforderung geht weit über die Möglichkeiten einzelner wissenschaftlicher Disziplinen hinaus. Ein interdisziplinärer Zugang ist nötig – wie in der Profilinitiative Handeln von und in Organisationen: Die Forschungsgruppe fokussiert sich auf empirische Untersuchungen. Aktuelle Projekte widmen sich insbesondere den Themen Organisationen als kollektive Akteure, Inter-organisationale Beziehungen, Technologie und Netzwerke sowie Strategiearbeit und Führung.

Können Organisationen handeln? Wie entsteht aus dem Zusammenwirken der Mitglieder die Handlungsfähigkeit der Organisation? Wie unterscheiden sich Organisationen von anderen Formen des kollektiven Handelns in sozialen Bewegungen, Gruppen oder Gemeinschaften? Wie schaffen sie es, sich zu koordinieren und auf gemeinsame Herausforderungen auszurichten, trotz der Zusammenhanglosigkeit unterschiedlicher Meinungen und vielfältigen politischen Interessen unter ihren Mitgliedern? Im Alltag nehmen viele Menschen Organisationen ja weniger als Ansammlung von Individuen, sondern als kollektive Akteure war, welche im Innenverhältnis ein geteiltes Zielverständnis und im Außenverhältnis häufig eine klar kommunizierte und verstandene Identität aufweisen. Dies trifft auf politische Parteien genauso zu wie auf global tätige Unternehmen.

Ein zentraler Themenschwerpunkt beschäftigt sich mit konkreten Bedingungen organisationalen Handelns, insbesondere digitalen Technologien, sowie der Bedeutung sozialer Netzwerke und dem Austausch zwischen Organisationen in Wertschöpfungsprozessen. Diese Aspekte werden hier bewusst in ihrem Zusammenspiel gedacht. Die zunehmende Bedeutung sozialer Netzwerke stellt einerseits traditionelle Grenzen von Organisationen in Frage, wird aber andererseits zum Katalysator spontaner Organisationsformen, wie die Koordination von Investoren über soziale Medien zeigt. Diese Dynamiken sind undenkbar ohne digitale Technologien. Die Forschungsprojekte fokussieren deshalb auf die digitalen und sozial vernetzten Prozesse organisationalen Handelns. Gleichzeitig stellt sich die Frage, welche Akteure diese inter-organisationalen Beziehungen ermöglichen.

Organisationen sind ziel-, zweck- und häufig auch wettbewerbsorientiert. Diese Ziele können von vorübergehender Natur sein, wie im Falle von Projekten oder künstlerischen Initiativen. Oder sie bestehen stabil über lange Zeit hinweg, wie dies bei vielen religiösen Organisationen der Fall ist. Eine zentrale Frage lautet: Wie entstehen diese Ziele und wie werden sie legitimiert? Nach welchen Kriterien oder Maximen handeln Organisationen? Welchen Einfluss spielen dabei die verschiedenen sozialen Felder, in denen sich Organisationen oft bewegen? Wie entstehen Wettbewerbsbeziehungen zwischen unterschiedlichen organisationalen Akteuren? Die damit verbundenen Aktivitäten werden häufig als Strategiearbeit bezeichnet. Welche Akteure innerhalb und außerhalb von Organisationen sind Teil dieser Strategiearbeit? Wie unterscheidet sich diese Arbeit in unterschiedlichen Organisationen von Start-ups bis hin zu politischen oder religiösen Institutionen? Diese Fragestellungen beziehen sich insbesondere auf die Führung in Organisationen und darauf, was Führung in unterschiedlichen organisationalen Konstellationen bedeutet.

Sprachen, Kulturen und Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens

Der Nahe und Mittlere Osten ist ein faszinierender Kulturraum. Die Regionen und Kulturen des sogenannten Orients sind islamisch geprägt, worunter im engeren Sinn eine religiöse und im weiteren Sinn eine kulturelle Prägung verstanden wird. Zugleich sind sie Ursprung und Heimat vieler anderer Religionen und Kulturen mit einer Vielzahl an Sprachen und Literaturen, darunter Arabisch, Persisch und Türkisch in all ihren Varianten. Obgleich traditionelle Bezeichnungen wie Orient, Orientalistik oder orientalische Sprachen das Spektrum aktueller Forschung zur Region und ihren Menschen nicht mehr abdecken, sind sie das Erbe, auf dem heutige Forschungsfragen aufbauen.

Im Rahmen einer nach wie vor vorwiegend eurozentrisch ausgerichteten universitären Kulturwissenschaft übernehmen die orientalistischen Fächer ein breites methodologisches Spektrum philologischer, literaturwissenschaftlicher und historischer Forschung bis hinein in politische und geostrategische Perspektiven. Beispiele für aktuelle Fragestellungen der Profilinitiative Sprachen, Kulturen und Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens: Welche Rolle spielen Diaspora-Gesellschaften für die Kulturen der Region? Wie bestimmt Migration die eigene und fremde Wahrnehmung in einer globalen Welt? Welche historischen Erfahrungen prägen die Gesellschaften der Region bis in die Gegenwart?