Stephanie Hofschlaeger/pixelio.de

Robert Schindels Schreiben wider das Vergessen: Als Fährmann Erschwiegenes übersetzen.

Uni Bamberg

Poetikprofessur-Organisatorin Iris Hermann und ihr Gast...

Uni Bamberg

... Robert Schindel.

- Carolin Regler

Eine Sprache finden

Robert Schindel eröffnet Poetikprofessur 2010

„Fährmann sein. Zum Übersetzen von Erschwiegenem“ lautet das Thema der diesjährigen Poetikprofessur mit Robert Schindel. In seinem ersten Abendvortrag sprach er darüber, wie er als Autor der zweiten Generation eine Sprache gefunden hat für das Gedenken an die Shoah.

Eine vielschichtige Wiener Melange: Im Werk des österreichischen Kaffeehausliteraten, bildmächtigen Lyrikers, Romanciers und diesjährigen Poetikprofessors Robert Schindel mischt sich Süßes mit Bitterem. Zu den Tonarten, die er beherrscht, zählen Humor und derber Witz ebenso wie Melancholie oder Trauer bei der Erinnerung an den Holocaust, dem der 1944 geborene beinahe zum Opfer gefallen wäre. Seine Texte kreisen um die Frage der Identität und thematisieren das Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden der zweiten Generation in Österreich. Aber auch für die Liebe, Sinnlichkeit und Alltägliches findet er Worte. Zudem ist Robert Schindel nicht nur Lyriker, sondern auch Romanautor, Dramatiker, Regisseur, Drehbuchautor und Essayist. 

In Bamberg eröffnete Schindel am 1. Juli die Vorlesungsreihe der Poetikprofessur mit Reflexionen über die poetologischen sowie politischen und gesellschaftlichen Aspekte seines Schreibens.

Das Kind österreichischer Kommunisten jüdischer Herkunft

„Robert Schindel wird am 4. April 1944 in Oberösterreich geboren. Seine Eltern sind Wiener, sie sind Kommunisten, Widerstandskämpfer und Juden und kämpfen gegen Hitler, was seinen Schergen nicht unverborgen bleibt. Beide werden von der Gestapo verhaftet, ins Konzentrationslager verbracht, der Vater wird kurz vor Kriegsende in Dachau hingerichtet, seine Mutter aber überlebt. Sie überlebt Auschwitz, kehrt nach Wien zurück und sucht Robert, findet ihn und sie beginnen ihr gemeinsames Leben fast noch einmal neu. – Diese Geschichte erzählt jeder, der über Robert Schindel berichten will.“ Mit diesen Worten begrüßte Dr. Iris Hermann, seit dem Wintersemester 2009/10 Professorin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft, den von ihr eingeladenen Autor, dessen Herkunft und Biografie sein Denken und Schreiben immer geprägt haben.
Robert Schindel konnte seine literarische Begabung zum Beruf machen, ist heute freier Schriftsteller und zudem ordentlicher Professor für Sprachkunst an der Hochschule für angewandte Künste Wien – dem österreichischen Äquivalent des Deutschen Literaturinstituts Leipzig oder des Studiengangs „Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus“ der Universität Hildesheim.

Ein Thema sucht sich einen Autor

Schindel selbst hat sein Schreiben nicht in der Obhut einer derartigen Institution ausgebildet – er musste seinen Weg alleine finden. Als 15-Jähriger habe er begonnen, regelmäßig zu schreiben und mit 17 sei er sich sicher gewesen, Dichter werden zu wollen. Robert Schindel erzählte davon, wie er „als junger Mensch und Kommunist“ Gedichte in Handlungsanleitungen zu übertragen versuchte. Erst mit 35 Jahren habe die Trauer um seine ausgelöschte Familie von ihm Besitz ergriffen. Die Frage, ob man nach Auschwitz noch Gedichte schreiben könne und dürfe und die Reflexion darüber, mit welchen Worten man das Unsagbare ausdrücken kann, beschäftigt den Autor bis heute. „Finde eine Sprache im Gerede!“ ist seine Maxime und sein Anspruch.

Poetisch kompostierte Worthaufen

Robert Schindel las an diesem ersten Bamberger Abend aus seiner Jugendlyrik und schlug mit einer Mischung aus Gedichten und Essayauszügen einen Bogen bis zu dem Romanmanuskript „Der Kalte“, das nach „Gebürtig“ die geplante Trilogie „Die Vorläufigen“ fortsetzen soll. Er bewies nicht nur, dass er ein begeisterter und begeisternder Vortragender ist, sondern auch, dass er trotz der Schwere seiner Themen ein äußerst humorvoller Mensch ist. „Die Lyrik Schindels resigniert nicht, sie verzweifelt nur und lacht dabei über sich selbst.“ hatte Prof. Iris Hermann bereits in ihrer Einleitung zu Recht angekündigt. Im abschließenden Gespräch mit dem Publikum zeigte er sich selbstironisch: Gedichte entstünden dadurch, dass er Worthaufen poetisch kompostiere und die Anonymität des Kaffeehauses habe er zwar als Jugendlicher für den „intimen Vorgang“ der Gedichtproduktion gebraucht, sich dieses zeitraubende Ritual mittlerweile aber aus Altersgründen abgewöhnt.