Was stand am Anfang? Macht die Kultur den Mensch zum Menschen? - Hans Lenk zum Auftakt der Bamberger Hegelwoche 2009. (Bilder: Marcus Hoffmann)

Im Gespräch (v. l.): der Organisator der Hegelwoche Christian Illies, FT-Herausgeber Helmuth Jungbauer, der Referent des Abends Hans Lenk, Universitätspräsident Godehard Ruppert und Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke.

"Kultur aus Natur - ein Thema, das unsere Urgroßeltern noch in Aufregung versetzt hätte", so Christian Illies bei seiner Einführung.

Roland Simon-Schaefer, langjähriger Organisator der Hegelwoche, durfte auch dieses Jahr nicht fehlen.

- Nils Ebert

Der Mensch, das flexible Vielfachwesen

Die Hegelwoche 2009 widmete sich den Anfängen des Menschen

„Was ist der Mensch?“ fragte Kant. Ist es allein die Kultur, die den Menschen von anderen Lebewesen abgrenzt? Zur Eröffnung der Bamberger Hegelwoche versuchte der Philosoph Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Lenk eine zentrale Frage der Menschheit zu beantworten.

„Diese Veranstaltungsreihe ist zu einem Erfolgsmodell und Aushängeschild für den Kultur- und Wissenschaftsstandort Bamberg avanciert“, war Dr. Helmuth Jungbauer, Herausgeber des Fränkischen Tags, bei der Eröffnung der 20. Bamberger Hegelwoche überzeugt. In der AULA der Universität betonte er den Anspruch der Hegelwoche, philosophische Fragen einer breiten Öffentlichkeit nahe zu bringen, Philosophie zum Anfassen zu bieten.

Anschließend führte Prof. Dr. Christian Illies, Inhaber des Bamberger Lehrstuhls für Philosophie II und Organisator der Hegelwoche, in das diesjährige Thema ein: „Kultur aus Natur“. In seinen Facetten ein Thema, das die Generation unserer Urgroßeltern wohl noch in Aufruhr versetzt hätte: „Der Mensch ist tierisch, durch das Tierhafte geprägt“, so Illies. Der 200. Geburtstag Darwins und der 150. Jahrestag der Veröffentlichung seines Hauptwerks „Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl” gebe Anlass, nach den biologischen Wurzeln der Kultur und Tradition des Menschen zu fragen.

In diesem Zusammenhang sei die Hegelwoche von grundlegender Notwendigkeit. Nur durch diese könne der Mensch sich selbst verstehen, fügte Illies pointiert hinzu. In Referent Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Lenk habe man für die Auftaktveranstaltung einen Meister des Verstehens gefunden. Der Philosoph war auch Spitzensportler und 1960 Olympiasieger im Rudern. So stellte Illies Lenk als ein außerordentlich „flexibles Vielfachwesen“ vor und nahm dabei Bezug auf ein im Herbst erscheinendes Werk des Philosophen, das eine Einführung in die moderne philosophische Anthropologie gibt und ebenjenen Titel trägt.

Die Suche nach dem Anfang

„Im Anfang war das Wort“ begann Lenk seinen Vortrag. Bereits Goethes Faust hinterfragte aber diese Übersetzung aus dem Johannes-Evangelium. Über die Variante „Im Anfang war der Sinn“ gelangt Faust zu der Lösung „Im Anfang war die Tat“. 2007 titelte der Spiegel hingegen „Am Anfang war die Kunst“. Wo nun aber ist der Anfang, der erste Schritt zur Menschwerdung zu lokalisieren? Hans Lenk hatte es im Titel seines Vortrags bereits angedeutet: „Am Anfang waren die Südaffen“. Lenk widmete sich der Frage nach den Ursprüngen der menschlichen Kultur in der Natur. Dabei hob er zunächst hervor, dass die Evolution des Menschen nicht als zielgerichtet, sondern vielmehr als Prozess, der sich im Kampf ums Überleben ergab, zu begreifen sei.

Lenk untermauerte die „Out-of-Africa“-These, nach der die Menschheit ihren Ursprung in Afrika gefunden habe. Verschiedene paläoanthropologisch ermittelte Vorfahren des Menschen rückten in sein Blickfeld, von denen sich viele bereits an der Grenze zur Menschwerdung befanden. Als grundlegende Kriterien für eine erste Homo-Form gelten aber: Technik, aufrechter Gang, Sprache, Kunst, kurz TASK. „Der heutige Mensch ist schließlich ‚Multitasking’- fähig“, fügte Lenk mit einem Lächeln hinzu. In der Folge präsentierte der Philosoph frühzeitliche Formen menschlicher Kunst. Figuren und Felsmalereien, die zum Teil über 50.000 Jahre alt seien, genügten bereits ästhetischen Kriterien. Auch zu Musik sei der Mensch sehr früh fähig gewesen, wie der Fund einer Knochenflöte belege, deren Alter auf 30.000 bis 40.000 Jahre geschätzt werde.

Ein Metastufenwesen par excellence

Ob aber erst oder nur die Kunst den Menschen von anderen Lebewesen unterscheide, sei eine nach wie vor offene Frage. Die Kantische Frage „Was ist der Mensch?“ sei keineswegs ausreichend beantwortet. Lenk verdeutlichte dies, indem er verschiedene Positionen zu der Frage, welche Merkmale als spezifisch menschlich zu gelten haben, zusammentrug. Überblicksartig wurden Ansichten über die Merkmale des Menschen heraus- und einander gegenübergestellt. So mache die Möglichkeit, nach Gründen und Ursachen zu suchen, den Menschen zum einzigen rational agierenden Wesen. Zugleich strebe der Mensch als Sprach- und Geistwesen nach Wissen und stelle Zusammenhänge her. Zwar sei er nicht das einzige lachende Wesen, habe aber allein die Fähigkeit zu Humor und Selbstironie. Demgegenüber hob Lenk hervor, dass der Mensch bei weitem nicht die einzige Spezies sei, die Werkzeuge verwende. Eine in Kamerun anzutreffende Schimpansenart bediene sich sogar bestimmter Werkzeuge, um andere Werkzeuge herzustellen.

Abschließend akzentuierte Lenk die für ihn zentrale Merkmalsbestimmung: der Mensch als Wesen der Rechtfertigung. Als einziges Wesen sei der Mensch zur Wissenschaftstheorie fähig, könne über angewandte Methoden reflektieren. Der Mensch sei das Metastufenwesen par excellence: seine Interpretationen könne er selbst wieder interpretieren. Er trete als ein flexibles Vielfachwesen auf. Illies schloss den Vortragsabend mit einer weiteren treffenden Definition des Menschlichen: „Der Mensch ist das einzige Wesen, das zwei Millionen Jahre innerhalb von einer Stunde zusammenfassen kann.“

Die Bamberger Hegelwoche 2009

Auch die beiden weiteren Vortragsabende der Hegelwoche versuchten, grundlegende Fragen der Menschheit zu beantworten. Am 24. Juni widmete sich Robert Spaemann der Frage „Was heißt: Kunst ahmt die Natur nach?“. Am 25. Juni führten Volker Sommer und Wolfgang Welsch ein Streitgespräch über Natur in der Kultur. Die Seite zur diesjährigen Hegelwoche finden Sie unter www.uni-bamberg.de/events/hegelwoche/hegelwoche_2009/. Dort können Sie in Kürze auch Bildergalerien und Videomitschnitte abrufen.