Amanda Hülsenbusch, Anna Dicker und Riccardo Schreck (v.l.) von CHANGE e.V. haben kreative Ideen für einen Wandel und präsentierten diese gemeinsam mit anderen studentischen Initiativen und Vereinen auf dem Markt der Möglichkeiten. (Foto: Julia Kerzel)

BWL-Professor und Mitorganisator des Hochschultags Björn Ivens führte vor übervollem Hörsaal in das Thema ein. Später zog der Hochschultag aus Platzgründen in das größere Audimax. (Fotos: Monica Fröhlich)

Die Autorin Petra Pinzler reflektierte den "Wachstumswahn" kritisch.

„Wir bewegen uns in einer sehr parasitären, schmarotzenden Gesellschaft“

Hochschultag Ökosoziale Marktwirtschaft und Nachhaltigkeit

Wissenschaftliche Beiträge und Beispiele nachhaltiger Lebensweisen, präsentiert in Impulsreferaten, Keynote-Speeches, Diskussionen und einem Markt der Möglichkeiten: Der zweite öffentliche Hochschultag Ökosoziale Marktwirtschaft und Nachhaltigkeit der Universität Bamberg bot den Besucherinnen und Besuchern viele Denkanstöße.

Zum zweiten Hochschultag am 14. Mai 2014 unter der Fragestellung „Was soll die Wirtschaft: Wachsen, Schrumpfen oder Grünen?“ wurden die Erwartungen der beiden Veranstalter weit übertroffen. Sowohl das „Praxisforum an der Universität Bamberg - Arbeitskreis für Wirtschaft und Wissenschaft e.V. " als auch CHANGE e. V. und alle Mitorganisatorinnen und  -organisatoren freuten sich, dass die Vorträge der zum größten Teil wachstumskritischen Expertinnen und Experten ein so großes Publikum in ihren Bann zogen. Trotz eines Umzugs in das Audimax reichten bis zum Ende des Tages die Sitzplätze nicht aus.

„Die Hochschulen werden sich ändern müssen“

Präsident Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert machte in seiner Begrüßung deutlich, dass sich Hochschulen in Deutschland selten Gedanken über Nachhaltigkeit und Energie machten oder dafür ein Konzept hätten. „Das wird sich ändern müssen“, meinte er. Denn Hochschulen seien letztlich auch ein Spiegelbild der Gesellschaft. Außerdem sei nachhaltige Entwicklung „ein Thema dieser Universität“, mit dem sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Fakultäten auseinandersetzen sollten und dem auch in Zukunft eine große Bedeutung zukomme.

„Glücklich ohne Geld“

Kernstück des Hochschultages waren neben einem Markt der Möglichkeiten, auf dem studentische Initiativen und Vereine ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Gesellschaft vorstellten, die Impulsreferate, Keynote-Speeches und Vorträge renommierter Expertinnen und Experten. Dabei ging es keineswegs nur um Geld, sondern auch und vor allem um Glück. Petra Pinzler von der ZEIT, Autorin von „Immer mehr ist nicht genug“, eröffnete den Hochschultag mit einem Plädoyer für Selbstreflexion: Hilfreich sei gemeinhin, nach den Faktoren für Lebensqualität zu fragen. So käme man dem Glück auf sehr konkrete Weise näher.

Raphael Fellmer, Autor von "Glücklich ohne Geld. Wie ich ohne einen Cent besser und ökologischer lebe", setzte sich mit der Frage auseinander: „Wie kann ich mich geldfrei entfalten?“ Als Antwort darauf stellte er seinen nachhaltigen Lebensstil vor: Er lebt seit 2010 mit Frau und Kind als Lebenskünstler im Geldstreik, für seinen Traum von einer Welt ohne Geld. Dank Kleider- und Sachspenden von Freunden sowie von Supermärkten entsorgten Lebensmitteln kann die Familie ein autarkes Leben führen. Sie tut das bewusst „in einer sehr parasitären, schmarotzenden Gesellschaft“, wie Fellmer im Hinblick auf den ökologischen Fußabdruck eines jeden Einzelnen bemerkte. Fellmer selbst, der viel in seinem Leben gereist ist, „fühlt sich sehr verantwortlich für die aktuelle Misere“.

Auch Ralf Becker, als Mitglied des Vereins „Christen für eine gerechte Wirtschaftsordnung e.V.“, machte sich lange Zeit Gedanken über den Sinn des Geldes und kam so zu der christlichen Gemeinschaft, in der er seit über sieben Jahren lebt. Becker plädierte untern anderem für Zinsfreiheit, um einen Übergang von der kapitalistischen zu einer ausbalancierten Gesellschaft zu erreichen.

„Es gibt viel zu wenig Beispiele von Menschen, die nicht nur Wasser predigen, sondern es auch trinken“

Prof. Dr. Niko Paech von der Universität Oldenburg war begeistert von Vorreitern wie Raphael Fellmer, den er auf dem Weg hin zu der von ihm als wissenschaftliches Modell entwickelten und postulierten Postwachstumsökonomie schon über der Ziellinie angekommen sieht. „Es gibt viel zu wenig Beispiele von Menschen, die nicht nur Wasser predigen, sondern es auch trinken“, kritisierte Paech, in dessen Idee von einer schrumpfenden Wirtschaft eine Elite als „Übungsbeispiel“ für die restliche Gesellschaft in vorbildlicher Weise vorangehen soll.

Prof. Dr. Werner Wild, Experte für Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement von der Technischen Hochschule Nürnberg, stellte zwei verschiedene Denkrichtungen vor, die sich in der Grundkontroverse um eine kritische, nachhaltige Perspektive auf die Wirtschaft, gebildet haben: Einerseits die auch in der Politik dominierende Gruppe der Befürworter effizienterer, grüner Technologien und andererseits die Mahner, die davon überzeugt sind, dass dies auf Dauer unseren Planeten nicht retten kann, solange nicht auch ein bescheidenerer, umweltschonender Lebensstil Platz greift. Es bleibe die Frage der Anschlussfähigkeit an andere Länder bestehen und welche Veränderung in Form eines demokratischen Prozesses umsetzbar sei.

Markt der Möglichkeiten

„Be the change you want to see in the world“: Mit philosophisch-provokanten Sprüchen zog einer der Mitorganisatoren des Hochschultags, der CHANGE e.V., viele Besucherinnen und Besucher auf den Markt der Möglichkeiten.

Im kommenden Jahr wird der Hochschultag am 13. Mai 2015 stattfinden. Das Thema wird im Bereich Verantwortung liegen. Als erster Referent hat bereits der jetzige Landesbischof und ehemalige Inhaber des Lehrstuhls für Evangelische Theologie mit dem Schwerpunkt Systematische Theologie und theologische Gegenwartsfragen Heinrich Bedford-Strohm zugesagt.

Hinweis

Diesen Text verfasste Julia Kerzel für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

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