„Das ist ja generell die große Herausforderung in den Naturwissenschaften: Komplexe Inhalte in komprimierter Form so zu vermitteln, dass jeder sie versteht“, so Jorge Groß. (Fotos: Hendrik Steffens)

Im Podcast-Seminar lernen angehende Lehrkräfte, Neue Medien im Unterricht zu nutzen.

Kamera und Schnittprogramme gehören ebenso zur Ausbildung ...

... wie die Konzepte für die Kurzfilme.

Komplexe Inhalte verständlich gestalten

Didaktik der Naturwissenschaften experimentiert mit neuen Lernformen

Biologen, Chemiker und Physiker experimentieren gerne und wollen damit die Welt erklären: Bienentanz und Glimmspan-Test, Lichtbrechung und Fehling-Probe. Auch die Professur für Didaktik der Naturwissenschaften nutzt diese Versuche – und experimentiert mit alternativen Lernformen und Neuen Medien: Sie arbeitet mit Rollenspielen im „fachdidaktischen Doppeldecker“ und will Podcasts etablieren.

Die sogenannte Fehling-Probe dient zum Nachweis von Reduktionsmitteln wie reduzierendem Zucker. Zur Durchführung verwendet man eine verdünnte Kupfer(II)-sulfat-Lösung und eine alkalische Kaliumnatriumtartrat-Lösung. Schon eingeschlafen? An der Professur für Didaktik der Naturwissenschaften lernen angehende Lehrkräfte, wie man Fachinhalte zielführender aufbereitet. Seit März 2012 leitet Prof. Dr. Jorge Groß die Professur und hat einige Neuerungen eingeführt. „Das ist ja generell die große Herausforderung in den Naturwissenschaften: Komplexe Inhalte in komprimierter Form so zu vermitteln, dass jeder sie versteht“, erklärt er. Kerngedanke seines Lehrkonzepts ist deshalb der „fachdidaktische Doppeldecker“: Die Studierenden schlüpfen abwechselnd in die Rolle von Lernenden und Lehrenden und üben damit bereits in der Universität die schulische Situation.

„Von der Technik überrollt“

Wenn Jorge Groß über neue Lehr- und Lernformate spricht, denkt er also meist in größeren Kategorien. Seine „Podcastlinge“, wie er die 12 Studierenden in seinem Seminar „Podcasts in den Fachdidaktiken Biologie, Chemie und Physik“ gerne nennt, sollen neben der Vermittlungskompetenz technisch begreifen, wie man Videos dreht. Welche Aufnahmegeräte und Schnittprogramme gibt es beispielsweise? „Aber sie sollen auch erfahren, wie sie solche Lernangebote im Bereich der Neuen Medien später in ihren Schulen einsetzen können, entweder von ihnen gedreht oder als Projekt mit den Schülern“, so der Professor.

Sind Podcasts erst einmal etabliert, dauert so eine Umsetzung nicht viel länger als die Herstellung eines Plakats, weiß Jorge Groß aus seiner Zeit als Lehrer: je nach technischem Aufwand etwa eine Stunde. Und zusätzlich entwickeln die angehenden Lehrkräfte durch das Podcast-Seminar selbst Medienkompetenz: „Technik ist zunächst einmal eine Hürde. Jeder erinnert sich doch an die Schulsituation, wenn eine Lehrkraft nicht mit dem Videorecorder zurechtkam und die Schüler feixend zugesehen haben“, erzählt der Didaktiker. Zu seinem Seminar kämen erfreulicherweise gerade auch Studierende, die noch nie einen Beamer zum Laufen gebracht hätten. „Die Lehramtsstudierenden werden heute von der Technik geradezu überrollt. Wir müssen ihnen hier zeigen, wie das funktioniert, denn wenn wir es nicht machen, macht es keiner!“ Das war auch für die Grundschul-Lehramtsstudentin Julia Gebhardt der Hauptgrund für dieses Seminar: „Wenn man nicht hineingewachsen ist, bekommt man nur schwer Zugang zur Welt der Technik. Nicht weil man sich zu blöd anstellt, sondern weil ganz grundlegende Informationen fehlen.“ Das Seminar sieht sie deshalb als Chance, auch einmal Grundlagenfragen zu klären, ohne sich damit zu blamieren. „Damit lerne ich was fürs Leben!“

Reflektierter Einsatz von Neuen Medien

Die Konzeptideen für die Podcasts fielen allen Teilnehmenden leicht, eine Skizze auf einem Blatt Papier reiche meist, erzählt Jorge Groß. „Diese Generation ist mit Neuen Medien aufgewachsen. Sie ist es gewohnt, Inhalte zu posten.“ Julia Gebhardt hat selbst schon über ihre Erfahrungen bei einem Auslandsaufenthalt gebloggt. Die größte Herausforderung sei dabei tatsächlich nicht der Inhalt, sondern das Layout gewesen. „Zur Medienkompetenz gehört aber nicht nur der – häufig unreflektierte – Einsatz der Medien, sondern eben auch die Fähigkeit, mit der Technik kritisch umzugehen.“ Hierzu vernetzt sich Groß mit anderen Standorten wie beispielsweise der Universität Hannover und lässt im Rahmen einer Promotion erforschen, wie Neue Medien in Schulen sinnvoll eingesetzt werden. Trotz der technischen Möglichkeiten im Institut stehen daher traditionelle und bewährte Arbeitsmittel wie Tafel und Modelle häufig im Fokus der Lehramtsausbildung. Auch Julia Gebhardt sieht die Neuen Medien nur als eine Ergänzung: „Für viele Unterrichtssituationen braucht man das nicht. In der Grundschule könnte ich mir vielleicht ein Video über eine Klassenfahrt vorstellen. Die Schüler lernen dabei, im Team zu arbeiten.“

Lernen, ohne es zu merken

Zurück zur Fehling-Probe: Ein Videoprojekt hat sich mit diesem Schülerexperiment beschäftigt. Marco Fett und Manuel Krause führten das Experiment durch und fotografierten sich dabei. Die Fotos schnitten sie dann mit Textkommentaren und Spezialeffekten zu einem Film über „Sicheres Experimentieren“ zusammen – ein Experiment bewusst und gezielt schiefgehen zu lassen, wäre zu gefährlich gewesen. Die zwei Studenten haben viel Inhalt in den knapp vierminütigen Film gesteckt: Was ist die Fehling-Probe überhaupt und wie führt man sie durch? Wichtig zudem: Welche Sicherheitsvorkehrungen sollte man treffen? Was ist zu tun, wenn etwas passiert ist? Sie führen Notfallduschen und Reagenzglasklammern ein, Siedeverzug und Schutzbrillen. Die Zuschauer lernen ganz automatisch etwas, obwohl – oder vielleicht gerade – weil sie nicht bemerken, dass sie lernen.

Hauptschul-Lehramtsstudent André Feiler weiß: „Wir können mit wenig technischem Aufwand Podcasts drehen. Wir brauchen nur ein Aufnahmegerät, einen Rechner und einen Internetzugang.“ Vor der Kamera fühlt André Feiler sich wohler, Julia Gebhardt steht lieber hinter der Kamera. Die beiden haben eine Video-Idee für einen virtuellen Geologie-Lehrpfad am Staffelberg entwickelt. „Podcasts sind eine Möglichkeit, sich kreativ auszudrücken. Das gilt für uns selbst wie für unsere zukünftigen Schüler“, sind sie sich sicher. Für Feiler ist das Podcast-Seminar – neben Lehrveranstaltungen von abgeordneten Lehrkräften – ein wichtiger Baustein, um sich praktisch auf das spätere Berufsleben als Lehrer vorzubereiten. Er hofft darauf, dass die fachdidaktischen Podcasts fortgesetzt werden. Auch als Alumnus und Lehrer würde er nämlich gerne auf das aktuelle und zukünftige Videomaterial zugreifen.

Flexible Lernprozesse erforderlich

Andere Lehrstühle hätten bereits nachgefragt, was seine Professur mit den Podcasts plane und wie er sie umsetze, erzählt Jorge Groß. Noch sei das Interesse an diesem Experiment aber verhalten. Der Professor hat eine Vision für die Universität Bamberg: Dass sie sich und ihr Lehrangebot doch einmal auf einer größeren Podcast-Plattform präsentieren würde. „Bisher gibt es dafür aber zu wenige Inhalte. Einige Kolleginnen und Kollegen haben auch noch rechtliche Bedenken.“ Dabei ermöglichen Podcasts ein zeit- und ortsunabhängiges Lernen und sind damit ein wichtiges Instrument, um Lernprozesse in Zeiten der Teilzeitstudiengänge und der familienfreundlichen Hochschulen flexibler zu gestalten.

Hinweis

Diesen Text verfasste Katja Hirnickel für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

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