Barbara Drechsel hat das Projekt LuPe 2012 ins Leben gerufen. Sie weiß: "Für die Leseförderung braucht es gut ausgebildete Lehrkräfte." (Fotos: Andrea Lösel)

In der ersten Sitzung fand Studentin Lisa Peschke mithilfe eines selbstgebastelten Leseausweises Leons Lesegewohnheiten heraus....

...für die folgenden Förderungseinheiten dachte sie sich viele kreative Aufgaben aus.

Lesen lehren lässt sich lernen

Projekt LuPe coacht Studierende rund ums Thema Leseförderung

Spätestens seit der Pisa-Studie 2000 gilt Leseförderung als bildungspolitisches Anliegen. Was fehlt, sind Lehrkräfte mit dem entsprechenden Know-how in der Lesekompetenz-Förderung. Abhilfe schafft seit dem Wintersemester 2012/13 das Projekt LuPe, das Lehramtsstudierende Praxiserfahrung sammeln lässt.

Die Pisa-Studie 2000 blieb in Deutschland lange als Bildungsdebakel in aller Munde. In sämtlichen Kategorien belegten die deutschen Schulkinder hintere Ränge, bei der Lesekompetenz waren sie sogar auf Rang 21 zurückgefallen – weit abgeschlagen hinter ihren Kollegen aus Finnland, Kanada und Neuseeland. Der Pisa-Schock rief die deutsche Bildungspolitik auf den Plan. „Lesekompetenz wurde als bildungspolitisches Anliegen definiert“, erklärt Barbara Drechsel, Professorin für Psychologische Grundlagen in Schule und Unterricht. Dessen Umsetzung in die Praxis jedoch erweist sich als schwierig. „Es gibt kaum Lehrer, die speziell für Leseförderung ausgebildet sind“, stellt Drechsel heraus. Diesem Missstand begegnet das Projekt LuPe (Leseförderung und Praxiserfahrung).

Leseförderung als Thema aller Schularten

Seit dem Wintersemester 2012/13 werden im Rahmen des Projekts jedes Semester Lehramtsstudierende rund ums Thema Leseförderung gecoached. Vorrangig richtet sich das Projekt LuPe an Grundschullehramtsstudierende. „Aber auch Lehramtsstudierende anderer Schularten können von dem Projekt nur profitieren“, betont Drechsel. Schließlich spielt Leseförderung auch in der Sekundarstufe eine Rolle – wenn es etwa um Themen wie effizientes Lesen geht. „Zudem ist Leseförderung ein fächerübergreifendes Anliegen – nicht nur der Deutschdidaktik“, erklärt Drechsel die Bedeutung von Lesekompetenz: „Lesekompetenz zielt nicht nur auf das Verständnis von literarischen, sondern auch von Fachtexten ab.“

Bei LuPe befassen sich jedes Semester rund 15 Studierende zunächst in Blocksitzungen mit den theoretischen Grundlagen von Lesekompetenz. Hier geht es um Fragen wie: Was ist Leseverständnis? Welche kognitionspsychologischen Prozesse stehen dahinter? Welche Fördermaßnahmen zur Verbesserung der Lesekompetenz gibt es? Dem theoretischen Input folgt die Erprobung in der Praxis. „Ich konnte direkt ausprobieren, was ich zuvor theoretisch gelernt hatte“, resümiert Lisa Peschke, Teilnehmerin der ersten Projektrunde im Wintersemester 2012/13. Geringer Praxisbezug? Beim Projekt LuPe Fehlanzeige. Das Projekt führte Lisa und ihre Kommilitonen an die Bamberger Erlösermittelschule. Dort wurde jedem Teilnehmer eine Schülerin oder ein Schüler der 5. bzw. 6. Jahrgangsstufe zugeteilt. Die Studierenden führten fünf Sitzungen à 90 Minuten mit ihren jeweiligen Leseschülern durch. Lisa erklärt: „Das methodisch-didaktische Programm der Förderstunden entwickelten wir selbst. Im Seminar hatten wir einen Überblick über diverse Fördermaßnahmen erhalten – nun mussten wir diese adaptiv auf unsere Leseschüler zurechtschneiden. Nicht zuletzt konnten wir dadurch unsere diagnostischen Kompetenzen schulen.“ Bei Lisas Leseschüler, dem 10-jährigen Leon* (Name geändert), haperte es vor allem an der Leseflüssigkeit. Mithilfe eines selbstgestalteten Leseausweises fand sie Leons Lesegewohnheiten heraus und stellte fest: Er mag vor allem die Abenteuergeschichte des Detektiv-Trios „Die Drei ???“. Für die folgenden vier Förderungseinheiten erdachte sie sich Textoberkommissar Udo – fortan befand sich Leon in Detektivausbildung, bekam jede Sitzung Briefe von Udo mit kniffligen Leseaufgaben, von Lisa eigens auf Leons Lesefertigkeiten zugeschnitten. Bei einigen der Lesestücke griff Lisa auf ein Aufnahmegerät zurück: „So konnte Leon selbst sehen, was er schon gut bzw. wo er sich noch verbessern kann.“ Am Ende der fünften Sitzung erhielt Leon eine Urkunde: Detektivausbildung bestanden.

Auswertungsrunde als dritter Bestandteil

Für die Studierenden hingegen war nach der fünften Leseeinheit noch lange nicht Schluss. Den dritten wichtigen Bestandteil des Projekts bildete die Auswertung der Einzelförderungsstunden. Mittels eines Videogeräts bzw. teilnehmender Beobachtung hatte jeder von ihnen eine Lesesitzung aufgezeichnet. Einzelne Sequenzen wurden im Rahmen eines 360°-Feedbackzirkels besprochen. „So konnte ich herausfinden, wo ich beispielsweise zu schnell gesprochen oder dem Schüler vielleicht nicht genug Zeit gegeben hatte“, erklärt Lisa. Inzwischen hat sie ihre Leseeinheiten in einem noch umfangreicheren Schriftstück ausgewertet: Sie verfasste ihre Zulassungsarbeit zum Projekt LuPe. Unter dem Titel „Entwicklung und Erprobung von Leseförderungssequenzen im Projekt LuPe“ hat sie ihre Leseförderungsstunden mit Leon anhand verschiedener Gesichtspunkte kritisch reflektiert und ausgewertet.

Begeisterung der Schüler fürs Lesen

„Wir haben mit der Erlöserschule eine hervorragende Kooperationsschule gefunden“, so Drechsel. Schulleiter Eugen Kügler war von Beginn an Unterstützer des Projekts. Auch Lisa lobt die Zusammenarbeit mit der Schule und dem Lehrerkollegium: „Ich habe mich sofort als Kollegin willkommen geheißen gefühlt – und auch von den Gesprächen im Lehrerzimmer stark profitiert.“ Umgekehrt ist auch die Erlöserschule zufrieden mit dem Projektablauf: Die Klassenlehrerin berichtete, dass durch die Leseförderungsstunden in der Klasse ein positivere Einstellung der Schüler zum Thema Lesen entstanden sei.

„Die Studierenden wissen jetzt sehr gut Bescheid zum Thema Lesekompetenz“, fasst Drechsel den Erfolg des Projekts zusammen. Daher sucht Drechsel gemeinsam mit der Erlösermittelschule gegenwärtig nach Möglichkeiten, die Leseförderungsstunden auch außerhalb des Projekts fortzuführen um den Schülerinnen und Schülern mehr als fünf Stunden Förderung zu ermöglichen – dazu gehört die Suche nach Sponsoren für das Projekt. Auch Lisa bekennt „Ich fände es super, wenn es noch weitergeht.“ Eins steht jedoch bereits jetzt für sie fest: „Das LuPe-Projekt gehört zu den Seminaren, wo ich wirklich etwas mitnehmen konnte -  auch in zehn Jahren werde ich davon im Unterricht noch etwas an meine Schüler weitergeben können.“

Kontakt für Rückfragen:

Prof. Dr. Barbara Drechsel
Professur für Psychologische Grundlagen in Schule und Unterricht an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Tel.: +49 (0)951/ 863- 1957
Tel.: +49(0)951/ 863- 1804 (Sekretariat)
E-Mail: barbara.drechsel@uni-bamberg.de

Hinweis

Diesen Text verfasste Andrea Lösel für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

Bei Fragen oder Bilderwünschen kontaktieren Sie die Pressestelle bitte unter der Mailadresse medien@uni-bamberg.de oder Tel: 0951-863 1023.