Martin Haase erklärte den Kindern die Zahlen in unterschiedlichen Sprachen (Fotos: Barbara Herbst/Fränkischer Tag)

Wie heißt 38 auf Esperanto?

Begeistert zählten die Kinder auf anderen Sprachen mit.

Eins, zwei – viele Sprachen

Bei der 1. Kinder-Uni-Vorlesung lernten die Kinder alles über Zahlen in anderen Sprachen

Bei der ersten Kinderuni-Vorlesung in diesem Sommersemester drehte sich alles um Sprachen. Martin Haase erklärte den Kindern, wie in anderen Sprachen gezählt wird - auch in der Gebärdensprache.

Martin Haase steht vorne am Pult und macht ganz komische Zeichen. Er fasst sich an die Nase, bewegt die Finger dann zur Seite und lässt sie wie ein Insekt fliegen. Doch der Professor für Sprachwissenschaft ist kein Pantomime. Denn das, was er da am Samstag bei der Kinder- Uni-Vorlesung an der Universität Bamberg vormachte, ist Gebärdensprache. Damit verständigen sich Menschen, die weder hören noch sprechen können. In Deutschland beherrschen die Gebärdensprache ungefähr 200 000 Menschen, weiß der Professor.

Die Kinder kennen viele Sprachen

Von den 90 Kindern, die zu der Vorlesung gekommen sind, kann keines diese Sprache. Dafür beherrschen aber erstaunlich viele kleine Studenten andere fremde Sprachen: Die Kinder melden sich fleißig, als der Professor fragt, wer denn in anderen Sprachen außer Deutsch auf zehn zählen kann. Da gehen viele Finger hoch. Dann wird fleißig gezählt: Auf Englisch und Französisch, klar das beherrschen noch relativ viele. Dann aber kommen Spanisch, Latein, Finnisch, Russisch und sogar Japanisch dazu. Toll, was die Kinder schon alles können. Doch, sagt Martin Haase, die Zählsysteme der Sprachen sind alle recht unterschiedlich. Darum sollte es auch in der Vorlesung gehen: Warum gibt es so viele Sprachen? Und wie wird in diesen verschiedenen Sprachen gezählt?

Zehner- und Fünfersystem

Angefangen hat Professor Haase mit der deutschen Sprache, weil alle kleinen Studenten sie beherrschen. Aber warum tun sie das? Na, weil sie alle von dem gleichen Flecken Erde stammen. Damit wäre schon die Frage geklärt, warum es so viele verschiedene Sprachen gibt. Antwort: Weil die Menschen so weit voneinander entfernt auf der Erde leben – und deshalb kaum Kontakt zueinander haben. So haben sich über 7000 Sprachen entwickelt. Die Menschen an den unterschiedlichen Orten der Erde zählen deshalb auch auf unterschiedliche Weise. Am weitesten verbreitet ist das Dezimal- oder Zehnersystem, bei dem werden die Zahlen eins bis zehn verwendet. Das haben wir im Deutschen auch.

Ab der Zahl zehn wird es aber irgendwie unregelmäßig, wenn wir in unserer Sprache zählen. Das hat der Professor mit den Kindern festgestellt: Wenn unser Zählsystem regelmäßig wäre, müssten wir anstatt elf und zwölf doch eigentlich einszehn und zweizehn sagen – das tun wir aber nicht. Das Zählen auf Deutsch ist deshalb so schwierig. Und das ist in vielen anderen Sprachen nicht anders. Außer wenn man Esperanto spricht. In der Sprache ist das Zählen im Dezimalsystem sehr leicht. 38 heißt zum Beispiel „tri (=3) dek (=10) ok (=8)“. Ganz einfach ist das für Menschen, die die Sprache lernen wollen. Im Deutschen ist das viel komplizierter: „Achtunddreißig“ sagen wir. Wie umständlich! Wir könnten doch einfach auch „drei-zehn-acht“ sagen, oder?

Wolof sprechen sie im Senegal

Es gibt auch andere Sprachen, die sogar nur im Fünfersystem zählen. Das ist auch einfacher zu lernen als das Zählen auf Deutsch. Zum Beispiel gibt es die Sprache Wolof, die kennen nur ganz wenige Menschen. Vor allem im Senegal, in Westafrika, wird die Sprache gesprochen. Und da wird immer fünf als Basis genommen. Also, wenn man 81 auf Wolof sagen will, dann sagt man 5 (juroom) + 3 (natt) + 10 (fukk) + 1 (benn) und das ergibt 81 (siehe rechtes Bild). Wir sagen im Deutschen „einundachtzig“. Ist das nicht viel komplizierter? Das einfachere Fünfersystem, das es meist in der Nähe des Äquators gibt, kommt daher, weil wir fünf Finger an der Hand haben. Die Menschen haben ihre Finger zur Hilfe genommen, um zu zählen.

Und in der deutschen Gebärdensprache, die Martin Haase den Kindern in der Vorlesung gezeigt hat, wird nichts anderes gemacht. Da zählt man auch mit den Händen. Allerdings wird das Zählen in den meisten Sprachen schwieriger, je größer die Zahlen werden. Denn wie stellt man eine Milliarde nur mit zwei Händen dar? Puh! Ist das kompliziert! Die Sprache vereinfachen wollte deshalb im Jahr 2001 die Kanadierin Sonja Elen Kisa. Sie hat die Plansprache „Tokipona“ entwickelt. Die Sprache hat nur 123 Wörter insgesamt – im Vergleich: Im Deutschen haben wir Hunderttausende Wörter. Zahlen gibt es auf Tokipona auch nur vier: 0, 1, 2 und 5.Und wenn die Zahl zu groß wird, dann sagt man einfach: „mute“. Das bedeutet „viel“. Na also: So einfach kann es gehen!

Hinweis

Dieser Artikel von Sebastian Martin erschien am 29. April 2014 im Fränkischen Tag und wurde mit freundlicher Genehmigung des Fränkischen Tages veröffentlicht.