Wachstafeln zum Ausprobieren gab es am zur ersten Kinder-Uni-Vorlesung des Semesters (Fotos: Ronald Rinklef/Fränkischer Tag).

Andrea Schindler erläuterte den Kindern die Entstehung und Entwicklung von Büchern.

- Christine Reichenberger / Fränkischer Tag

Ein Buch für eine halbe Million

Erste Kinder-Uni-Vorlesung im Semester

Maria Wüstenhagen hat ein Märchen erzählt. Von König Artus und seiner Frau Guinevere, von Zauberer Merlin und der Tafelrunde. Und von einem Riesen, der einfach alles kaputt macht. Obwohl einem diese Geschichte bekannt vorkommt, stimmt irgendetwas nicht mit ihr: Was macht der Riese da? Wieso hört die Geschichte einfach auf? Was ist mit dem Ende? Das dürfen sich die knapp 100 Kinder bei der ersten Vorlesung der Bamberger Kinder-Uni in diesem Semester selbst ausdenken. Sie erzählen die Geschichte weiter, jedes Kind in seiner eigenen Version. Ganz so, wie es die Geschichtenerzähler im Mittelalter auch gemacht haben.

Schreiben konnten damals nur sehr wenige Menschen, Mönche
zum Beispiel. Auf was sie geschrieben haben, erklärt Maria Wüstenhagens Kollegin Andrea Schindler. Sie ist Professorin für Germanistische Mediävistik. „Das ist ein bisschen wie Deutschunterricht in der Schule“, sagt sie über ihr Fach. „Aber die Geschichten und Bücher, mit denen wir uns beschäftigen, sind sehr alt.“ Sie stammen aus einer Zeit, als es noch gar kein richtiges Papier gab. Wollten die Mönche eine Geschichte aufschreiben, mussten sie dazu Pergament nehmen, auf das sie mit Federkielen mit der Hand geschrieben haben. Damit jedes Kind einmal fühlen kann, was Pergament überhaupt ist, gibt Andrea Schindler einige Blätter durch die Reihen. „Das ist ziemlich rau“, sagt Sandrina (8). Sie ist mit ihrem Bruder Leonhard (10) aus Scheßlitz zur Kinder-Uni gekommen.

„Pergament wird aus Tierhäuten gemacht“, sagt Andrea Schindler. Es war sehr aufwändig herzustellen. „Alle Tierreste mussten mühsam von der Hautabgeschabt werden.“ Das fertige Pergament war sehr dünn und konnte beim Bearbeiten leicht reißen. Dafür hat es einen entscheidenden Vorteil gegenüber Papier: Auch nach 800 Jahren kann man noch gut lesen, was die Mönche im Mittelalter daraufgeschrieben haben. „Es vergilbt nicht und wird nicht bröselig“, sagt Schindler.

Mit Gold und Diamanten verziert

„Damals haben die Leute nicht einfach alles aufgeschrieben, das war viel zu teuer und aufwändig“, sagt Andrea Schindler. Nur ganz wichtige Dinge wie religiöse Schriften wurden notiert. Umso wichtiger der Inhalt eines Buches war, desto schöner und wertvoller wurde es meist verziert. Der Einband mancher Bücher war mit Blattgold oder sogar kleinen Goldstücken beschichtet, dazwischen wurden viele Edelsteine gesetzt. Wie viel so ein Buch wiegt, möchte ein Junge wissen. „Bestimmt mehr als du“, sagt Andrea Schindler. Was nicht so wichtig war, zum Beispiel ein Einkaufszettel oder eine kleine Nachricht, wurde oft in Wachstafeln geritzt. Das war ziemlich praktisch, denn die kleinen Tafeln waren handlich und konnten wieder verwertet werden.

Ein Buch war im Mittelalter also eine Besonderheit. Man konnte nicht einfach in eine Buchhandlung gehen und eins kaufen. Nein, Bücher wurden in Auftrag gegeben. „Es konnte ein ganzes Jahr dauern, bis ein dickes Buch fertig war“, erzählt Andrea Schindler. Die Mönche haben in ihrem Schreibzimmer, dem Skriptorium, gesessen und den ganzen Tag geschrieben. Alles musste ganz ordentlich und sauber sein, das hat sie sehr angestrengt. „Wenn sie einen Fehler gemacht haben, konnten sie nicht einfach den Tintenkiller nehmen. Sie mussten die ganze Seite noch einmal schreiben.“ Deshalb waren Bücher sehr teuer und nur wenige konnten sich eins leisten. Meist wurden sie von Adeligen in Auftrag gegeben, weil die genug Geld hatten. Wer heute ein solches Buch kaufen möchte, muss auch ziemlich tief in dieTasche greifen: Bis zu einer halben Million sei ein mit Gold und Edelsteinen verziertes Buch aus dem Mittelalter wert, schätzt die Professorin.


Dieser Artikel erschien am 3. Juni 2013 im Fränkischen Tag und wurde mit freundlicher Genehmigung des Fränkischen Tages veröffentlicht.