Prof. Dr. Micklitz (links) und Journalist Ulli Röhm während einer Kaffeepause. (Bilder: Pressestelle)

Plenumsveranstaltung in der Fakultät Katholische Theologie.

- Jürgen Gräßer

Verbraucherrechte auf dem Prüfstand

International besetztes Symposium zur Verbraucherpolitik

Nicht nur wegen Vogelgrippe und Gammelfleisch steht gerade in diesen Tagen und Wochen die Verbraucherpolitik im Blickpunkt öffentlichen Interesses. Ihr galt ein internationales Symposium vom 20.02.–21.02.2006, zu dem fast 80 Vertreter aus Wirtschaft und Politik sowie Wissenschaftler, Rechtsanwälte und Verbraucherschützer unter anderem aus Prag, Brüssel, Stockholm und Utrecht nach Bamberg gekommen waren. Mit der Organisation der vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz veranstalteten Tagung über „Kollektive Rechtsdurchsetzung – Chancen und Risiken“ war das Institut für Europäisches Wirtschafts- und Verbraucherrecht e.V. (VIEW) zu Berlin betraut. Durch dessen Vorstand Prof. Dr. Hans-Wolfgang Micklitz besteht eine enge Verbindung zur Otto-Friedrich-Universität, an der Micklitz den Lehrstuhl für Privatrecht innehat.

Beim Sektempfang in der AULA der Bamberger Universität, beglückwünschte Kanzlerin Martina Petermann die Teilnehmer dazu, dass sie für ihre „exzellente Tagung über das ganz heiße Thema Verbraucherschutz ein einzigartiges Ambiente“ gewählt hätten und bat sie, die positiven Eindrücke als Werbung für die Universität und letztlich für die Stadt Bamberg mit nach Hause zu nehmen.
Bundesminister Seehofer ließ Grüße übermitteln, sein Staatssekretär Dr. Gerd Müller war verhindert. Stattdessen sprach die Abteilungsleiterin des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Dr. Regina Wollersheim, einige Worte zur Eröffnung. Eine moderne Verbraucherpolitik brauche eine moderne Wirtschaftspolitik. Das Vertrauen der Verbraucher in den Markt müsse gestärkt werden, was in einer Vermehrung des Binnenmarktes und der Wirtschaft resultiere. „Verbraucher, Politik und Wirtschaft müssen sich auf Augenhöhe begegnen“, meinte Wollersheim und forderte mehr Transparenz: „Nur der informierte Verbraucher kann effektiv am Markt teilnehmen.“ Während des anschließenden Buffets sorgten die „groovegangsters“ für angenehme Tafelmusik.

Internationale Durchsetzung von Verbraucherrechten

Anderntags trafen sich in den Räumen der Theologischen Fakultät vier Arbeitsgruppen. Ihr Augenmerk galt der Unrechtsgewinnabschöpfung als Instrument eines fairen Wettbewerbs im Interesse von Anbietern und Verbrauchern, dann den Gruppenklagen zur Bewältigung von Massen- oder Großschäden etwa im Finanzanlagesektor, schließlich den Musterklagen im Energiebereich sowie europäischen Perspektiven zur Durchsetzung von Verbraucherrechten.
In ihrem einführenden Referat machte hier Prof. Dr. Astrid Stadler (Universität Konstanz) Massenverfahren als ein in Europa neues Phänomen aus. Neben diesen gehörten Bagatell- und Streuschäden zu den Problemfeldern der Reform kollektiven Rechtsschutzes. Es gelte, das Prozessrecht und das materielle Recht zu überarbeiten. Mit der Deregulierung im Wirtschaftsrecht müsse die prozessuale Stärkung von Verbraucherrechten einhergehen.

Zur Durchsetzung von Verbraucherrechten in den Niederlanden referierten Prof. Dr. Ewoud Hondius (Utrecht) und Andreas Mom (Berlin), während Rechtsanwalt Jérôme Franck (Paris) das Thema von der französischen und Prof. Mark Mildred (Nottingham) von der englischen und walisischen Perspektive aus beleuchteten.
Eine von dem ZDF-Journalisten Uli Röhm moderierte Plenarsitzung widmete sich der zukünftigen Entwicklung des europäischen Verbraucherrechts. Prof. Dr. Edda Müller vom Vorstand der Verbraucherzentrale des Bundesverbandes forderte, den Verbraucherschutz im europäischen Recht mittels einer selbständigen Rechtsgrundlage zu verankern. Pauschale Bestrebungen hin zu Maximalharmonisierung hielt sie für falsch. Historisch gewachsene Schutzmechanismen in den EU-Mitgliedsstaaten sollten nicht prinzipiell aufgegeben werden. Auch war Müller entschieden gegen die Nachrangigkeit von Verbraucherschutzrechten in der Dienstleistungsrichtlinie.
Ein funktionierender Markt brauche den effektiven Wettbewerb auf der Angebotsseite ebenso wie den transparent und strukturiert informierten Verbraucher auf der anderen. Letztlich entscheide der Verbraucher über Erfolg oder Versagen von Unternehmen, mithin über die Zukunftsfähigkeit einer Volkswirtschaft, den Erhalt von Arbeitsplätzen sowie die soziale und ökologische Qualität einer Gesellschaft.

Das Leitbild des "mündigen Verbrauchers"

Der Leiter der Abteilung Recht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dr. Kurt-Christian Scheel, gab den „mündigen Verbraucher“, der selbstständig zwischen verschiedenen Produkten und Dienstleistungen auswählt, als Leitbild aus. Entscheidende Triebfeder des Verbraucherschutzes sei der Wettbewerb. Ein zusätzliches Verbraucherinformationsgesetzt hielt Scheel für überflüssig, denn öffentlich-rechtliche Vorschriften auf nationaler wie europäischer Ebene bereiteten fokussierten Informationen eine Basis; daneben gelte das Wettbewerbsrecht.
Es sei an der Zeit, die Wirksamkeit der von der EU auf Grundlage der verbraucherpolitischen Strategie beschlossenen Regulierungen zu überprüfen, ehe weitere Maßnahmen ergriffen würden. Der mündige Verbraucher werde nicht in allen Vorschlägen angemessen berücksichtigt. Daneben werde das Subsidiaritätsprinzip zu wenig beachtet.