Ein fest eingespieltes Team: Nora Gomringer und Michaela Pittroff (Bild: Sandra Treml)

- Julia Ferstl

Liebesfest der Hobbypoeten

Poetry Slam im Morph Club

„Herzlich willkommen zum Bamberger Poetry Slam“. Das sind die Worte, die einmal im Monat aus dem Mund von Nora Gomringer durch den Morph-Club schallen. Es ist wieder soweit: Hobbypoeten und Storyteller, neudeutsch Geschichtenerzähler, dürfen ihre Eigenkreationen zum Besten geben. Dabei ist die Bühne beim Slam mehr als nur eine Lesebühne, auf die Performance kommt es an.

Wenn man es also genau nimmt, dann gehört das klassische Geschichtenerzählen überhaupt nicht zum Poetry Slam-Format. To slam, also „zuschlagen, schmettern“, sollte man beim Poetry Slam nur mit Wortgewalt. Der Begriff etablierte sich bereits Anfang des 20. Jahrhunderts im Boxen und die Konstellation Grand Slam dürfte heute sogar Tennislaien ein Begriff sein. Der Poetry Slam ist also ein großes Turnier, bei dem es zum oralen „Schlagabtausch“ der Dichter kommt.

Ins Finale zu kommen ist wichtig, der Rest sei egal, so Nora Gomringer. Sie setzt sich die Messlatte eben ganz schön hoch und das darf sie auch. Schließlich gehört sie zu den Top- Drei der deutschsprachigen Slammerinnen. Zusammen mit ihrer Ex-WG-Mitbewohnerin Michaela Pittroff und Fiva MC aus München gewann sie im Oktober 2005 beim National Poetry Slam in Leipzig den ersten Platz. Als individuellen Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere sieht die 25-Jährige aber die Meisterschaft 2004 in Stuttgart, wo sie als einzige Frau ins Finale einzog und Platz 3 holte. Die riesengroße „Poetry Slam-Blase“, die sie damals umgab, spüre sie noch heute.

4 Jahre Poetry Slam in Bamberg

Im Dezember 2001 rief Nora Gomringer den Bamberger Poetry Slam ins Leben, obwohl sie gerade erst selbst dabei war, eine Slammerin zu werden. Als Slamveranstalterin darf sie sich auch Slammaster nennen und der hat als MC (Master of Ceremony) die Ehre den „Wettstreit“ zu eröffnen. Sieben Minuten hat jeder Teilnehmer Zeit, das Publikum für sich zu gewinnen und das ist sehr großzügig, wenn man bedenkt, dass man bei den großen Meisterschaften nur drei bis fünf Minuten Zeit hat.

Wer wann zum Mikro schreiten darf, wird per Los entschieden. Spätestens dann wird das Publikum zu einem Teil der Performance. Der Slam sei etwas Integratives, Slam- Experten sprechen sogar von „Interaktionsästhetik“. Der Slam lebt von der Kommunikation zwischen dem Publikum und den Poeten. Auch wenn das Bamberger-Publikum eher still ist, tut dies der Einzigartigkeit des Bamberger Slams keinen Abbruch. Nora Gomringer ist immer wieder überrascht wie aufmerksam das Bamberger Publikum zuhört: „Ich bekomme oft Wochen nach den Slams noch zahlreiche E-Mails, weil bestimmte Themen die Leute beschäftigen. Da kommen dann solche Fragen wie: Spricht der immer über so etwas? Fragen auf die ich oft wirklich keine Antwort weiß, denn ich sehe den Slam viel singulärer.“

Liebe, Sex  und „Abschied“

Die Themen an diesem Slam-Abend sind bunt, bunt wie das Leben: Eine Slammerin legt ein großes Geständnis ab. Sie sei autosexuell, eine Offenbarung, die viel Frust bewirke, besonders bei ihrer Mutter, die sich damit abfinden muss, dass ihre Gene nicht weitervererbt werden. Das Thema Leidenschaft setzt vor allem Irlands bester Slammer Stephan Moray, den Nora Gomringer als Specialguest extra hat einfliegen lassen, in Szene. Der Vergleich der Femme Fatal, unter der er leidet, mit „Hitler in Highheels“ ist besonders bildlich.

Die Hobbypoeten beziehen ihre Themen aus ihrem Alltag und da spielen vor allem zwischenmenschliche Beziehungen eine wichtige Rolle. So bekennt sich schon einmal der ein oder andere beim Anblick eines außerordentlich schön geformten Hinterteils zum Po-Fetichisten. Es bewegen aber auch andere Themen: Man äußert sich zum Beispiel gekonnt und leicht verspielt zur Politik und kreidet ihre Nachlässigkeit an.

Gewinner des Abends

In der Wortwerkstatt wird mit vielen Werkzeugen gearbeitet: An erster Stelle steht wohl die Ironie, begleitet von ein wenig Sarkasmus, danach kommt eine gehörige Portion Schauspielkunst und musikalisches Verständnis. Letzteres verleiht der Performance vor allem Dynamik und Ausdruck. Der Gewinner des Abends, der am Ende vom Publikum auserkoren wird, heißt Casjen Ohnesorge und ist ein alter Hase beim Bamberger Poetry Slam. Der 25-jährige Euwi-Student ist sich seines Sieges gar nicht so sicher: „Ihr seid nicht objektiv“, schreit er in die Menge. Seine Spezialität: ernstere Themen. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen hat er das Publikum mit seiner Performance vom Seemann, der Sehnsucht nach dem Land hat, wo er dann aber auch nicht glücklich wird, erreicht. Sein Slam sticht hervor, denn Casjen Ohnesorge unterstreicht seine Worte mit imposanten Tonteppichen, die einem fast den Eindruck drohender Schizophrenie vermitteln. Für den 25-Jährigen ist der Gewinn ein Abschiedsgeschenk, denn er geht nach seinem erfolgreich beendeten Studium in seine Heimatstadt Hamburg zurück.

Noch emotionaler wird der Abschied bei Michael Jakob aus Ansbach, der sein Gedicht auch gleich „Abschied“ betitelte. Nach vier Jahren Bamberger Poetry Slam zieht sich der Insider nun zurück, um sich ganz und gar seinem Universitäts-Diplom zu widmen. Eines ist auf jeden Fall klar, Poetry Slam ist nicht nur Poesie, sondern auch Gefühl pur. In Bamberg können wir uns das nächste Mal am 31. Januar 2006 im Morph Club auf den Poetry Slam unter altbekannter Leitung freuen.