Claus-Christian Carbon referierte am ersten Abend über das Thema „Erinnern heißt Vergessen.“ (Fotos: Andrea M. Müller)

Zuvor begrüßte Oberbürgermeister Andreas Starke (3.v.l.) das Publikum im Hegelsaal der Konzert- und Kongresshalle...

... und Christian Illies gab eine thematische Einführung.

Jedes Erinnern benötigt ein Vergessen

Start der 24. Bamberger Hegelwoche

„Erinnern heißt nicht nur die Fakten der Vergangenheit aufrufen, sondern das Vergangene nochmals zu erleben“, stellte Oberbürgermeister Andreas Starke in seiner Eröffnungsrede zur 24. Bamberger Hegelwoche fest. Das Erinnern sei vor allem für Bamberg ein wichtiges und passendes Thema. So feiere Bamberg 2013 bereits 20 Jahre UNESCO-Weltkulturerbe zu sein.

Für das Erinnern ist nach Meinung von Prof. Dr. Christian Illies, Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie II an der Universität Bamberg und Organisator der Hegelwoche, auch ein reger Austausch wichtig. Ein ebensolcher fände in Bamberg dankenswerterweise in erfreulichem Maße statt. In seiner thematischen Hinführung brachte er neben Funktionen und Bedeutungsmöglichkeiten aber vor allem das Wechselspiel zwischen Erinnern und Vergessen zur Sprache, das tragende Motiv der diesjährigen Hegelwoche. Am Beispiel eines Lochs im Taschentuch erklärte er nicht nur die Hegelsche Dialektik in nuce, sondern stellte Erinnern und Vergessen als komplementäre Gegensätze vor, die nur mit- und durcheinander existieren können.

Während der zweite Abend veranschaulicht, was dies auf kultureller Ebene bedeutet und der dritte Abend auf Strategien des Erinnerns und Vergessen eingeht, richtete sich am ersten Abend der Blick auf den Menschen selbst. Referent Prof. Dr. Claus-Christian Carbon, Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Psychologie an der Universität Bamberg, stellte in seinem Vortrag dar, wie sich das Individuum das Vergangene ins Bewusstsein ruft oder es sich im entzieht und welche Funktionen Erinnern und Vergessen für den Wahrnehmungsprozess und damit auch für das menschliche Denken haben. Besonders wichtig war ihm dabei die Feststellung, dass Erinnern und Vergessen nichts Statisches sind, sondern aktive, konstruktive, sich ständig wandelnde und neu erfindende Prozesse, die durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden können, wie er an einigen Beispielen zeigte.

Erinnern als konstruiertes Erlebnis

So habe man bei einem Experiment mehreren Menschen eine Maske mit der Unterschrift „Porträt eines Menschen“ vorgelegt und sie gebeten, die Maske nach einigen Wochen aus ihrer Erinnerung zu zeichnen. Diesen Vorgang wiederholte man mehrere Male. „Am Ende entstand ein tatsächliches Menschenporträt, da die Bildunterschrift so enormen Einfluss auf das Gedächtnis der Menschen ausgeübt hat, dass sie sich statt an das ursprünglich eingeprägte Bild der Maske immer mehr an ein Bild eines Menschen erinnerten“, so der Psychologe. Grund dafür sei die Struktur des menschlichen Gehirns, das permanent neue Informationen mit alten verknüpfe. Einflüsse für Verzerrungen könne aber nicht nur eine Beschreibung, sondern auch andere Faktoren, vor allem Bilder sein.

Ähnlich wie die Erinnerung unterliegt auch das Vergessen einem Prozess: Bestimmte Ereignisse, Situationen oder Begebenheiten verblassen oder verschwinden mit der Zeit, machen Erinnerungen damit überhaupt erst möglich, geben so Raum für neue Erfahrungen. „Ohne Vergessen, ohne die Möglichkeit, Relevantes von Irrelevantem zu trennen, wäre der Mensch nicht lebensfähig, würde er, permanent von seiner Vergangenheit eingeholt, wie in einem Film existieren und wäre nicht Herr sondern Untertan seines Lebens“, erklärte Carbon. Erinnern und Vergessen beeinflussen damit inhaltlich, aber auch strukturell die Wahrnehmung des Menschen, was Claus-Christian Carbon zu dem Schluss kommen lässt: „Ohne das Vergessen und Erinnern gäbe es weder eine funktionierende Wahrnehmung, noch eine Kultur oder gar eine Gesellschaft.“

Hinweis

Diesen Pressetext verfassten für die Pressestelle der Universität Bamberg
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