Gott denken in dunklen Zeiten – darüber diskutierten Studierende und Betroffene des Holocaust auf einer Tagung in Stuttgart (Bild: Photocase)

Er sprach über die Veränderungen in der jüdischen Theologie in den Jahren seit der Schoah: Daniel Krochmalnik (Bilder: Elisabeth Preiß)

Johanna Rahner leitete zusammen mit Maria Theresia Zeidler die Tagung

Ergiebige Diskussionen: Die Arbeitsgruppen vertieften die in den Vorträgen gewonnenen Einsichten

- Elisabeth Preiß

Gott denken in dunklen Zeiten

Bamberger Studierende sind in Stuttgart Teil eines interreligiösen Dialogs

„Wo war Gott in Auschwitz? Wo war der Mensch in Auschwitz?“ Diese beiden Fragen, die als Grundlage für eine Gottesrede nach dem Holocaust dienen, wurden während der Tagung „Gott denken nach der Schoah in Christentum und Judentum“ im Haus der Akademie der Diözese Rottenburg Stuttgart eingehend erörtert. Initiiert und geleitet wurde die Tagung durch die Akademiereferentin Maria Theresia Zeidler und durch die Bamberger Professorin Dr. Johanna Rahner, die Inhaberin des Lehrstuhles für Dogmatik. Die rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten die Möglichkeit, einen Dialog zwischen den Generationen entstehen zu lassen, denn neben den Studierenden war auch viele Teilnehmer vertreten, die das Dritte Reich zum Teil noch selbst erlebt hatten.

 
Den einleitenden Vortrag hielt der Heidelberger Professor für jüdische Philosophie Dr. Daniel Krochmalnik. Er zeigte die Veränderungen in der jüdischen Theologie in den Jahren seit der Schoah auf, denn gerade die jüdische Theologie wandelte die Frage nach Gott in die Frage nach dem Menschen um.

Im Anschluss wurde in kleinen Arbeitsgruppen jeweils ein Ansatz der christlichen und der jüdischen Gottesrede vertieft. Diese Gruppen wurden von Studierenden der katholischen Fakultät Bamberg geleitet. Nadine Fenske, Christian Henkel, Elisabeth Preiß, Elke Sieghart und Eric Souga Onomo gaben den Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmern die Möglichkeit, Theorien und Ansichten von Johann Baptist Metz, David R. Blumenthal, Hans Jonas, Ellie Wiesel und Emmanuel Lévinas näher kennen zu lernen. Die knappe Arbeitszeit erschien allen viel zu kurz, denn sehr schnell entwickelten sich lebhafte und anregende Diskussionen über die einzelnen, zum Teil provokanten Ansichten der Autoren.

Dialog der Generationen

Auch der abschließende Vortrag des ersten Tages widmete sich weitgehend den in den Arbeitsgruppen diskutierten Denkansätzen. Der Direktor der Akademie Aachen, Dr. Hans Hermann Henrix, stellte unter anderem die Ansichten von Jonas und Blumenthal als Herausforderung für die christliche Theologie nach Auschwitz dar.

Der zweite Tag der Tagung zeigte vor allem das gegenwärtige Verhältnis von Judentum und Christentum auf. Ein Fokus wurde dabei auf die Täterperspektive geworfen. Dr. Hannah Holtschneider aus Edinburgh warf kritische Fragen auf, die auf eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen den beiden Religionen zielten.
Dr. Norbert Reck erörterte schließlich in seinem Vortrag, welche Konsequenzen die christliche Theologie aus der Täterperspektive ziehen muss. Der Münchner Theologe betonte vor allem, dass es gerade für die deutsche Bevölkerung unabdingbar sei, sich stets der eigenen Vergangenheit bewusst zu werden. Nur so sei eine Aufarbeitung der Geschichte möglich.

Im Anschluss an den jeweiligen Vortrag fand eine ausführliche Diskussion statt. Einige Male wurde dabei der Wunsch geäußert, die junge Generation – vertreten durch die Studierenden – möge sich mehr einbringen. Als Entschuldigung kann angeführt werden, dass die meisten Tagungsteilnehmer über weitaus umfangreichere Vorkenntnisse verfügten als die Studierenden, die somit mehr Aufnehmende waren.
Der gewünschte Dialog zwischen den Generationen hat dennoch stattgefunden. In jeder Pause wurde die Möglichkeit zum Gespräch genutzt. So konnten viele Erfahrungen und Eindrücke ausgetauscht und gesammelt werden.