Mit Bildung im Mittelalter beschäftigt sich die ZEMAS-Ringvorlesung in diesem Semester (Bild: ZEMAS).

Von links: die ZEMAS-Direktorin Prof. Dr. Ingrid Bennewitz, Organisator Dr. Andreas Goltz und die Referentin des Abends Prof. Dr. Sabine Föllinger (Bild: Alexandra Franz).

- Alexandra Franz

Schnee von gestern?

Auftakt der ZEMAS-Ringvorlesung „Bildung im Mittelalter“

Ist die Antike antiquiert? Nicht unbedingt, zumindest nicht beim Thema Bildung. Davon überzeugte Prof. Dr. Sabine Föllinger ihre Zuhörer mit ihrem Vortrag zu Beginn der ZEMAS-Ringvorlesung.

Bildung – „ein bedeutungsschwerer Begriff“, stellte Dr. Andreas Goltz, Dozent am Lehrstuhl für Alte Geschichte am Montagabend im großen Hörsaal der Katholischen Theologie fest. Doch was ist eigentlich Bildung? Die Aneignung von Wissen? Der Erwerb von Fähigkeiten? Diese Frage stand sofort im Raum, denn das Thema der Ringvorlesung, zu der Vertreter der verschiedensten Fachrichtungen eingeladen hatten, lautete „Bildung im Mittelalter“. Zum zwölften Mal organisiert das Bamberger Zentrum für Mittelalterstudien (ZEMAS) die Reihe von Vorträgen. Federführend war dieses Mal der Lehrstuhl für Alte Geschichte.

Dabei verriet der Titel des ersten Vortrags „Die artes liberales in der Antike“  noch nichts über die Aktualität des angesprochenen Themas. Denn Prof. Dr. Sabine Föllinger, Dozentin für Klassische Philologie mit dem Schwerpunkt Gräzistik, schuf nicht nur die Grundlage für alle noch folgenden Referenten, sondern spannte auch den Bogen von der Antike bis in die Neuzeit. Denn gerade die „alten Griechen“ beeinflussten nicht nur die mittelalterliche Bildung, sondern auch bis in die Neuzeit das heutige europäische Bildungskonzept entscheidend, wie Föllinger herausstellte.

Ein reger Bildungsdiskurs – schon in der Antike

Schon im antiken Athen gab es einen regen Bildungsdiskurs, weil in der Athener Demokratie eine ethisch-ästhetische Bildung plötzlich sehr wichtig war – schließlich hatte man schnell festgestellt, dass „die Fähigkeiten der politischen Machthaber nicht unbedingt ihrer politischen Stellung entsprachen“, erklärte Föllinger. Und da es keine staatlichen Bildungseinrichtungen gab, entstand unter den Gelehrten und Philosophen dieser Zeit, ein aktiver Diskurs dazu, wie ein Mensch gebildet sein sollte. Allen voran natürlich Platon mit seinem Werk „Der Staat“.

Das entstehende Bildungskonzept wurde später von den Römern übernommen, pragmatisiert und in eine einheitliche Form gegossen. Erstmals legt dabei Martianus Capella im fünften Jahrhundert nach Christus das System der Sieben freien Künste (septem artes liberales) verbindlich fest: Während das Trivium die drei sprachlichen Fächer Grammatik, Dialektik und Rhetorik umfasste, bestand das Quadrivium aus Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik. Mit diesen Studienfächern sollte sich bei den Römern jeder freie Mann beschäftigen, weshalb sie von nun an auch als freie Künste bezeichnet wurden. Im Mittelalter schließlich galten sie als Propädeutikum für weitere Fachstudien und als Vorbereitung für die wissenschaftlichen Studienfächer Theologie, Medizin und Jurisprudenz.

Alles Schnee von gestern?

Doch sind die artes liberales und das Bildungskonzept des antiken Griechenlands nun Schnee von gestern? Nicht unbedingt: „Der Kanon heute ist im Umbruch. Gerade dieses Konzept der ganzheitlichen Bildung, das heißt weg von reinem Faktenwissen, wird heute mehr denn je diskutiert“, sagte Föllinger. „Dabei wird immer wieder die Frage gestellt: Soll Bildung um ihrer selbst da sein? Oder ein Instrument zur Vermittlung von praktischen Fähigkeiten?“ Einen Lösungsansatz hierzu gibt das antike Griechenland vor. Bereits dort stellte man fest, dass eine allgemeine, nicht fachspezifische Ausbildung nötig ist, damit Bildung sich nicht auf Wissensaneignung beschränkt. „Dabei wird heute oft die Frage gestellt: Wozu? Wozu brauche ich dieses Wissen? Doch wenn wir so weiter fragen, dann müssten wir eigentlich nur noch essen und schlafen – und sonst nichts“, erklärte Föllinger nach ihrem Vortrag. Gleichsam könne man Bildung eben nicht an ihrem praktischen Nutzen messen. Und schon die antiken Philosophen wussten, dass sie der Persönlichkeitsentwicklung dienen sollte. Schließlich hat sie hat einen Einfluss darauf, wie man sein Leben gestaltet.

Am Montag, 4. Mai, wird die Ringvorlesung fortgesetzt: Prof. Dr. Heinrich Schlange-Schöningen referiert zum Thema „Brauchen Christen Bildung? Zum Schicksal der antiken Bildung in der christlichen Spätantike“.