Bildung zeugt Bildung
Ein hochkarätiger Gast in Bamberg: Norbert Walter, Mitglied im Gremium der fünf Wirtschaftsweisen, präsentierte auf Einladung von feki.de vor einem vollen Audimax seine Thesen zum Thema „Deutschlands Zukunft im Hinblick auf die Bildungspolitik“.
Es ging um nichts weniger als die Zukunft Deutschlands. Prof. Dr. Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank und Mitglied im Gremium der „Sieben Weisen“ zur Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte, stellte im Audimax der Otto-Friedrich-Universität Bamberg seine Vision von einem zukunftsfähigen Land vor. Thesen, die viel Anklang fanden, aber auch zur kritischen Diskussion anregten.
Zu Beginn seines Vortrags „Deutschlands Zukunft im Hinblick auf die Bildungspolitik“ geizte Norbert Walter nicht mit harten Fakten. Die Demographie Deutschlands zeige rückläufige Geburtenraten, insbesondere bei Akademikern. 50 Prozent der Akademiker und 43 Prozent der Akademikerinnen blieben kinderlos. „Bildung zeugt Bildung, aber die Gebildeten zeugen nicht“, argumentierte Walter. Gleichzeitig kämen 40 Prozent aller Kinder aus Familien mit einem Migrationshintergrund. Nur selten könnten diese Kinder die Möglichkeiten des deutschen Bildungssystems nutzen. Das Problem werde zusätzlich noch durch die stetig steigende Lebenserwartung verschärft. Was muss nun getan werden, um diese Probleme zu beseitigen und schon vorhandene Ansätze sinnvoll und aktiv zu fördern?
Walter bot dafür einige praktische Lösungsansätze. Zum einen müsse die Förderung bereits in einem sehr jungen Lebensalter beginnen. Die sprachliche Kompetenz sei Voraussetzung für den Schulerfolg. Walter plädierte für obligatorische, kostenfreie Vorschulen. In diesen zwei Vorschuljahren sollen die sprachlichen Defizite ausgeglichen werden.
Früher in die Schule, früher hinaus aus der Universität
In Deutschland schließe man sein Studium im internationalen Vergleich erst in einem biblischen Alter ab. Der Referent schlug vor, das Einschulungsalter auf knapp sechs Jahre zu senken und das Gymnasium auf eine Dauer von acht Jahren zu reduzieren. Zusätzlich müsse eine Überholspur für Schnellere geschaffen werden sowie genügend Betreuung und Unterstützung für Versetzungsgefährdete. Konkret bedeute dies: mehr Lehrer und die Umsetzung eines Tutorenkonzepts. Dieses Konzept sei nicht nur für das betreute Kind von Vorteil, sondern erweitere auch die Fähigkeiten der Tutoren. Zum anderen sollte aber auch im Bereich Familienpolitik mehr getan werden. Das „System Familie“ muss Walters Auffassung nach mehr in den Vordergrund gestellt werden. Momentan werden Vorteile, die durch eine stabile Familienstruktur entstehen können, nicht erkannt und gestärkt: Die „Familiensolidarität“ sei in Deutschland in Vergessenheit geraten.
Pro Studiengebühren
Was das Studium anbetrifft, hat Walter ebenfalls klare Ansichten. Zur Einhaltung der Regelstudienzeit sollten Anreizsysteme geschaffen werden, als geeignetes Mittel sieht Walter hier die Einführung von Studiengebühren. Natürlich sollten trotz der finanziellen Belastung keine Talente mangels Einkommen oder Vermögen der Eltern verloren gehen. Deshalb müssten Stiftungen und Unternehmen ein Stipendiensystem schaffen und der private Finanzsektor entsprechende Studentenkredite anbieten. Gleichzeitig müssten auch die Lehrsysteme verbessert werden. Walter schlägt 360°-Befragungen, also Befragungen der Vorgesetzten, der Kollegen und der Studenten vor.
Der „Wirtschaftsweise“ fordert ferner eine duale Ausbildung, und das nicht nur in klassischen Ausbildungsberufen, sondern gerade auch im akademischen Sektor. Das bedeute: mehr Praktika. In Großbritannien beispielsweise sei es die Regel, dass man ein Drittel seiner Freizeit als „Intern“ verbringt. Ähnliches wünscht sich Walter auch für Deutschland. Die Vorteile sieht er nicht nur im zusätzlichen Geld für die Studierenden und dem Kontakt zu Menschen unterschiedlicher Generationen, sondern vor allem im frühzeitigen Kundenkontakt. Dieser finde in unserem Bildungssystem erst in einem relativ fortgeschrittenen Alter statt.
Auch bezüglich der Freizeit müsse man in Zukunft umdenken. Vom Naturrecht auf sieben Wochen Jahresurlaub und der Vierzig-Stunden-Woche sollte man sich wieder trennen. „Das Bildungssystem muss alle Leistungsreserven mobilisieren und durch Wettbewerb effizient werden“, so Walter.
Letztlich sei es für Deutschland wichtig, den sehr spärlich existierenden Bürgersinn zu stärken. Engagement untereinander sowie Zusammenarbeit verschiedenster Gesellschaftsgruppen seien essenziell, um Deutschland im Bereich Bildung voran zu treiben.