Braunes Fallobst in Franken? (Bild: zabalotta/photocase).

Dietzfelbinger (Mitte) berichtete über "Rechtsextremismus in Franken nach 1945". Eingeladen hatten zu dem Vortrag (von links): Dr. Fabian Franke (Universitätsbibliothek), Prof. Dr. Andreas Dornheim (Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte), Prof. Dr. Christa Jansohn (Lehrstuhl für Britische Kultur) und Prof. Dr. Andreas Dix (Professur für Historische Geographie)(Bild: Andreas Ullmann).

- Andreas Ullmann

Wie braun ist Franken?

Eckart Dietzfelbinger berichtete über „Rechtsextremismus in Franken nach 1945“

„In Mittelfranken blieb der Charakter einer Hochburg der extremen Rechten bis Anfang der 1990er Jahre erhalten.“ Dr. Eckart Dietzfelbinger vom Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg fand bei seinem Vortrag „Rechtsextremismus in Franken nach 1945“ deutliche Worte für ein bedrohliches Phänomen.

„Die Politik hat bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus resigniert!“ Zu diesem ernüchternden Ergebnis kam Dr. Eckart Dietzfelbinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände Nürnberg, am 13. November in seinem Vortrag „Rechtsextremismus in Franken nach 1945“ im mehr als überfüllten Hörsaal 105 im Gebäude An der Universität 7. Geladen hatten das Centre for British Studies, der Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte unter Einbeziehung der Landesgeschichte, die Professur für Historische Geographie und die Universitätsbibliothek.

Rechtsextreme Kontinuitäten in Franken

Bereits die NSDAP hatte in Mittelfranken überdurchschnittlich hohe Ergebnisse erzielt. Dies gipfelte in 51,6 Prozent bei den Reichstagswahlen 1933 – fast 10 Prozentpunkte besser als ihre bayernweiten Resultate. Zu dieser Zeit fand der Nationalsozialismus in Mittelfranken also breite Unterstützung. Wie aber lebte diese Tatsache nach Ende des Zweiten Weltkrieges in der Bundesrepublik Deutschland fort?

Ein erstes rechtsextremes Hoch fand sich in den unmittelbaren Nachkriegsjahren. So erzielte etwa die rechtspopulistische „Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV)“ in Mittelfranken bei der bayerischen Landtagswahl 1946 mit 8,4 Prozent und bei der Bundestagswahl 1949 mit 16 Prozent klar überdurchschnittliche Ergebnisse. Mitte der 1960er Jahre erfolgte eine neue rechtsextreme Mobilisierungswelle durch die 1964 gegründete „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD). Sie konnte zahlreiche nationalistische und rechtsextreme Splittergruppen integrieren und zog in die meisten Landtage der BRD ein. Unter den bayerischen Regierungsbezirken erzielte sie in Mittelfranken mit 12,2 Prozent das beste Ergebnis. Dabei erreichte die NPD in aller Regel genau dort besonders hohe Werte, wo auch schon die NSDAP Erfolge hatte erzielen können: etwa in Leutershausen, Neustadt a. d. Aisch, Ansbach-Stadt oder Fürth-Land.

Strukturschwache Gebiete anfälliger für Rechtsextremismus

Eine neue und die NPD in ihrer Existenz bedrohende rechtsextreme Partei entstand mit den „Republikanern (REP)“ in den 1980er Jahren. Sie traten bei der Europawahl 1989 in die Fußstapfen der NPD und erzielten auf Bundesebene 7,1 Prozent in Bayern 14,6 Prozent, in Mittelfranken 16,1 Prozent der Stimmen. In Bezug auf lokale Hochburgen der REP ließ sich das gleiche Phänomen wie bei den Wahlerfolgen von NSDAP und NPD feststellen. „Die Europawahl lieferte erneut einen Beweis für die Nationalismus-Anfälligkeit der mittelfränkischen Region“, so Dietzfelbinger. Und damit für die Bestandkraft gewachsener soziokultureller Milieus.

In der hoch technisierten und mobilen Gesellschaft der BRD haben sich diese Milieus laut Dietzfelbinger aufgelöst. Heutiger Rechtsextremismus gründe eher auf strukturellen Problemlagen, wie einer zunehmenden sozialen Aufspaltung der Gesellschaft, sowie der Brüchigkeit des Sozialstaatkonzeptes. Zu deren Beseitigung werde von manchen Menschen ein autoritäres Regierungssystem favorisiert und rassistisches Gedankengut teils hinter vorgehaltener Hand, teils aber auch ganz offen befürwortet. Dafür biete die Region Franken mit ihren strukturschwachen Gebieten leider ein Beispiel. Dietzfelbinger verwies darauf, dass hier 1992 mehrere Anschläge auf Flüchtlingsheime stattgefunden hätten.

Kampf dem „braunen Ungeist“

„Die Attraktivität des Rechtsextremismus ist auf Fehler von Politik und Gesellschaft zurückzuführen“, erklärte er weiter. Denn häufig exekutiere die Politik gerade den Willen der Rechtsextremen, etwa bei der Aushöhlung des Asylrechts Anfang der 1990er Jahre. Zudem verhielten sich zahlreiche demokratische Politiker in Wort und Tat gedankenlos bis unverantwortlich oder einfach kühl kalkulierend: etwa Hessens Ministerpräsident Roland Koch, der seinen Wahlkampf zwei Mal auf dem Rücken der Ausländer ausgetragen hätte. Oder Günther Oettinger, der seinen Vorgänger Hans Filbinger, der 1945 als Ankläger und Richter bei der Kriegsmarine Todesurteile gegen Deserteure beantragt und gefällt hatte, als „Gegner des NS-Regimes“ bezeichnete. Schließlich Wolfgang Clement, der einen Bezug zwischen Schwarzarbeitern und Parasiten herstellte und sich dadurch zahlreiche Anzeigen wegen Volksverhetzung einhandelte.

All dies trage mit dazu bei, dass neue rechtsextreme Gewalt zu erwarten sei. „Neue Opfer werden zu beklagen sein!“, so Dietzfelbinger. „Dem braunen Ungeist entgegen zu treten, ist heute mehr denn je eine Daueraufgabe für Staat und Gesellschaft geworden!“