Joachim-Felix Leonhard plädierte für den Erhalt der sprachlichen und kulturellen Vielfalt in Europa (Foto: dogmadic_stock.xchng).
Werner Taegert, Joachim-Felix Leonhard und Helmut Glück (v.l.n.r.) betrachten die Bestände der Staatsbibliothek Bamberg (Fotos: Nathalie Forster).
Großes Interesse am Thema: der Lesesaal der Staatsbibliothek war gut gefüllt.
„Ey Alter, wo gehst du?“
„Man spricht deutsch: Spricht man deutsch?“ Diese Fragen erörterte Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard in seinem Vortrag am 24. November in der Staatsbibliothek Bamberg. Dabei ging er besonders auf drei Punkte ein: die Bedeutung von Sprache als Instrument zur Integration, die Bedrohung der Wissenschaftssprache Deutsch durch das Englische und den Erhalt der sprachlichen und kulturellen Vielfalt in Europa.
Wenn man in Deutschland lebt, „sind Kompetenzen in der Landessprache unerlässlich“, erklärte Leonhard. „Ein Satz wie ‚Ey Alter, wo gehst du? Gehst du Schule?‛ ist nicht korrekt.“ Das Auslassen von Präpositionen und Artikeln ähnele zwar in diesem Fall der Struktur der türkischen Sprache, sei aber im Deutschen grammatisch falsch. Sprache, Migration und Integration stehen in einem engen Zusammenhang. Sprache schaffe aber nicht nur Identität und habe damit eine Brückenfunktion, so Leonhard, das sichere Beherrschen der Landessprache begünstige außerdem Bildungs- und Arbeitsmarktchancen. „Die Politik kann auf den Erwerb der Landessprache Einfluss nehmen, indem sie das Erlernen stärker fördert.“
Von Beckenbauer zu Goethe
Was hingegen die Wissenschaftssprache angeht, „so hat das Deutsche ausgedient“, befand Leonhard. Während 1920 nur knappe 15 Prozent der wissenschaftlichen Literatur deutscher Autoren auf Englisch verfasst wurden, sind es knapp 90 Jahre später gute 57 Prozent. Der Nachteil daran ist, dass man sich in einer erlernten Sprache weniger gewählt und geschickt ausdrücken kann. „Sprache ist eine Ressource, die kreativ genutzt werden sollte. Das Englische als alleinige Sprache zu verwenden, ist eine geistige Sackgasse“, stellte Leonhard fest.
Um eine Monolingualisierung abzuwenden, sei es daher notwendig, die nicht-englischen Sprachen im Ausland zu fördern. Zum einen durch die Lehre und zum anderen durch einen offensiveren Sprachgebrauch. Die deutsche Theaterlandschaft sei zum Beispiel exportfähig, erörterte Leonhard. In Bamberg lehrt Prof. Dr. Helmut Glück das Deutsche als Fremdsprache (DaF). Während des DaF-Studiums wird der erste Grundstein für eine erfolgreiche Verbreitung des Deutschen im Ausland gelegt: das „Deutsch-Lehren lernen“. Die Studieninhalte befähigen die künftigen Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer, alle Generationen und Gesellschaftsschichten im Ausland anzusprechen und das sei gut so, meinte Joachim-Felix Leonhard: „Es ist manchmal leichter von Beckenbauer zu Goethe zu kommen als andersherum.“
Sprache als Kulturgut
Leonhard plädierte nicht zuletzt in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des deutschen Nationalkomitees für das UNESCO-Programm „Memory of the World“ dafür, trotz des europäischen Einheitsgedankens „die kulturelle und sprachliche Vielfalt“ in Europa zu erhalten. Dazu regte er an, Sprache als Kulturgut ins Grundgesetz aufzunehmen.
Dem Vortrag folgte eine lebhafte Diskussion, die das große Interesse am Thema unterstrich. Nach den Vorträgen in den Jahren 2006 und 2007, war „Man spricht deutsch: Spricht man deutsch?“ der dritte Vortrag, zu dem der Bamberger Germanistenclub e.V. und die Staatsbibliothek Bamberg gemeinsam einluden. „In Zukunft sollen die Vorträge aber wieder jährlich stattfinden“, versprach Prof. Dr. Werner Taegert, Direktor der Staatsbibliothek Bamberg.