Cordula Funk/Universität Bamberg

In vielen Branchen sind Maschinen unverzichtbar geworden, der Mensch ist aber (noch) nicht ersetzbar.

Universität Bamberg

Uwe Blien ist Lehrstuhlinhaber für den Lehrstuhl Soziologie mit Schwerpunkt Arbeitsmarkt- und Regionalforschung.

Der technische Fortschritt: Fluch oder Segen?

Soziologe Uwe Blien untersucht Konsequenzen der Technisierung

Ob durch den technischen Fortschritt Arbeitsplätze ersetzt oder gar mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, ist eine Frage, die Menschen seit Beginn der Industrialisierung bewegt. Welche Potentiale und Risiken der technische Fortschritt bringt, untersucht der Bamberger Soziologieprofessor Dr. Uwe Blien.

„Die Unterschiede bei der Arbeitslosenquote innerhalb Deutschlands sind von der gleichen Größenordnung wie zwischen Staaten – und das, obwohl wir in Deutschland relativ einheitliche institutionelle Verhältnisse haben“, erklärt Prof. Dr. Uwe Blien, Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie, insbesondere Arbeitsmarkt- und Regionalforschung an der Universität Bamberg. Doch warum sind die Unterschiede zwischen den Arbeitsmärkten in Deutschland so groß?

Neben den natürlichen Gegebenheiten, wie beispielsweise vorhandene Rohstoffe, spielt auch der Einfluss des Menschen auf den Standort eine Rolle. Hier wurden in der bisherigen Forschung Faktoren wie das Vorhandensein von Infrastruktur und die Nutzung von vorhandenem Wissen als Erklärung für die Unterschiede herangezogen. Blien jedoch hatte die Idee, dass sich die heterogenen Ergebnisse auf Branchenstrukturen zurückführen lassen und entwickelte hierzu bereits 2006 ein erstes Modell (Diskussionspaper beim IAB/6): „Es gibt eine Spezialisierung in den Regionen. Und somit häufen sich also unterschiedliche Branchen in den verschiedenen Gebieten“, erklärt Blien und fügt hinzu: „Diese Branchen sind unterschiedlich stark vom technischen Fortschritt geprägt.“ So seien Dienstleistungsbereiche beispielsweise weniger stark betroffen, die IT-Unternehmen aber besonders stark.

Seit rund 10 Jahren beschäftigt sich Uwe Blien mit dem Thema des technischen Fortschritts und der Frage, welche Bedeutung dieser Fortschritt auf den Arbeitsmarkt und letztlich auf die Menschen hat. Zu diesem Gebiet forscht er sowohl als Professor an der Universität Bamberg als auch als Leiter des Forschungsbereichs „Regionale Arbeitsmärkte“ am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg.

Folgen des technischen Fortschritts

Eine Frage, mit der sich Blien beschäftigt, ist, ob und wann sich technische Innovationen negativ oder positiv auf die Arbeitsmärkte auswirken. „Wo Routinen vorhanden sind, kann der Computer den Menschen ersetzen“, erklärt der Wissenschaftler. Der technische Fortschritt wirkt sich somit negativ auf die Beschäftigung aus, wenn mit weniger Arbeitskräften das gleiche produziert werden kann. Anders herum können Innovationen aber auch positive Folgen haben: Wenn die Produktivität steigt und aufgrund dessen die Preise sinken, kann dadurch eine höhere Beschäftigungsrate zustande kommen. Ob sich der technische Fortschritt also vorteilhaft auswirkt, hängt von der Nachfrage aufgrund einer Preissenkung ab. Blien erklärt dies am Beispiel eines CD-Players: „Dieser war zu Beginn nur für ganz wenige erschwinglich. Als er jedoch durch den technischen Fortschritt günstiger wurde, schafften sich auf einmal ganz viele einen CD-Player an und es ergaben sich neue Jobs.“ Demnach hängt vor allem von der Reaktion der Nachfrage auf Preissenkungen ab, ob sich der technische Fortschritt positiv oder negativ auf die Beschäftigung auswirkt.

Innovationen fördern!

Für die Praxis schlussfolgert der Bamberger Wissenschaftler: „Regionen können sich nicht auf den vorhandenen Produkten ausruhen, sondern müssen Veränderungen in ihren Angeboten vornehmen.“ Bliens Analysen zeigen, dass Veränderungen der realen Preise, hinter denen vor allem der technische Fortschritt steht, die Beschäftigung wesentlich beeinflussen. Tritt ein neues, innovatives Produkt auf dem Markt auf, reagiert die Nachfrage häufig stark auf Preisveränderungen. Diese Reagibilität, die sogenannte Preiselastizität der Nachfrage, wird später kleiner. „Demnach sollten Produktinnovationen gefördert werden“, plädiert Blien in Bezug auf wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen in Deutschland. Denn hierzulande liege der Fokus der Wirtschaft nicht genug auf innovativen Produkten. „Hier konzentrieren sich viele Betriebe auf ausgereifte Waren mit hoher Qualität. Von daher kann sich der technische Fortschritt eher ungünstig auf die Arbeitsmarktsituation auswirken“, schildert Blien. Eine solche Orientierung wird durch das – ansonsten sehr erfolgreiche – deutsche System der dualen Berufsbildung im Betrieb und in der Berufsschule nahegelegt. „Viele Firmen stellen erfolgreich Autos oder Spezialmaschinen zum Teil in kleinen Serien mit sehr guter Qualität her. Diese Produkte sind aber häufig nicht absolut innovativ“, erklärt der Soziologieprofessor.

Der technische Fortschritt birgt also tatsächlich Gefahren, er bietet jedoch gleichzeitig die Chance neue Arbeitsplätze zu kreieren. Der technische Fortschritt für sich selbst ist im Hinblick auf die Beschäftigungsperspektiven weder positiv noch negativ zu beurteilen, diese hängen vielmehr von den ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Für die verschiedenen, spezialisierten Regionen Deutschlands muss die Frage, ob technischer Fortschritt Fluch oder Segen ist, jeweils individuell beantwortet werden. Bliens Erkenntnisse kommen vor allem dem IAB und der Bundesagentur für Arbeit zugute. Seine Ergebnisse zu den Branchenspezifika fließen bei der Berufsberatung oder der Arbeitsmarktpolitik mit ein.

Kontakt für Rückfragen:

Prof. Dr. Uwe Blien
Lehrstuhl für Soziologie, insbes. Arbeitsmarkt- und Regionalforschung
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Telefon Sekretariat: 0951/863-2692
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Hinweis

Diesen Text verfasste Cordula Funk für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

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