Im Blickpunkt der Ringvorlesung steht E.T.A. Hoffmann.

Detlef Kremer sprach über den "Golem", einen Klassiker der phantastischen Literatur (Bild: Elisabeth von Sydow).

- Elisabeth von Sydow

Romantisches Genie trifft auf Gespenst des Prager Ghettos

Eröffnung der E.T.A. Hoffmann-Ringvorlesung

Im Jahre 1808 kam ein Künstler nach Bamberg, um als Musikdirektor am hiesigen Theater sein Debüt zu geben. Niemand konnte damals ahnen, dass eben dieser Künstler 200 Jahre später einer der größten Schriftsteller der Romantik sein wird. Anlässlich des 200jährigen Jubiläums wird diesem herausragenden Schriftsteller nun Ehre gezollt. Die Universität Bamberg beteiligt sich mit einer Ringvorlesung.

Viele unterschiedliche Veranstaltungen finden in den nächsten Monaten im Rahmen der Jubiläumsfeier statt. Unter ihnen eine Ringvorlesung über Hoffmann, welche von der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft und dem Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft der Universität Bamberg initiiert wurde. Den Anfang bildete Prof. Dr. Detlef Kremer von der Universität Münster, der dem geneigten Publikum Hoffmann in Verbindung mit der Prager Neuromantik näher brachte. Hierbei stellte er Gustav Meyrinks Meisterwerk „Der Golem“ den Werken Hoffmanns gegenüber. In ruhiger, knisternder Atmosphäre des E.T.A.-Hoffmann-Theaters erläuterte Prof. Kremer den Klassiker der phantastischen Literatur.

„Der Golem“ ist als eine Hoffmann-Adaption und Weiterentwicklung zu betrachten. Durch die Vermischung von Einsichtigem und Nicht-Erfassbarem, von Unglaublichem und Gängigem gelingt es Meyrink, eine für den phantastischen Roman ganz typische Stimmung zu erzeugen, die in dieser Form nur bei Hoffmann zu finden ist. Ebenso wie beim „Sandmann“ geht es in Meyrinks „Der Golem“ um die Frage „Was ist Wirklichkeit?“ und „Wer bin ich?“ Vermischung von Traum und Wirklichkeit, Realität und Fiktion lassen den Rezipienten in eine Welt des Grauens eintauchen. In Meyrinks Werk ist der Golem das personifizierte Grauen. Eine bleiche Gestalt mit schleichendem und gebeugtem Gang, welche Angst und Schrecken im Prager Ghetto verbreitet.

Die Erweckung des Todes

Im Werk selbst wird das geisterähnliche Wesen sehr spirituell und nebulös beschrieben: „Nimm an, der Mann, der zu Dir kam und den Du den Golem nennst, bedeute die Erweckung des Toten durch das innerste Geistesleben. Jedes Ding auf Erden ist nichts als ein ewiges Symbol in Staub gekleidet! Wie denkst Du mit dem Auge? Jede Form, die Du siehst, denkst Du mit dem Auge. Alles, was zur Form geronnen ist, war vorher ein Gespenst.“

Sowohl bei „Der Golem“ als auch bei einigen Werken Hoffmanns werden den unbewussten Erfahrungen sowie dem Okkultismus und Spiritismus eine große Bedeutung zugeschrieben. Dieses belegte Prof. Kremer immer wieder sehr anschaulich an geeigneten Textpassagen. Verborgene Winkel werden durch das Traumbewusstsein (wieder) zugänglich gemacht und stürzen den Protagonisten und nicht selten auch den Rezipienten somit in einen Kampf um Traum und Wirklichkeit. Das strukturelle Grundmodell von Meyrinks Meisterwerk ist hierbei die Überwindung des Materiellen und das Streben nach einem höheren Sein. 

Ein gelungener Auftakt in klassischer Atmosphäre

Zum Abschluss von Prof. Kremers Vortrag richtete Prof. Dr. Friedhelm Marx vom Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft das Wort an den Hoffmann-Experten. Eine Diskussionsrunde wurde eingeläutet, die das Publikum nach gut 60 Minuten wieder aus ihrer mystischen und melancholischen Stimmung riss.

Der gelungene Auftakt der Ringvorlesung „E.T.A. Hoffmann“ schaffte einen interessanten Einblick über die Werke Hoffmanns hinaus. Das Ziel der Ringvorlesung besteht darin, Hoffmanns Wissen, Werke und Rezensionen zu verstehen und zu bündeln. Laut Prof. Dr. Bernhard Schemmel, der das Begrüßungswort an das Publikum gerichtet hatte, besteht aber ebenfalls die Intention, Bamberg als E.T.A.-Hoffmann-Stadt zu etablieren. Mit dieser aufschlussreichen und hochinteressanten Vorlesung dürfte dieses Ziel wohl zu erreichen sein. Daher ist jedem, der sich für außergewöhnliche und mystische Literatur und natürlich für E.T.A. Hoffmann selbst interessiert, diese Ringvorlesung sehr zu empfehlen. Diese findet jeden Montag von 20.00 bis 22.00 in der U2/ Hörsaal 025 statt.

Weitere Informationen

Wer sich außerhalb dieser Vorlesung über das romantische Genie informieren möchte, dem sei das E.T.A.-Hoffmann-Jahrbuch, das sich mit den wichtigsten Texten, aber auch mit Hoffmanns juristischen Tätigkeiten und seiner musikalischen Seite befasst, ans Herz gelegt. Zudem werden alle Beiträge der Ringvorlesung im E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch von 2009 veröffentlicht.