Änderungen im Recruiting durch technische Innovationen
Tim Weitzel (links) und Sven Laumer (2.v.l. hinten) mit dem CHRIS-Team der Universität Bamberg
So ticken Bewerber und Unternehmen
Wie rekrutieren Personaler ihre künftigen Mitarbeiter? Und wie finden Bewerber die passende Stelle? Das Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) um Prof. Dr. Tim Weitzel hat Antworten parat. Seit über 10 Jahren untersucht es Recrutingtrends und Veränderungen in der Bewerbungspraxis.
Das Internet ist eine bombastische Erfolgsgeschichte. Schneller als jedes andere Kommunikationsmittel der Menschheit hat es sich verbreitet. Die Folgen der digitalen Revolution zeigen sich auch in der Bewerbungspraxis. „Recruiter müssen heute ganz anders arbeiten als noch in den 1990er Jahren“, erklärt Prof. Dr. Tim Weitzel, Inhaber des Lehrstuhls für Informationssysteme in Dienstleistungsbereichen.
Hatte ein Unternehmen in den 1990er Jahren eine Stelle zu besetzen, wurde mittels Print-Stellenanzeige nach dem passenden Bewerber gesucht. Die Bewerbungen gingen in Papierform ein und wurden dann selektiert. Heute ist das Internet das etablierte, dominierende Medium im Personalmarketing. „Fast alle Vakanzen werden online veröffentlicht“, erläutert Weitzel. „Und über 80 Prozent der Neueinstellungen werden über Online-Kanäle realisiert.“ Ebenso hat sich auch die Bewerbungspraxis in die Online-Welt verlagert: Längst dominieren E-Mail-Bewerbungen. Die klassische Mappe per Post hingegen gehört in vielen Fällen der Vergangenheit an.
Weitzel befasst sich seit zwölf Jahren mit den Veränderungen von Recruting und Bewerbungspraxis. An der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität, wo er auch promovierte, rief er das Forschungsprojekt CHRIS (Centre of Human Resources Information Systems) ins Leben. Seit 2007 ist das Projekt in Bamberg angesiedelt. In Kooperation mit dem Jobbörsenanbieter Monster analysieren Wissenschaftler aus Bamberg und Frankfurt Chancen und Trends des IT-Einsatzes in Personalprozessen.
Bewerber- und Unternehmerperspektive berücksichtigt
Wie verändert sich die Personalbeschaffung in deutschen Großunternehmen? Dieser Frage geht seit 2002 die Langzeitstudie „Recruiting Trends“ nach. Jährlich nehmen die 1000 größten Unternehmen aus Deutschland an Umfragen teil. 2004 startete CHRIS ergänzend die Studienreihe „Bewerbungspraxis“. Hierbei stehen Stellensuchende im Mittelpunkt. Die Verknüpfung der beiden Studien liegt nahe: „Kaum ein Personalverantwortlicher kann es sich erlauben, sich nicht mit den Bedürfnissen und Anforderungen der gesuchten Kandidaten auseinanderzusetzen“, erläutert Dr. Sven Laumer, Ansprechpartner für die beiden Studien. Umgekehrt sei es für Bewerber lohnenswert, die Unternehmensperspektive zu kennen.
Seit der ersten Studie im Jahr 2002 hat sich viel verändert. Einige grundlegende Herausforderungen sind jedoch gleichgeblieben. Der Arbeitsmarkt steht einem anhaltend akuten Fachkräftemangel gegenüber. Im Jahr 2014 erwarteten die Unternehmen, mehr als ein Drittel der Vakanzen (35,8%) nur schwer besetzen zu können. Knapp sechs Prozent bleiben ihrer Einschätzung nach aufgrund des Mangels an geeigneten Bewerbern ganz unbesetzt. „Diese Werte bewegen sich seit mehreren Jahren auf einem konstant hohen Niveau“, führt Weitzel aus. Eigene Ausbildungsmaßnahmen, flexible Arbeitszeitmodelle und Home Office sind beliebte Strategien, mit denen Unternehmen versuchen, der Problematik Herr zu werden.
Social Media und mobiles Recruiting als neue Trends
Der Wandel der Kommunikationsgewohnheiten im World Wide Web stellt die Personalbeschaffung vor weitere neue Herausforderungen. „Kenne deine Zielgruppe“, propagiert Laumer. „Genauer gesagt: Kenne das Mediennutzungsverhalten deiner Zielgruppe.“ Twitter, Facebook und Co. sind vom Alltag der meisten Internetnutzer gar nicht mehr wegzudenken. Der Social-Media-Einsatz zum Zwecke der Personalbeschaffung hingegen steckt noch immer in den Kinderschuhen. Lediglich ein Viertel der Unternehmen verfolgt eine explizite Strategie für den Einsatz von Social Media in der Rekrutierung.
Neben Social Media fordert die zunehmende Nutzung mobiler Endgeräte gängige Rekrutierungsprozesse heraus. „Smartphones und Tablets sind zu ständigen Begleitern in der modernen Arbeitswelt geworden“, erklärt Weitzel. Für die Unternehmen von zentraler Wichtigkeit wird somit die Frage: Wie bekomme ich Dinge, die im Netz stehen, auf das mobile Endgerät? Bislang hat rund ein Viertel der befragten Unternehmen die Darstellung ihrer Online-Stellenanzeigen für bestimmte Tablets oder Smartphones optimiert. „Erste Unternehmen denken bereits darüber nach, Bewerbungen künftig ohne Anschreiben zuzulassen. Dann wären auch Bewerbungen mittels Smartphone kein Problem mehr“, erläutert Laumer.
„Sichtbar sein“
Die Veränderungen im IT-Bereich stellen nicht nur Unternehmen vor Herausforderungen. Auch die Bewerber müssen auf Trends reagieren. Längst veröffentlichen Unternehmen nicht nur Stellenanzeigen, um geeignete Bewerber zu finden. Darüber hinaus durchforsten sie aktiv Bewerberprotale. Daher lautet Laumers Rat an seine Studierenden: „Machen Sie sich sichtbar, damit Sie gefunden werden können.“ Als Fachstudienberater empfiehlt er Studierenden, sich ein Profil bei XING, LinkedIn oder in einer Lebenslaufdatenbank wie beispielsweise Monster anzulegen. „Einige meiner Studierenden haben auf diese Weise ihren Job gefunden, ohne dass sie selbst auch nur eine Bewerbung geschrieben haben.“
Hinweis
Diesen Text verfasste Andrea Lösel für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er kann für redaktionelle Zwecke verwendet werden.
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