Kerstin Schweizer, Isabell Arnold und der Koordinator vom ZIS Florian Lamprecht (Bilder: Martin Beyer)
Mehrgleisigkeit ist gut, aber einen Wegweiser haben die beiden Studentinnen in Bamberg längst nicht mehr nötig
„Mehrgleisigkeit kann nicht schaden!“
Der Dialog zwischen den Kulturen ist wichtiger denn je. Der vom Bamberger Zentrum für Interreligiöse Studien (ZIS) initiierte Masterstudiengang „Interreligöse Studien: Judentum – Christentum – Islam“ vermittelt vielfältige, interdisziplinäre Kompetenzen.
Eine eindrucksvolle Persönlichkeit, die da vor den Studierenden steht. Rabbi Erwin Schild, 85 Jahre alt, gibt Einblicke in die rabbinische Thora-Auslegung. Und viel mehr als das: er öffnet die Tür zu seiner Erinnerungskammer, die sich sicher nicht leicht öffnen lässt. Schilds Leben ist wie mit einer schwarzen Folie eingedunkelt durch die Judenverfolgung der Nationalsozialisten: Schild entkam aus dem Konzentrationslager Dachau und floh über Holland und England bis nach Kanada, wo er heute immer noch lebt. Doch Schilds Hass auf Deutschland hat sich längst gewandelt. Der Rabbiner arbeitet buchstäblich an der Aufhellung der Vergangenheit, seit den 1980er Jahren reist er wieder nach Deutschland und bemüht sich um Verständigung – und um Verständnis der jeweils anderen kulturellen und religiösen Tradition.
So jemanden wie den kanadischen Rabbi treffen zu können und von seinem Erfahrungsschatz und Engagement zu profitieren, das ermöglicht der neue Studiengang „Interreligiöse Studien“, das vom fächerübergreifenden Zentrum für Interreligiöse Studien aufgebaut wurde.
Vertiefung nach dem Studium
Kerstin Schweizer, die zu den ersten Studierenden dieses neuen Masterprogramms gehört, zeigt sich begeistert über das breite Spektrum dieses interdisziplinären Studiengangs. „Das Studium fasziniert mich, weil es zu einer Vermittlungsarbeit und einer Gesprächsfähigkeit erzieht, die bei den sich verschärfenden Problemlagen im Bereich des Kulturkontakts immer nötiger werden!“ Schweizer hat in Bayreuth Kulturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Religion und Interkulturelle Germanistik studiert. Der neue Masterstudiengang an der Otto-Friedrich-Universität bietet ihr Gelegenheit zur Vertiefung und Erweiterung ihrer Kenntnisse und Interessen, die vor allem im Bereich der interkulturellen und -religiösen Kommunikation zwischen Christentum und Islam liegen. Die interreligiösen Studien führen unterschiedliche Disziplinen zusammen, neben der katholischen und evangelischen Theologie sind Judaistik, Politikwissenschaft und Soziologie tragend. Das Studium der Heiligen Schriften (Koran, Bibel, Thora) und die Beschäftigung mit den verschiedenen Lehrtraditionen geht folglich Hand in Hand mit der Vermittlung gesellschaftlicher und politischer Kenntnisse.
Unterschiedliche Lebensläufe
Doch die Studierenden des Masterprogramms treffen nicht nur regelmäßig auf spannende Gäste wie den Rabbi Erwin Schild, sie selbst kommen aus sehr unterschiedlichen Bereichen. Isabell Arnold, neben Kerstin Schweizer eine der ersten Studierenden, ist ausgebildete Grundschulpädagogin mit zusätzlicher Lehrerlaubnis für den Religionsunterricht. „Nach mehrjähriger Berufserfahrung, auch im Ausland, wollte ich meine gesammelten Erfahrungen wissenschaftlich vertiefen. Berufliche Weiterbildung verbunden mit großem privatem Interesse an interreligiösen Fragestellungen ergänzen sich perfekt in diesem Studienangebot“, sagt Arnold. Arnold ist es seit ihrer Kindheit gewohnt, mit anderen Kulturen und Religionen Kontakt zu haben, „ich habe mir früh eine Sensibilität für religiöse Fragen, Interpretationen, Sichtweisen und persönliche Glaubensrichtungen angeeignet“. Spannend sind für die Studentin die neuen Aufgabenfelder und Arbeitsmöglichkeiten, die sich durch den Masterabschluss eröffnen. Arnold kann sich vorstellen, im Bereich der Erwachsenenbildung bis hin zu internationalen Kooperationen im Kulturmanagement tätig zu sein. Genau festlegen will sie sich wie ihre Kommilitonin Kerstin Schweizer noch nicht. Schweizer kann sich vorstellen, ihre Kenntnisse schließlich in der interreligiösen Dialog-, Kultur-, Bildungs- und Beratungsarbeit gewinnbringend einzusetzen. Wo genau das sein wird, kann sie heute noch nicht sagen, aber in einer Sache sind sich Arnold und Schweizer einig: „Mehrgleisigkeit kann nicht schaden!“
Worüber sich die beiden neben den fachlichen Anreizen am meisten freuen, sind die vielen Kontakte, die sie schon geknüpft haben. „Das Praxisseminar zum interreligiösen Dialog zwischen Christen und Muslimen bot exzellente Möglichkeiten, mit Vertreterinnen und Vertretern muslimischer Gemeinschaften ins Gespräch zu kommen“, erzählt Schweizer. Und vielleicht ergibt sich aus solchen Kontakten ja auch einmal eine berufliche Perspektive, die längst nicht auf Deutschland beschränkt bleiben muss. Denn um Verständnis für die eigene Kultur zu werben und eine Vertrautheit mit der jeweils anderen Kultur zu erreichen, muss man viel reisen. Auch dafür ist der Rabbi Erwin Schild ein gutes Beispiel.
Informationen zum Studiengang
Der Masterstudiengang „Interreligiöse Studien: Judentum – Christentum – Islam“ steht Absolventen geistes-/ kultur- und gesellschaftswissenschaftlicher Studiengänge offen.
Die direkte Einschreibung für den Studiengang setzt ein Hochschulstudium von mindestens sechs Semestern und einen Studienabschluss mit der Note „gut“ voraus.
Bei einer schlechteren Note ist die Eröffnung eines Eignungsfeststellungsverfahren möglich.
Koordiniert wird der Studiengang vom Zentrum für Interreligiöse Studien (ZIS) an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.