archkonzept liebert

Thomas Liebert bei einer archäologischen Sondage im Vorfeld einer Baumaßnahme auf dem Nordzwinger der Nürnberger Kaiserburg.

Aus dem Boden lesen

Bamberger Alumnus über seine Tätigkeit als freiberuflicher Archäologe

Die Archäologie hat mit vielen Vorurteilen zu kämpfen: Dass sie keine aktuelle gesellschaftliche Relevanz habe. Und dass sie eine brotlose Kunst sei. Der Bamberger Alumnus Thomas Liebert ist dagegen überzeugt davon, dass archäologische Erkenntnisse gerade in der heutigen globalisierten Welt immer wichtiger werden – und er ist das beste Beispiel dafür, wie vielfältig ein Archäologe arbeiten kann.

„Ich bin fasziniert davon, dass man im Boden lesen kann wie in einem Buch“, erklärt Dr. Thomas Liebert, der in Bamberg studiert und promoviert hat und aktuell als freiberuflicher Archäologe arbeitet. Ausschlaggebend für seine Fächerwahl sei gewesen, dass er sich schon immer für Archäologie und Geschichte, aber auch für Architektur, Handwerk und Technik und ganz allgemein für Kultur- und Kunstgeschichte interessiert habe. „Letztendlich fiel die Wahl des Hauptfaches auf Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, weil wir noch heute von diesem Teil unserer Geschichte umgeben sind. Wir sind selbst ein Produkt dieser Geschichte“, so Liebert. Seine Nebenfächer Vor- und Frühgeschichte sowie Neuere und Neueste Geschichte haben diese Wahl ergänzt, findet der Archäologe doch diese Epochen ebenso spannend.

„Archäologisch-historisches Wissen ist identitätsstiftend“

Sein Wissen um archäologische Zusammenhänge erprobte Thomas Liebert nach seinem Studienabschluss 1996 zunächst als wissenschaftlicher Grabungsleiter bei einer Grabungsfirma, dann als freiberuflicher Archäologe. Neben mehrjährigen Grabungsprojekten beispielsweise in der Nürnberger Kaiserburg begeisterte der Bamberger Alumnus sich bereits zu diesem Zeitpunkt für archäologische Ausstellungsprojekte. „Archäologisch-historisches Wissen ist identitätsstiftend. Deshalb war es für mich wichtig, es in die Gesellschaft hineinzutragen.“

Nur konsequent war darum der Weg zurück zur Universität Bamberg, wo er von 2005 bis 2007 als wissenschaftlicher Mitarbeiter angestellt war, sowie von 2006 bis 2009 als Lehrbeauftragter. Im DFG-Projekt „Technik des frühen Mittelalters – Wassermühlen und sonstige Wasserbauwerke im fränkisch-bajuwarischen Grenzgebiet bei Greding, Mittelfranken“ wertete Thomas Liebert Grabungsbefunde aus, die während des Baus der ICE-Trasse Nürnberg-Ingolstadt bei großflächigen Untersuchungen im südlichen Mittelfranken gefunden wurden. Im Schwarzachtal bei Großhöbing konnten umfangreiche Feuchtbodenbefunde mit im Untergrund erhaltenen Holzpfählen dokumentiert werden. „Sie bilden die Grundlage meiner Dissertation und zeigen, wie sehr Menschen kleinere Flüsse als Nahrungsquelle, Verkehrsweg und Energieträger nutzten“, erklärt der Archäologe.

Wissenschaftliche Pionierleistung

Die ältesten der ausgewerteten Holzbefunde stammen von Fischfanganlagen der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts und geben Hinweise auf die Besiedlung des Tales am Übergang zum frühen Mittelalter. Rund 3.200 weitere Hölzer stammen aus dem frühen Mittelalter: Eine Bootslandestelle, die vor allem im 9. Jahrhundert genutzt und mehrfach umgebaut wurde, und 10 Wassermühlen des ausgehenden 6. bis späten 9. Jahrhunderts, bei denen auch die Wasserführung nachgewiesen werden konnte, bestehend aus Mühlteichen, -kanälen und Wehren sowie den Mühlgebäuden.

„Die umfangreichen wasserbautechnischen Eingriffe vermitteln einen Eindruck vom hohen Entwicklungsstand frühmittelalterlicher Mühlentechnologie in einer Konzentration, wie sie in Europa bislang einmalig ist“, so Liebert. Verschiedene Fragmente von Mühlsteinen erlauben Erkenntnisse über die Herkunft des verwendeten Sandsteins, aber auch über den Mahlgang selbst. „Neben diesem Einblick in den frühmittelalterlichen Alltag offenbarten die Befunde aber auch erste ökologische Probleme, die durch die menschlichen Eingriffe in diesem Naturraum entstanden und eine fortwährende Neuanlage der Mühlen und Schiffsanlegestellen erzwangen.“

Für seine Doktorarbeit wurde Liebert mit dem Otto-Meyer-und-Elisabeth-Roth-Preis ausgezeichnet, der für hervorragende Dissertationen im ländlichen Raum in Franken verliehen wird. Zudem ehrte die Stadt Heidenheim ihn mit dem Kurt-Bittel-Preis. Auch Lieberts Doktorvater Prof. Dr. Ingolf Ericsson lobte die wissenschaftliche Pionierleistung: „Die Ergebnisse sind nicht nur von lokaler beziehungsweise landesgeschichtlicher Bedeutung, sondern für die Erforschung der Gewässernutzung – insbesondere als Standort für Wassermühlen – in Zentraleuropa allgemein von größtem Interesse.“ Die Auswertung des umfangreichen und ausgesprochen komplizierten Quellenmaterials habe bislang einmalige Erkenntnisse geliefert, auch zur Siedlungsgeschichte und zur Landschaftsarchäologie der Region.

Akzeptanz archäologischer Untersuchungen und Forschungen steigern

Durch die Arbeit an der Universität Bamberg hatte Thomas Liebert den Lehrbetrieb erstmals aus anderer Perspektive kennen gelernt, so erzählt er. „Damit war ich vor die Herausforderung der Wissensvermittlung gestellt.“ Parallel zur Promotion absolvierte der Archäologe eine Ausbildung zum Betriebswirt an der WiSo-Führungskräfteakademie Nürnberg, um eine breitere Grundlage für sein Tätigkeitsfeld als freiberuflich tätiger Archäologe zu schaffen. „Beide Felder ergänzen sich sehr gut, so dass ich heute neben dem klassischen Aufgabenspektrum eines Archäologen mit Ausgrabung und Forschung auch Konzepte für Museen erstelle und umsetze.“

Archäologie und Geschichte bieten sich in einer zunehmend globalisierten Welt als identitätsstiftendes Alleinstellungsmerkmal hervorragend für die touristische Positionierung von Städten und Regionen an, so Thomas Liebert. Deshalb arbeitet er daran, solche archäologisch-historischen Potentiale zu finden und in die touristische Entwicklung von Städten zu integrieren, beispielsweise beim Ausstellungskonzept für ein Heidecker Stadtmuseum oder im Projektmanagement im Rahmen des Städtebau-Förderungsprogrammes “Städtebaulicher Denkmalschutz” in der Klosterstadt Heilsbronn. „Damit entsteht zugleich ein gesellschaftlicher Nutzen, der die Akzeptanz archäologischer Untersuchungen und Forschungen steigern wird“, ist sich der Bamberger Alumnus sicher.

Hinweis

Diesen Text verfasste Katja Hirnickel für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

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