Palzhoff erläuterte bei seiner Lesung seine Ansichten zum Thema der Verbindung von Autor und Werk.

Anschließend signierte er seinen Fans noch Bücher. (Bilder: Alexandra Franz)

- Alexandra Franz

Kein „Blair Witch Project“ und kein Doktor Caligari, aber was dann?

Der Schriftsteller Thorsten Palzhoff las aus seinen Werken

„Geboren am 16.3.1599“ heißt es im Internet über Thorsten Palzhoff. Trotzdem las er am 15. Januar höchstpersönlich an der Universität Bamberg aus seinen Werken. Und erklärte die Widersprüchlichkeiten, die über ihn kursieren.

Wie „Blair Witch Project“. Oder wie die Sequenz aus dem expressionistischen Film „Das Cabinet des Doktor Caligari“. So erschien einem der Juroren die Erzählung „Livia“, die Thorsten Palzhoff zum 32. Tag der deutschsprachigen Literatur las. Doch die Bamberger Studierenden, die an einer Exkursion nach Klagenfurt teilgenommen hatten, waren mit diesem Urteil, wie überhaupt mit dem gesamten Urteil der Jury, nicht einverstanden. Sie stimmten deshalb noch auf der Heimreise darüber ab, welcher der Autoren ihr Favorit für den Bachmann-Preis 2008 gewesen wäre. Und der Preis der Bamberger Studentenjury ging an: Thorsten Palzhoff. Anstatt einer Preisübergabe las der Schriftsteller am Donnerstag, 15. Januar, aus seinem Erzählband „Tasmon“. Eingeladen worden war er im Rahmen der Reihe „Literatur in der Universität“ vom Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft.

Wer ist Thorsten Palzhoff?

Doch wer ist dieser Autor überhaupt? Wer sich vor der Lesung über die Person Thorsten Palzhoff informieren wollte, hatte es schwer. Einer der wenigen ausführlichen Interneteinträge über ihn erklärte, er sei seit 2004 Bürgermeister der Gemeinden Ruhberg und Tollheim, allerdings schon im Jahr 1599 auf dem elterlichen Gutshof im hessischen Hanau geboren worden. Auch die Informationen über Palzhoff zu Beginn der Lesung waren nicht weniger verwirrend. In einem kurzen Film beschrieb einer der Freunde Palzhoffs, dass der Autor besessen von seiner Arbeit sei und er ehrliche Befürchtungen habe, „dass er da nie wieder rauskommt“. Ein anderer meint dagegen „Wenn man sich die Erzählungen in seinem Buch mal genauer ansieht, dann sieht man schon, dass er nicht wirklich ernsthaft recherchiert.“

Was will der Autor damit sagen?

Unter den Literaturwissenschaftlern im Hörsaal der U5 kam da natürlich die Frage auf: Was will der Autor damit sagen? Die Antwort ist ganz einfach: Er hasst Autobiographien, er lehnt Rückschlüsse aus der Biographie eines Autors auf dessen Werk ab. Er möchte sich nicht in eine Schublade stecken lassen. So enthält der Klappentext in seinem Buch „Tasmon“ eben nicht die Information, dass er eigentlich Musik- und Literaturwissenschaften an der Technischen Universität in Berlin studiert hat und Mitarbeiter des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung war.

Dass dieser Hintergrund ohnehin überflüssig ist, bemerkte man schnell bei der Lesung Palzhoffs aus seinem Buch „Tasmon“, das die drei Erzählungen „Lewkin“, „Tasmon“ und „Laura“ enthält. Der Autor begann zunächst mit zwei Ausschnitten aus dem ersten und zweiten Kapitel der Erzählung „Lewkin“ und schloss daran zwei Passagen aus der Titelerzählung „Tasmon“ an. Diese behandelt eine DDR-Fluchtgeschichte, in der ein Erzähler, der sich als Engel ausgibt, von einem verschollenen Vater erzählt, der vermutlich mit einem Boot aus der DDR floh. Tasmon ist dabei die geheime Insel, auf die sich der Vater flüchten will.

Zur Erläuterung ein Experiment

Im Anschluss daran wagte Palzhoff ein Experiment. Er las aus seinem seit Januar 2002 angefertigten, privaten Arbeitsjournal, welches interessante Einblicke in die Arbeit eines Schriftstellers bot. So wurde unter anderem klar, dass Palzhoffs Vorbild der Schriftsteller Vladimir Nabokow ist. Seine Detailfreude beeindruckte und beeinflusste ihn. Auch die Ansicht Nabokows, dass man alltägliche Dinge nur aus der Distanz der nächsten Generation schildern könne, ging ins Werk Palzhoffs ein. So kann der Leser nur scheitern, wenn er biographische Züge zu Palzhoff in „Laura“ oder „Lewkin“ sucht. Zu groß ist selbst bei „Lewkin“ trotz aller geschichtlichen Authentizität der Einfluss der Fiktion. Palzhoff meint dazu: „Das ist schon beeindruckend. Plötzlich hat man am Schreibtisch eine Figur vor sich, die man eigentlich gar nicht kennt.“

Nach der Lesung bemerkte Palzhoff jedoch: „Bisher erleichterte die Distanz zu einem Thema das Schreiben.“ Doch in Zukunft könne es schon möglich sein, dass er nicht umhin komme, seine Persönlichkeit mehr in sein Schreiben einzubringen. Auf seinen neuen Roman, an dem Palzhoff gerade schreibt und den er, wie er selbst meint, mit Freuden immer wieder verwirft, darf man also gespannt sein. Palzhoff wurde übrigens 1974 in Wickede geboren.