Staatliche Politik ist nicht alles - Stiftungen, Kommunen und Universitäten tragen die internationale Kulturpolitik zu einem wesentlichen Teil mit - Helmut Glück macht sich für die internationalen Aktivitäten Bambergs stark (Bilder: Monica Fröhlich)

"Wir brauchen hoch qualifizierte Studierende aus der ganzen Welt!" Buchstäblich "beschirmt" wurden die Hertie-Stipendiaten aus Ost- und Mitteleuropa im Alten Rathaus von Wissenschaftsminister Thomas Goppel (links)

- Monica Fröhlich

Kulturpolitik – made in Bamberg

Wie Stadt und Universität auswärtige Kulturpolitik mitgestalten

Die auswärtige Kulturpolitik Deutschlands wird in Berlin gemacht - für ihre Umsetzung zuständig sind Mittlerorganisationen wie das Goethe-Institut oder der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD). Doch das ist gerade mal die halbe Wahrheit, findet Prof. Dr. Helmut Glück, Sprachwissenschaftler mit analytischem Blick für die Kulturpolitik. Ein beträchtlicher Teil der kulturpolitischen Praxis finde nämlich in den Ländern und in den Kommunen statt, auch in Bamberg.

Der Anlass, bei dem Prof. Dr. Helmut Glück seine Thesen von der Wichtigkeit internationalen Handelns auf kommunaler Ebene ausführte und vor Politikern, Studierenden, Wissenschaftlern und Vertretern des diplomatischen Corps am Beispiel der Universität und der Stadt Bamberg veranschaulichte, bestätigte sie zugleich: Universitätsrektor Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert und Oberbürgermeister Andreas Starke hatten zu einem Empfang geladen, um ein neues Stipendienprogramm der Hertie-Stiftung feierlich einzurichten. Über eine halbe Million Euro investiert die Gemeinnützige Hertie-Stiftung seit diesem Semester in wissenschaftlichen Nachwuchs aus Ost- und Mitteleuropa, der sich über einen zwei- bis dreisemestrigen Studien- oder Forschungsaufenthalt in Bamberg freuen kann (zum ausführlichen 1>Bericht über das Programm).

Grund genug für Wissenschaftsminister Dr. Thomas Goppel, die Bedeutung dieses Programms zu betonen: „Wir brauchen hoch qualifizierte Studierende aus der ganzen Welt“, betonte der Minister bei der Feier am 24. November im Alten Rathaus. „Das Programm der Hertie-Stiftung trägt dazu bei, die Zusammenarbeit mit Hochschulen insbesondere in Mittel- und Osteuropa weiter kontinuierlich und konsequent auszubauen. Privates Engagement ist im Internationalisierungsprozess der bayerischen Hochschulen eine tragende Säule“, so Goppel.

Notwendige Ergänzung der staatlichen Politik

Auch Glück lobte in seinem Vortrag das Engagement der Hertie-Stiftung, aber auch der VW- und der Robert-Bosch-Stiftung, deren Engagement in den Ländern Mittel- und Osteuropas die Aktivitäten des Staates mitunter in den Schatten stelle: „Stiftungen arbeiten an der Nahtstelle zwischen der Bürgergesellschaft und der Politik. Politik wird von Mehrheiten gestaltet, und sie reagiert oft kurzfristig auf Ansprüche von Wählergruppen. Deshalb fehlt ihr mitunter der lange Atem. Stiftungen sind nicht von politischen Mehrheiten abhängig, sondern von ihrer Stiftungsurkunde. Sie haben die Ziele umzusetzen, die dort festgeschrieben sind. Sie können vor allem dort viel bewirken, wo der Staat an seine Grenzen stößt. Sie sind eine notwendige Ergänzung der staatlichen Politik.“

Am Beispiel von Bamberg zeigte er aber auch, wie sehr die internationale Kulturpolitik vom lebendigen Austausch der Kommunen und den zahlreichen Programmen und Veranstaltungen der Universitäten lebt. Bamberg beispielsweise sei als „Weltkulturerbe“ der UNESCO eingebunden in das weltweite Netzwerk der Weltkulturerbe-Stätten und würde dadurch zu einem global player auf dem Feld der internationalen Kulturpolitik. Gleiches gelte seit fast 60 Jahren auch für die Bamberger Symphoniker, die pro Jahr etwa 50 Konzerte im Ausland absolvieren und als Sympathieträger die Namen Bambergs und Bayerns in alle Welt trügen. Oder das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia, das seit 1997 im Auftrag des Freistaats die Künste fördern und die kulturellen Beziehungen Bayerns zu anderen Staaten pflegen soll. Auch die Städtepartnerschaften Bambergs mit Kommunen in Böhmen, Frankreich, Großbritannien, Österreich und Ungarn sowie die Freundschaftsverträge mit Städten in Japan, Österreich und Italien seien wesentlicher Bestandteil auswärtiger Kulturpolitik.

„Für ihre internationalen Beziehungen wurde der Stadt Bamberg vor kurzem die Ehrenplakette des Europarates verliehen. Diese Beziehungen werden von der Stadt vereinbart, aber von ihren Bürgern mit Leben erfüllt. Das geschieht im Wesentlichen durch die Universität, die Schulen und Vereine. Auch Kirchengemeinden, Chöre und Orchester, Theaterliebhaber, Musikschulen, Jugend- und Sportgruppen, Sozialverbände gestalten die internationalen Beziehungen unserer Kommune“, so Glück.

Universität Bamberg in der Spitzengruppe

Natürlich sei auch die Aktivität der Universität als Bestandteil der internationalen Kulturpolitik des ganzen Landes zu verstehen: Die Otto-Friedrich-Universität gehöre, was die weltweiten Austausch-Aktivitäten anbelangt, zur Spitze unter den deutschen Universitäten. Etwa ein Drittel ihrer Studierenden gehe für ein oder zwei Semester ins Ausland. Zahllose Fächer würden zudem den Kulturaustausch befördern. Nicht nur die Philologien befassen sich mit den Sprachen und Kulturen anderer Länder, Teilfächer der Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie und der Politikwissenschaft haben die internationalen Beziehungen zum Gegenstand, zum Beispiel der Studiengang Europäische Wirtschaft. Als kooperatives Studiengang-Projekt erwähnte er ferner den MA-Studiengang „English and American Studies“, der zusammen mit Universitäten in Österreich, Ungarn, Italien, den USA und England betrieben wird.

Der Sprachwissenschaftler hätte noch viele weitere Beispiele bringen können, aber die Auswahl reichte aus, um den Anwesenden zu einer Perspektiverweiterung zu verhelfen. Man konnte in den Gesichtern lesen: So hatten bisher die wenigsten über Kulturarbeit gedacht.
Angesichts der politischen Lage zeigte sich Glück gemäßigt optimistisch: „Nach etwa zehn Jahren Stillstand kommt nun wieder Bewegung in die auswärtige Kulturpolitik Deutschlands.“ Und das sei gut so. Eine kluge Kulturpolitik zahle sich nämlich langfristig aus. Auch für die Wirtschafts- und die Sicherheitspolitik.